Die Anziehungskraft und das vermittelte Lebensgefühl von Skateboarding, mit seiner einzigartigen Mixtur aus Freiheit, Verwegenheit und zeitloser Jugend, hat auch nach Jahrzehnten an nichts eingebüßt. Um den dazugehörigen "Style", die Klamotten und Accessoires, der sich sowohl in der Skate-Szene als auch im Mainstream großer Beliebtheit erfreuen, kümmern sich richtige "Big Player" der Streetwear-Textilbranche.
Wer im Konzert der milliardenschweren Aktienunternehmen mitmischen möchte, muss schon das gewisse Etwas und vor allem eine Menge Mut und Passion mitbringen. Und vielleicht auch manchmal eine große Klappe. So wie der Schweinfurter Luca Reisert, der in einem in Sozialen Netzwerken geschalteten Werbeclip direkt in die Kamera blickt und dabei unverblümt die häufig schlechte Qualität von Skate-Klamotten anprangert. "Wir sind Back to the Streets", führt der 24-Jährige dann selbstbewusst fort: "Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht dir die bequemsten und langlebigsten Hoodies im Game zu liefern."
Zusammen mit seinem Bruder Mattia Reisert und seinen Freunden seit Kindesbeinen an, Nico Merz und Maurice Roth, mischt er gerade die Skate-Szene mit einer neuen Marke "made in Schweinfurt" auf. Der Ursprung der Idee liegt schon über sieben Jahre zurück. Damals gefiel ihnen nicht, dass sich die Schweinfurter Skater in viele kleine Gruppen separierten, anstatt zusammen etwas zu bewegen.
60-minütiges Skate-Video unter dem Titel "Back to the Streets"
"Eigentlich könnten wir doch alle zusammen Skateboard fahren – das würde viel mehr Spaß machen", lautete das simple wie nachvollziehbare Credo damals, erinnert sich Luca Reisert. Mit einem selbst produzierten 60-minütigen Skate-Video unter dem Titel "Back to the Streets", das zwei ausverkaufte Premieren mit insgesamt über 400 Zuschauern im Schweinfurter Stattbahnhof feierte, geriet alles ins Rollen.
Der Name und die Idee dahinter, die Szene zu vereinen und sich gegenseitig zu unterstützen, standen fest. Es wurden Skate-Contests in Schweinfurt organisiert und auch eine kleine Auflage von T-Shirts mit dem eigenen Logo hergestellt. Die Idee weitere Klamotten anzubieten entstand früh und wurde genauso früh wieder verworfen. Erstmal. Bis Maurice Roth seinem Kumpel Luca Reisert während dessen halbjährigen Asien-Reise bis Februar 2020, kurz vor Corona, wieder mit der alten Idee in den Ohren lag.
Mit den Inspirationen aus Fernost, was die Textilfertigung angeht, im Gepäck und viel Zeit im ersten Corona-Lockdown nahm "Back to the Streets" dann richtig Fahrt auf, mit der Erstellung von eigenen Designs, Grafiken, Marketing-Ideen, Fotografien und der Programmierung eines Online-Shops. "Wir haben uns alles selbst beigebracht", erklärt Luca Reisert. Erstmal sei alles nur ein Zeitvertreib aus Spaß gewesen.
Als erste Verkaufsfläche diente der Skate-Shop "Yo-C" in der Schweinfurter Innenstadt. Dessen Inhaber Eric Gründl-Eitel erkannte das Potenzial hinter dem "Brand", ermutigte die Jungs weiterzumachen und noch mehr Zeit dafür zu investieren. "Wir hatten da schon so viel reingesteckt und erhielten so ein krasses Feedback hier in Schweinfurt, dass wir uns dachten: gehen wir jetzt einfach All-Inn", sagt Luca Reisert.
Völlig ohne Startkapital und ohne geliehenes Geld
Völlig ohne Startkapital, ohne geliehenes Geld, mit ein paar Ersparnissen und den Erlösen aus dem bisherigen Verkauf, schaffte das Quintett sich ein paar Maschinen an. Veredelt werden nämlich alle Textilien und Accessoires in Schweinfurt von den vier selbst. Gefertigt werden die Produkte unter lizenzierten Bedingungen in Asien nach den Vorgaben des Schweinfurter Unternehmens.
Viele der großen "Skate-Brands" nehmen die billigste Ware, kritisiert Luca Reisert. "Das ist Verschwendung." Maurice Roth findet: "Wir wollen die Leute nicht verarschen, wie einige große Marken die Billigbaumwolle verwenden und dann 90 Euro für einen Hoodie verlangen." "Uns war von Anfang an wichtig, dass wir eine hohe Qualität anbieten", ergänzt Mattia Reisert. Fast-Fashion wird eine Absage erteilt.
Durch die eigene Veredelung von Hand ist auch eine Überproduktion ausgeschlossen, Fehldrucke werden nicht weggeworfen und der Versand erfolgt plastikfrei. Die Gewinnmarge, auch angesichts des moderaten Verkaufspreises und der geringen Auflagen, ist im Branchenvergleich recht niedrig.
Authentizität und Qualität sind die Erfolgsfaktoren des jungen Startups. Mit seinem Wachstum gerät "Back to the Streets" allmählich jedoch an seine Kapazitätsgrenzen. Neue Maschinen und größere Räumlichkeiten müssen her - und auch das Zeitmanagement der vier, die in anderen Jobs arbeiten, wird immer wieder auf die Probe gestellt.
Geringe Retourenquote spricht für die versprochene Qualität
"Es ist schneller gekommen als wir dachten", gibt Luca Reisert zu. Die Kundschaft kommt mittlerweile aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die geringe Retourenquote dürfte für die versprochene Qualität sprechen. Über 60 verschiedene Produkte, vom Hoodie übers T-Shirt bis hin zur Gürteltasche wurden bislang über den eigenen Online-Shop sowie in Skateshops in Schweinfurt und Würzburg vertrieben.
Ein Teil der Einnahmen fließt zurück in die Szene, unter anderem an gemeinnützige Organisationen, die sich mit dem Thema Skateboarding befassen, wie das Nordheimer "Skate 'n' Rock". Mit Kooperationen, wie die mit dem aus Schweinfurt stammenden Street-Art Künstler Philipp Katzenberger, möchten die Skater außerdem helfen, lokalen Künstlern eine Plattform zu bieten. "Unsere klare Mission ist es, der Szene etwas zurückzugeben", betont Luca Reisert – mit großer Klappe, aber auch viel dahinter.
Danke, dass auch mal Artikel über die Jugend in Schweinfurt dran kommen, war höchste Eisenbahn!