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GEROLZHOFEN
Straße mit vielen Namen
Zu den vielen verschiedenen Schreibweisen, die im Lauf der Zeit auf dem Straßenschild verwendet wurden, ist jetzt eine neue Variante dazugekommen.
. . . die jetzt orthografisch richtig geschriebene „Weiße-Turm-Straße“.
Foto: Norbert Vollmann | . . . die jetzt orthografisch richtig geschriebene „Weiße-Turm-Straße“.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 20.06.2016 03:43 Uhr

Es war eines der letzten Relikte vergangener Tage, wenn nicht sogar das letzte überlebende Exemplar seiner Generation. Und bis zuletzt war es aufgrund der Schreibweise ein liebenswürdiges und charmantes Teil, das da an der Hauswand hing. Jetzt ist es weg. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde es abmontiert und durch ein neuzeitliches Modell ersetzt. Die Rede ist vom Straßenschild „Weisse Thurm-Straße“ an der Ecke Weiße Turm-Straße/Ludwig-Derleth-Straße inmitten der Gerolzhöfer Altstadt.

Richtig konform war die Schreibweise natürlich noch nie. Der Thurm mit „Th“ machte aus nostalgischer Sicht noch Sinn, die „weisse“ Schreibweise mit Doppel-S aber heute wie damals nicht, also weder vor noch nach der deutschen Rechtschreibreform von 1996.

Jetzt liegt das nostalgische Schild gut verwahrt von den Museumsleitern Bertram Schulz und Klaus Vogt im Museumsdepot. Ausgetauscht wurde es gegen ein Schild mit der Aufschrift „Weiße-Turm-Straße“, orthografisch korrekt, was „weiß“ mit scharfem „S“ und Turm ohne „h“ anbelangt. Allerdings ist nun wiederum ein Bindestrich zuviel aufs Blech gerutscht, denn der zwischen Weiße und Turm ist schlichtweg überflüssig.

Doch wollen wir auch nicht zu kleinlich sein und uns ob des Rückfalls in Haarspalterei oder Erbsenzählerei üben. Rückfall deshalb, weil Fotos im Stadtarchiv aus den 1970-/1980-er Jahren an der Einmündung in die Steingrabenstraße ein damals neu aufgestelltes Schild mit der Aufschrift ohne Bindestrich zeigen, also „Weiße Turm Straße“.

Gegen den Turm oder gegen den Markt

Damit nicht genug, als weitere Variante hat Museumsleiter Bertram Schulz auf einem Schild die „Weiße Turmstraße“ gefunden. Eine Straße mit reicher Schilder-Vergangenheit also, was die Schreibweise betrifft.

Dabei bekam die Weiße Turm-Straße nach Angaben von Stadtarchivar Matthias Endriss erst 1871 im Zuge des Stadtmauerdurchbruchs ihren Namen. Vorher hatte sie gar keinen. Entweder wohnte man damals „gegen den Weißen Turm“ oder „gegen den Markt“. Die Grenze wurde genau dort gezogen, wo jetzt das neue Schild an der Kreuzung von Ludwig-Derleth-Straße (der früheren Kreuzgasse) und Brunnengasse (früher Rosenbrunngasse) hängt.

Ihren Namen hat die Straße ganz klar vom in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbauten Weißen Turm. Mit „weiß“ ist dabei allerdings nicht die Farbe des in der Tat nie richtig weiß getünchten Turms gemeint. Die Bezeichnung leitet sich vielmehr von „die Weiße“ ab, dem althochdeutschen Wort für Strafe und Pein. Das Wort weist somit darauf hin, dass der Turm bis 1813 als Gefängnis diente.

Erst 1871 wurde begonnen, die Sackgasse am Weißen Turm durch die innere Stadtmauer zu brechen und so eine freie Verbindung zum Steingraben zu schaffen, der seine Bezeichnung wieder von der dortigen einstigen Steingrube hat. 1874 war die Straße endgültig hergestellt. Seitdem heißt die alte Gasse „Weiße Turm-Straße“ mit den erwähnten Abweichungen bei der Schreibweise im Lauf der vielen Jahre.

Eine besondere Anekdote aus dieser Zeit ist in Form eines Berichtes im Heimatblatt „Der Steigerwald-Bote“ überliefert. Dort ist in der Ausgabe vom 25.

Oktober 1880 folgender wenige Jahre nach dem Stadtmauerdurchbruch veröffentlichter Artikel zu lesen: „Am vergangenen Freitag Abends passierte einem hiesigen wohlachtbaren Einwohner beim Nachhausegehen das Unglück, daß solcher in Folge der herrschenden Dunkelheit in der Weißen Thurmstraße (man beachte die Schreibweise) auf einen im Weg stehenden Pflug stieß und fiel und sich sehr erheblich verletzte, so daß andern Tags noch die Blutflecken am Unglücksplatze sichtbar waren.“

Die Laterne und der Mond

Der Artikelverfasser kommentiert den Vorfall wie folgt: „Man erlaubt sich hier die Anfrage, ob denn keine Zeit zum Laternenanzünden festgesetzt ist. An jenem Tage stand allerdings der Aufgang des Mondes um 7 Uhr 20 Minuten im Kalender angezeigt. Wenn nun aber eine trübe und regnerische Witterung vorherrschend ist, dürfte eine Nachhilfe durch Laternenbeleuchtung sicher am Platze sein, falls man sich nicht oben angedeutetem Unglücksfalle aussetzen will, was einem an mannigfachen Plätzen dahier gegenwärtig passieren kann.“

Heutzutage ist man als Fußgänger in der Weiße Turm-Straße anderen Gefahren ausgesetzt. Da sind zum einen der Verkehr und zum anderen das mühsam zu begehende und für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen gänzlich ungeeignete Gehsteigpflaster.

Direkt hinter der Stadtmauer am Weißen Turm befand sich übrigens früher eine Kegelbahn im Biergarten des Brauers Franz Maier und Vorgängers von Ludwig Tröster, weiß Museumsleiter Bertram Schulz. Deutlich zu sehen ist der längliche Bau auf einem alten Katasterplan um 1830, wie er zusammen mit der Zwingermauer den Durchgang zur Weiße Turm-Straße versperrt.

Die hochmoderne, beheizte Kegelbahn

Die Kegelbahn muss im Zuge des Stadtmauerdurchbruchs abgerissen und an anderer Stelle auf dem Grundstück neu errichtet worden sein. 1892 lässt Ludwig Trösters Witwe Christine, er war 1889 mit 46 Jahren gestorben, einen Kamin „behufs Heizbarmachung der Kegelbahn“ einbauen.

Per Inserat im „Steigerwald-Bote“ wird noch am 19. November des gleichen Jahres von „Tröster‘s Brauerei“ zur „Eröffnung der heizbaren Kegelbahn mit Musik“ am Sonntag, 20. November 1892, eingeladen.

„Weisse Thurm-Straße“ hieß bisher . . .
Foto: Bertram Schulz | „Weisse Thurm-Straße“ hieß bisher . . .
 
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