zurück
SCHWEINFURT/ABU DHABI
Studieren in den Emiraten: Zwischen Luxus und Videoüberwachung
Lilly Lippert lebt seit einigen Monaten in einer neuen Welt. Für ein halbes Jahr studiert die 25-Jährige in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und dort ist vieles anders, nicht nur in puncto Sicherheit.
Gut bewacht: Das Eingangstor der United Arab Emirates University.
| Gut bewacht: Das Eingangstor der United Arab Emirates University.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:53 Uhr

Wüste, Meer, Ölfelder, Frauen im Nikab und ein Reichtum, der nicht nur an den vielen Luxuskarossen erkennbar ist: Seit August 2015 studiert Lilly Lippert für ein halbes Jahr in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Südosten des Persischen Golfs – um Arabisch zu lernen und in die Kultur einzutauchen.

Sie wohnt mit anderen jungen Frauen – darunter auch weitere Studentinnen aus Europa – in einem Studentinnenwohnheim in der Stadt Al Ain. Al Ain befindet sich im Emirat Abu Dhabi an der Grenze zu Oman, rund 160 Kilometer südöstlich von der Stadt Abu Dhabi. Morgens werden sie von einem Fahrer abgeholt, der sie zum Uni-Campus der United Arab Emirates University bringt, erzählt die 25-Jährige, die an der Uni Marburg ihren Master in „Politik und Wirtschaft des Nahen und Mittleren Ostens“ macht.

Wer die Uni verlässt, kommt an der Rezeption nicht vorbei

„Sicherheit wird hier ganz groß geschrieben.“ Um das Wohnheim- und das Uni-Gelände ist eine hohe Mauer gezogen, die videoüberwacht ist. „Um den Campus zu verlassen, müssen wir uns an der Rezeption in ein Buch eintragen.“

Auch wenn Lippert schon im Bachelorstudiengang Islamwissenschaft studiert hat und selbst einer multikulturellen Familie entstammt – ein kleiner Kulturschock waren die ersten Tage trotzdem. An Kopftuch und Abaya, die nahezu alle emiratischen Frauen tragen, habe sie sich schnell gewöhnt. „Abaya ist wie ein Kleid, welches zumeist vorne zugeschnürt wird, traditionell schwarz ist und mit kleinen Stickerein geschmückt ist.“

"Für Europäerinnen schon gewöhnungsbedürftig"

Anders der Nikab, der wie ein Vorhang das Gesicht der Frauen verdeckt und nur einen Augenschlitz freilässt: „Das ist für uns Europäerinnen schon gewöhnungsbedürftig, zumal beim Reden ja die Mimik völlig wegfällt.“ Manch ein Mädchen, welches sie aus dem Wohnheim unverschleiert kennt, habe sie auf der Straße nicht mehr erkannt. „Ich bin noch nicht so geschult, dass ich die Frauen nur an den Augen erkenne.“

Auffällig ist, dass von fast allen emiratischen Frauen viel Eleganz ausgeht: „Exzellente Körperhaltung, perfekt geschminkte Gesichter mit Augenbrauen wie gemalt, ordentlich manikürte Nägel, sehr gepflegte Hände und hohe Schuhe.“ Auch verrückte Stilettos blitzen da manchmal unter der Abaya hervor „und das auf sehr glitschigen Böden der Malls“. Die Männer indes tragen häufig die sogenannte Khandora, ein luftiges, knöchellanges, langärmliges Gewand. „Faszinierenderweise sind die sogar bei den kleinen Jungs strahlend weiß“, erzählt Lippert.

Frauen werden respektiert, haben nicht die gleichen Rechte

Was die Rolle der Frau in dem arabischen Wüstenstaat angeht, hat sich die gebürtige Schweinfurterin noch keine abschließende Meinung gebildet. In einer auffälligen Aussage seien sich bisher alle ihre Gesprächspartnerinnen einig gewesen: In dieser Gesellschaft würden Frauen so respektiert wie sonst kaum auf der Welt. Gleichzeitig werde deutlich, dass Frauen längst nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. „Die Frage, was Frauen dürfen und welcher Respekt ihnen entgegen gebracht wird, scheint losgelöst voneinander.

“ Nicht unangenehm erscheint Lippert zum Beispiel der Frauenwagon in der Dubaier Metro. „Das hätte ich mir in anderen Großstädten das ein oder andere Mal gewünscht, um nicht blöd angequatscht zu werden oder Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.“

80 Prozent der Einwohner sind Migranten

Irritiert ist die Islamwissenschaftlerin bezüglich der Integration von Ausländern in den Emiraten. „Man kann noch nicht einmal sagen, dass Integration scheitert, sie wird einfach nicht angestrebt,“ erklärt sie. Dazu muss man wissen, dass nur etwas mehr als 20 Prozent der Landesbevölkerung Emiratis sind, fast 80 Prozent der derzeitigen Bevölkerung sind Arbeitsmigranten, kommen zum Beispiel von den Philippinen, aus Pakistan, Bangladesch oder Nepal. „Meistens führen diese Gastarbeiter Berufe aus wie (Taxi-)fahrer, Hausangestellte oder Gärtner.“ Beobachten konnte Lippert in den Malls reiche Emirati-Frauen, gefolgt von philippinischen Kindermädchen. Es sei vollkommen klar, dass die Menschen aus dem Ausland „nur“ zum Arbeiten da sind. „Das ist doch ein sehr anderes Verständnis von Integration.“

Ungewohnt findet die 25-Jährige, dass politische Gespräche oft vermieden werden. Vor allem in der Öffentlichkeit. „Ich frage zwar nach, aber wenn ich merke, dass mein Gegenüber keine Meinung preisgeben möchte, will ich ihn nicht in Verlegenheit bringen.“ Ihr Arabisch-Lehrer, ein Ägypter, wurde wohl entlassen, weil er sich entgegen der Regierungsmeinung politisch äußerte, erzählt Lippert. „Im Namen der Sicherheit werden Menschen hier ausspioniert und ausgewiesen, sobald sie auffällig werden.“ Und weil Sicherheit das absolute Maximum ist, werden die Revolutionen in anderen arabischen Ländern als rundum negativ dargestellt. „100 Jahre Diktatur sind besser als ein Jahr Bürgerkrieg.“

In manchen Punkten fühlen die Menschen sich aber so sicher, dass sie für Lippert „nicht nachvollziehbare Risiken eingehen“. Beispiel: Das Tanken. „Hier überlässt man dem Tankwart Kreditkarte samt Geheimnummer. Wenn er zurückkommt, wird man mit Namen verabschiedet.“

In ihrer Freizeit hat Lippert die Zeit genutzt, um zu Reisen, war in Dubai und im Oman, hat Wüstenspaziergänge gemacht, Ölfelder gesehen und am Meer gelegen. „Zusammen mit einer meiner Schwestern hatte ich mir ein Auto gemietet, und wir sind einfach quer durchs Land gefahren, das war überhaupt kein Problem.“

Spannender Vergleich der Religionen

Besonders entspannt war es im Emirat Ajman. „Schönes Hotel, schöner Strand“, so Lilly Lipperts Resümee. Aber auch viele Moscheen habe sie sich angesehen und religiöse Feste mitgefeiert. So das Eid al-Adha, den zweitgrößten Feiertag der Muslime. Spannend sei es, Vergleiche zwischen den Religionen anzustellen, „denn es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen Bibel- und Koranüberlieferungen“.

Bis Ende Januar geht das Semester in Abu Dhabi, „aber vielleicht bleibe ich noch ein bisschen länger“, sagt die 25-Jährige selbstbewusst.

Die VAE

Die Vereinigten Arabischen Emirate, kurz VAE, sind eine Föderation von sieben Emiraten im Südosten der Arabischen Halbinsel in Südwestasien. Es besteht aus den Emiraten Abu Dhabi, Adschman, Dubai, Fudschaira, Ra?s al-Chaima, Schardscha und Umm al-Qaiwain. Die VAE besitzen die siebtgrößten Ölvorkommen der Welt und sind eines der reichsten Länder der Welt. (Quelle: weltkarte.com)

Angekommen: Lilly Lippert, im Bild (rechts) mit Freunden, studiert auf Zeit in den Arabischen Emiraten.
Foto: Lilly Lippert | Angekommen: Lilly Lippert, im Bild (rechts) mit Freunden, studiert auf Zeit in den Arabischen Emiraten.
_
Traumhaft: In Fujairah am Strand.
| Traumhaft: In Fujairah am Strand.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Katja Glatzer
Emirates
Niqab
Wüstengebiete
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • K. K.
    Um nur einige Highlights dieser Hochkultur am Persischen Golf zu nennen:

    - diktatorisches Regierungssystem

    - Frauenrechte kaum vorhanden, der Ehemann darf Frau und Kinder ungestraft "züchtigen"

    - Todesstrafe an der Tagesordnung. Ehebrecherinnen werden schon mal gesteinigt, Homosexualität wird mit der Todesstrafe verfolgt

    - Gastarbeiter (Arbeitsmigranten) haben kaum Rechte und werden systematisch ausgebeutet

    - freie Meinungsäußerung: Fehlanzeige. Medien und Internet werden zensiert

    - Regimekritiker und Andersdenkende werden strafrechtlich verfolgt und inhaftiert

    So ein Land muss man schon mögen, um sich dort wohlzufühlen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • I. S.
    ..."und selbst einer multikulturellen Familie entstammt"... Da muss ich ja schon mal lachen. Wenn von acht Familienmitgliedern ein Mitglied vor Urzeiten mal einen britischen Pass hatte, dann ist das schwer multikulti. Was soll das? Und was soll überhaupt dieser Bericht? Wichtigtuerei? Oder der Beweis, dass eben nur Kinder reicher Eltern eine tolle Ausbildung bekommen? Nicht? Dann hätte man den Nachnamen ja nicht ausschreiben müssen. Wie auch immer... christlich und vor allem sozial ist das nicht. In einer Familie, die schon mal arme oder verarmte Leute aus ihrem privaten Umfeld entfernt, passt das ins Bild.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten