Stille Tage, wer wünscht sie sich im Alltagstrubel nicht manchmal? Dabei gibt es gleich neun solcher kirchlichen Feiertage in Bayern, der November allein hat vier davon. Der Staat schützt diese Tage grundsätzlich, auch wenn er sich jetzt in Bayern dazu durchrang, das Tanzverbot an den Abenden davor erst zwei Stunden nach Mitternacht beginnen zu lassen. „Um der Lebenswirklichkeit angemessen Rechnung zu tragen“, wie es in der Begründung des Bayerischen Innenministers heißt.
Noch gilt die vom Bayerischen Ministerrat angekündigte Änderung des Bayerischen Feiertagsgesetzes nicht generell für den kommenden Volkstrauertag (18. November), Buß- und Bettag (21. November) und Toten- oder Ewigkeitssonntag (25. November). Denn der soeben im Kabinett beschlossene Gesetzentwurf wird erst den Verbänden zur Anhörung zugeleitet und dann entscheidet der Bayerische Landtag. Aber Feierwütige können damit rechnen, schon jetzt länger als bis Mitternacht tanzen zu dürfen, wenn die zuständigen Genehmigungsbehörden im Blick auf die Gesetzesänderung Befreiungen erteilen, wie es in einem Schreiben des Münchner Innenministeriums an die Bezirksregierungen heißt.
Schon seit Jahren gibt es Diskussionen um so genannte Unterhaltungsveranstaltungen, die laut Feiertagsgesetz nur dann an den stillen Tagen erlaubt sind, wenn Rücksicht auf deren ernsten Charakter genommen wird. Die beiden christlichen Kirchen pochen auf die Einhaltung der Regel, der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband will eine Liberalisierung dieses „strengsten Gesetzes in ganz Deutschland“: Es sei nicht mehr zeitgemäß, die Lebensgewohnheiten, und das Ausgehverhalten der Bevölkerung hätten sich geändert.
Derzeit müssen Diskotheken und Tanzveranstaltungen an den Vorabenden dieser Tage um 24 Uhr die Musik beenden, die Feiertage selbst stehen voll in der Schutzzeit. Die Wirklichkeit sieht aber so aus, beispielsweise auch in der Sennfelder Disco W 3, dass samstags in der Regel erst um 22 Uhr geöffnet wird. Weil die jungen Besucher aber stets noch später eintreffen, lockt für die erste Stunde sogar freier Eintritt.
Laut W3-Geschäftsführer Sven Krumrey ist seine Disco an den Vorabenden solcher stillen Tage generell geschlossen, dies sei auch von der Polizei kontrolliert worden. Denn wirtschaftlich mache es keinen Sinn, wenn er ab 0 Uhr das Musikverbot durchsetzen müsse. Die Gäste blieben auch aus, weil sie in der Regel über das Musikverbot Bescheid wüssten. Die neue Regelung, zwei Stunden länger zu feiern, könnte zwar attraktiv sein, ob sie angenommen werde, müsse die Zeit zeigen.
Ob das jetzige Feiertagsgesetz noch zeitgemäß ist, sollten Staat und Kirchen gemeinsam abwägen, so Sven Krumrey. „Ich denke aber, jeder muss und sollte für sich selber entscheiden, ob er in eine Disco geht und tanzen möchte oder den Tag in 'Stille' verbringen möchte“, meint er.
Gefeiert wurde allerdings gerade im November schon immer in den Dörfern, weil diese ihre Kirchweih feiern. Ausgerechnet ein Kirchenmann, nämlich Würzburgs Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim, legte im 18. Jahrhundert den Kirchweihtermin auf den Sonntag nach Martini, also den heutigen Volkstrauertag. Manche Orte durften noch eine Nachkirchweih eine Woche später feiern. Der bayerische König übernahm dann diese Regelung.
Auch in Dingolshausen wird um den Toten- oder Ewigkeitssonntag herum Kirchweih gefeiert, auch in diesem Jahr mit Umzug am Sonntagnachmittag. „Seit 31 Jahren ist das so“, erklärt Bürgermeister Lothar Zachmann. Die Gemeinde darf wegen der Traditionswahrung eine Ausnahmegenehmigung für die Veranstaltung der Dorfjugend erstellen. „Wir wollen solche Aktivitäten unterstützen, um die Jugend in den Dörfern zu halten“, so Zachmann, der persönlich die stillen Tage auch schätzt. Aber man müsse auch die Struktur der Bevölkerung berücksichtigen: In katholischen Dörfern habe der Totensonntag nicht den Stellenwert etwa wie Allerheiligen. „Da wäre ein Umzug undenkbar“.
Betroffen von der Feiertagsregelung sind auch Weihnachtsmärkte, die gerne am letzten Sonntag vor der Adventszeit veranstaltet wurden. Was im Landkreis Schweinfurt beispielsweise die Gemeinde Euerbach 2008 veranlasste, ihren adventlichen Markt seitdem auf den Samstag vorzuverlegen.
Das Gewerberecht, das bei solchen Märkten greift, wurde nun vor etwa zwei Jahren vom Landratsamt an die Gemeinden delegiert. In deren Beurteilung liegt es, über den Charakter einer Veranstaltung zu entscheiden und entsprechende Genehmigungen auszusprechen.
Allerdings: Nicht-gewerbliche Veranstaltungen, etwa der Adventsbasar eines Kindergartens, sind auch nicht genehmigungspflichtig, erteilt der Pressesprecher des Landratsamts Schweinfurt, Thorsten Wozniak, Auskunft.
Beim traditionellen, weihnachtlichen Kunsthandwerkermarkt auf Schloss Zeilitzheim ist es auch heuer beim Termin Totensonntag, 25. November, geblieben. Man bewahre bewusst den Charakter des stillen Feiertags und eine besinnliche vorweihnachtliche Stimmung, erklärt Hausherr Alexander von Halem. „Bewusst verzichten wir auf Kinderkarussells, Technomusik und Tanz“, unterstreicht er. „Deshalb hatten wir auch keinerlei Probleme bei der Genehmigung“.
Für eine Einhaltung und die Kontrolle des Feiertagsgesetzes wäre die Polizei zuständig. Aber sie kann nicht um jede Veranstaltung wissen, außer, es gibt Klagen. „Da gibt es schon viele Fragen“, weiß auch Landratsamtssprecher Wozniak um die Schwierigkeiten beim Umgang mit dem Gesetz. Was ist eine gewerbliche Veranstaltung, was nicht? Was ist bei einer Kirchweih am Totensonntag erlaubt, was nicht? Wieso darf an Buß- und Bettag keine Sportveranstaltung stattfinden, aber jeder Berufstätige muss arbeiten? Das Ermessen der Kommunen bei der Genehmigung von Veranstaltungen ist eben unterschiedlich.