Dieter Troll hat's geschafft, auch wenn es eine langwierige Angelegenheit war, heute stottert er nicht mehr. Dabei hat er in diesem Prozess viel über sich selbst und über das Leben gelernt. Und der Weg, den er gegangen ist, hilft nicht nur bei Stotterern, er ist eigentlich auf jedes Fehlverhalten der Menschen anwendbar.
Das nämlich ist eine der Einsichten, die Troll gewonnen hat. Fast jedes Stottern hat psychische Ursachen und es braucht keine mechanischen Korrekturen wie Atemtechniken oder Sprechtraining. Der Weg zur Veränderung führt nur über den Blick in die eigene Seele, das eigene Geworden-Sein, und braucht die Entscheidung, die Verantwortung fürs eigene Leben zu übernehmen.
In die eigenen Möglichkeiten vertrauen
„Jeder sucht erst einmal Hilfe von außen“, meint Troll, aber dabei gibt er auch die Verantwortung für das eigene Leben ab und auch das Vertrauen in seine eigenen Möglichkeiten.
Jeder Stotterer kann auch flüssig reden, er stottert nur in bestimmten Situationen, weiß Troll. Und die hängen eng mit seiner Kindheit zusammen. Er selbst ist 1943 geboren. Die letzten Kriegs- und die Nachkriegsjahre bestimmten seinen Start ins Leben. Eine Zeit, in der es für die Familie ums Überleben ging und wohl keiner einem Kind besondere Aufmerksamkeit schenkte. Es war das Schicksal einer ganzen Generation und jeder Mensch reagierte darauf auf seine eigene Weise.
Der kleine Dieter holte sich die vermisste Aufmerksam und Zuwendung, indem er zu stottern begann. „Kinder sind fit, die finden Wege aus dem Dilemma“, erklärt der Erwachsene heute.
Hilfe in Bad Brückenau
Gleichzeitig aber fühlte er sich durch sein Stottern minderwertig, benachteiligt, nicht zugehörig. Die Störung bestätigte gleichzeitig seine Kindheitserfahrung. Durch einen Artikel in der Tageszeitung stieß er auf Theo Schoenaker, der in Bad Brückenau eine Methode zur Individualpsychologischen Gruppentherapie für stotternde Erwachsene anbot. „Da war alles ganz anders“, erinnert sich Troll. Schoenaker kam ihm persönlich entgegen, ohne weißen Ärztekittel, und hat gesagt: „Setz dich erst mal hin und schreib alles auf, was dir über deine Kindheit einfällt.
“ Auch wenn Troll damals ziemlich verwirrt war, so hatte er doch das Gefühl, hier richtig zu sein.
„Ich habe begonnen, mich um mein Leben zu kümmern“, sagt er heute. Es ging nicht so sehr ums Reden, sondern darum, die Lösungsstrategien des Kindes zu verändern. Der Techniker vergleicht das Ganze mit seinem Handwerk. „Wenn bei einer technischen Reparaturarbeit etwas nicht funktioniert, dann hör' ich doch auch auf und such' nach einem neuen Weg“, erklärt er.
Das Verhalten wirklich ändern
Diesen neuen Weg hat er auch für sein Leben gefunden. Die erste Frage dabei war: „Warum verhältst du dich so?“ Nach dem Erkennen der Ursachen ging es um die Entscheidung, das Verhalten wirklich ändern zu wollen. Das war dann ein langwieriger Weg mit Erfolgen und Rückschlägen. Die Angst, abgeschoben und nicht beachtet zu werden, steckt immer noch tief in ihm drin, aber heute gibt er ihr nicht mehr nach. Er braucht das Stottern nicht mehr.
„Stottern ist keine Krankheit, die der Heilung bedarf“, weiß er heute. „Stottern ist eine Verhaltensstörung, die man verändern kann“, betont er. Anderen Betroffenen empfiehlt er, sich zu entscheiden. Wollen sie das Stottern behalten, dann sollten sie sich auch gut fühlen damit. Oder wollen sie es verändern, dann sollten sie die Verantwortung für ihr Leben übernehmen und sich für eine Verhaltensänderung entscheiden.
Dabei ist sich Troll ebenso wie sein Mentor Theo Schoenaker, mit dem ihn inzwischen eine tiefe Freundschaft verbindet, sicher: Dieser Weg betrifft nicht nur das Stottern, sondern jedes Fehlverhalten und jede neurotische Störung. Menschen sollten lernen, liebevoll auf sich selbst zu schauen, ihre Stärken und Schwächen anzunehmen.
Eigene Kräfte erkennen
Dann brauchen sie den Mut und die Ermutigung, ihre eigenen inneren Kräfte zu erkennen und für die Lösung ihres Problems zu nutzen.
Seine Erfahrungen auf seinem Veränderungsweg hat Troll, in erster Linie einmal für sich selbst, in einem kleinen Büchlein niedergeschrieben. Dieser lesenswerte Einblick in seinen Weg kann aber auch anderen Wegweisung geben, sich selbst besser kennenzulernen und ihr Leben neu zu gestalten.
Dieter Troll, Stottern. Ein Lebensbegleiter aus der Kindheit, ISBN 978-3-86460-451-5