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STETTBACH/NEUHAUSEN OB ECK
Stettbacher mitten im Southside-Chaos
Southside-Festival nach Abbruch       -  Zerstört: Das schwere Gewitter beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck hinterließ eine Spur der Verwüstung auf dem Zeltplatz, auf dem auch die Gruppe aus Stettbach später ihr Hab und Gut suchen musste.
Foto: DPA | Zerstört: Das schwere Gewitter beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck hinterließ eine Spur der Verwüstung auf dem Zeltplatz, auf dem auch die Gruppe aus Stettbach später ihr Hab und Gut suchen musste.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:09 Uhr

Irgendwie ist das nicht der Sommer für Musik-Festivals. Nach der Evakuierung des Festivals Rock am Ring Anfang Juni, bei dem nach einem Blitzeinschlag fast 100 Menschen verletzt wurden, musste am Wochenende das Rock-Festival „Southside“ im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck evakuiert werden, weil ein schweres Gewitter in der Nacht von Freitag auf Samstag den Zeltplatz und das Gelände verwüstet hatte. 60 000 Besucher mussten nach nur einer Nacht ihre Sachen packen, nur acht Bands konnten auftreten. Es gab 82 Verletzte, zum Glück keine Toten.

Mit dabei auch Musik-Fans aus Stettbach und Umgebung, die von ihren Erlebnissen in der Nacht erzählen. „Glück im Unglück“, habe man gehabt, fasst Franziska Dotzel nach dem ersten Festival-Besuch in ihrem Leben zusammen. Sie war mit Anna-Lena Wißmüller (Stettbach), Julia Majewski (Stettbach), Eva Müller (Hergolshausen), Anne Treuting (Bergrheinfeld), Christoph Sauer (Theilheim), Simon Sauer (Theilheim), Lukas Berger (Theilheim), Enrico Eichelbrönner (Schwanfeld), Markus Marschhäuser (Wipfeld) und Christoph Pfister (Hesselbach) vor Ort, die Clique hatte sich sehr auf das Festival gefreut.

Bereits am Donnerstag fuhr man die gut drei Stunden bis kurz vor den Bodensee, in einem Kleinwagen und einem VW Bus. Bei großer Hitze über 30 Grad musste die Gruppe lange warten, bis sie auf das Festivalgelände konnte, um die Zelte aufzubauen. Am Nachmittag konnte man schließlich das kleine Zeltdorf mit sieben Zelten und einem Pavillon aufbauen, allerdings gab es kein Trinkwasser mehr und die Verkaufsstände hatten auch kein Wasser mehr im Angebot.

Da freuten sie sich noch auf tolle Musik, kurz darauf flüchteten sie vor dem schweren Gewitter: Die Gruppe aus Stettbach mit Franziska Dotzel und ihren Freunden beim Southside-Festival.
Foto: Dotzel | Da freuten sie sich noch auf tolle Musik, kurz darauf flüchteten sie vor dem schweren Gewitter: Die Gruppe aus Stettbach mit Franziska Dotzel und ihren Freunden beim Southside-Festival.

Doch Festivalbesucher sind hart im Nehmen, am Abend hatte man alles aus den Autos am Zeltplatz verstaut, man grillte, hatte Spaß und schaute bei der Warm-up-Party die erste Band. „Da wussten wir noch nicht, dass es die einzige Musikveranstaltung sein würde, die wir zu hören kriegen würden“, stellte Dotzel ernüchtert fest.

Der Freitag, der Tag des großen Gewitters, war wieder sehr heiß. Am frühen Abend gab es einen ersten Vorgeschmack auf das, was kommen würde: „Gegen 20 Uhr bot der Pavillon keinen Schutz mehr gegen die Sonne, sondern gegen die Wassermassen. Es schüttete wie aus Eimern, auch Hagel war dabei. Es ging eine halbe Stunde lang so, dann war es ruhig. Aber es war wohl nur die berühmt-berüchtigte Ruhe vor dem Sturm.“

Die Stettbacher Gruppe machte sich dann auf, den ersten großen Main Act, die US-Rockband The Offspring, zu sehen. Mit Gummistiefeln und Regenjacken ging es aufs Festival-Gelände. „Wir wunderten uns, warum uns so viele Leute entgegenkamen und schossen noch ein letztes Gruppenfoto, bevor sich der Himmel verdunkelte und uns andere Besucher darauf hinwiesen, dass das Gelände geräumt werden soll“, erinnert sich Franziska. Die Stettbacher machten kehrt und gingen Richtung Parkplatz. Während im Westen noch blauer Himmel zu sehen war, kam im Osten eine pechschwarze Gewitterwolke.

Die nächsten Minuten beschreibt Franziska so: „Es wurde von Minute zu Minute dunkler. Zunächst gingen die Massen ruhig, aber zügig zu den Parkplätzen. Während der Regen immer stärker, der Donner immer lauter, die Blitze immer heller und die Wege immer matschiger wurden, wollten nicht nur wir immer schneller zu unseren Autos kommen. Es war mittlerweile stockdunkel. Wir fünf Mädels hielten uns an den Händen, dabei verloren wir die Jungs aus den Augen. Auf dem Weg zum Auto rutschten zahlreiche Leute auf dem rutschigen Boden aus, auch zwei von uns. Gegen 22 Uhr saßen wir dann klitschnass, dreckig und aufgelöst zu fünft im Auto. Wir waren erleichtert, dass wir ein Dach über dem Kopf hatten.“

Rund eine Stunde waren die Mädels im Auto, die Jungs waren im Bus untergekommen. Das Wasser auf dem verschlammten Parkplatz stand rund 50 Zentimeter hoch. Als der Regen ein wenig nachgelassen hatte, trafen sich alle im Bus. „Wir machten das Beste aus der Situation, drehten die Musik auf und feierten unser eigenes Festival im Inneren unseres über 20 Jahre alten VW-Busses“, so Dotzel.

Am nächsten Morgen machte man sich auf den Weg zum Zeltplatz. Die Stettbacher hatten insoweit Glück, als dass ihre Zelte noch standen, nur der Pavillon war kaputt. In den Zelten stand das Wasser fünf Zentimeter hoch, Rucksäcke, Schlafsäcke, Klamotten, alles war dreckig und nass. Mehrere Stunden brauchte man, um die Autos vom verschlammten Parkplatz zu bekommen.

„Wir elf hatten Glück im Unglück, können alle schon wieder darüber lachen. Und zwei Dinge sind schon klar: Das Southside 2016 wird keiner von uns so schnell vergessen, und beim Southside 2017 werden wir wieder dabei sein“, so Franziska.

Wann und wie die Stettbacher die 150 Euro pro Ticket erstattet bekommen, ist noch offen. Der Veranstalter ist rechtlich nicht verpflichtet, da Gewitter höhere Gewalt sind, hat aber angekündigt, sich kulant zu zeigen – schließlich gab es ja die Auftritte von Rammstein, Deichkind, The Prodigy oder Mumford & Sons nicht.

Kritik am Veranstalter übt Franziska wie viele andere trotzdem: „Es war richtig, abzusagen und zu evakuieren. Aber die Kommunikation war schlecht. Durchsagen gab es nur auf dem Gelände, nicht am Zeltplatz. Das Handynetz war überlastet und fast alles war nur Mundpropaganda.“

 
 
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