Im Land zwischen Steigerwald und Main ist Potenzial für eine Wiederbelebung des Personenschienenverkehrs vorhanden, zumindest auf dem nördlichen Teil der Steigerwaldbahn, zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt.
Ohne eine Verbindung zur Hauptstrecke Würzburg-Nürnberg ab Kitzingen-Etwashausen wollen die Analysten eine Wiederbelebung des Südteils der Strecke momentan aber nicht empfehlen.
Das ist in aller Kürze das Ergebnis einer Studie mit dem Titel „Die Nachfrage nach Personenverkehrsleistungen bei einem Regelbetrieb der Bahnstrecke Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen“.
Die Potenzialanalyse einer universitären Arbeitsgruppe stand unter der Leitung von Diplom-Geograf Konrad Schliephake, Lehrbeauftragter am Institut für Geografie und Geologie der Universität Würzburg. In Auftrag gegeben hatte die Studie der Förderverein Steigerwald-Express um den Vorsitzenden Dietmar Parakenings.
Schliephakes Arbeitsgruppe ermittelte für die gesamte, rund 49 Kilometer lange Bahnlinie 1229 Reisendenkilometer pro Kilometer Schienenstrecke. Der Reisendenkilometer ist ein Bewertungsmaßstab, bei dem die Zahl der täglichen Fahrgäste mit der jeweils zurückgelegten Distanz im Verhältnis zur Gesamtlänge der Strecke gewichtet wird. Das bayerische Wirtschaftsministerium fordert für die Wiederinbetriebnahme einer Strecke einen Mindestwert von 1000 Reisendenkilometer.
Deutliche Nord-Süd-Unterschiede
Für den Nordabschnitt der Strecke zwischen Schweinfurt-Hauptbahnhof und Gerolzhofen ermittelten die Analytiker gar 1657 Reisendenkilometer, der Südabschnitt zwischen Gerolzhofen und Kitzingen-Etwashausen fällt dagegen mit nur 786 Reisendenkilometer deutlich ab.
Untersuchungsgebiet waren alle Gemeinden längs der Strecke und ihre Ortsteile, die aber nicht weiter als fünf (in Ausnahmefällen 6,5) Kilometern Entfernung von der Schiene liegen. Im Untersuchungsgebiet leben 49 000 Menschen, und zwar ohne die Einwohner der beiden Städte Schweinfurt und Kitzingen.
Wie ermittelt ein Planer den Bedarf einer Region an einer Bahnstrecke? Die Analyse beruht im Wesentlichen nicht auf Umfragen. Am wichtigsten bei der Erstellung war das sogenannte Modal-Split-Szenarium. Hier geht es um die Aufteilung der Nachfrage auf die Verkehrsträger, insbesondere im motorisierten Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr.
Untersuchungsmethoden
So haben bei einer Umfrage Schliephakes (nicht bezogen auf die Steigerwaldbahn) 42 Prozent der Autofahrer bekundet, sie würden bei entsprechendem Angebot auf ein öffentliches Verkehrsmittel umsteigen. Wichtig ist den Menschen dabei die Zeitersparnis bei der Eisenbahn oder eine Taktverdichtung beim Bus. Beide Faktoren könnten im Untersuchungsgebiet die Nutzerzahlen am öffentlichen Verkehr mehr als verdoppeln, sagen die Analysten.
Eine andere Methode der Bedarfsermittlung ist die Tagesmobiliät, das heißt die Bewegungen pro Einwohner mit verschiedenen Verkehrsmitteln außer Fahrrad und Flugzeug. Hierzu haben die Analysten für jeden Ortsteil im Untersuchungsgebiet eine Verkehrszelle angelegt.
Dazu kam eine Befragung von 495 Busfahrgästen durch die Arbeitsgruppe. Dabei äußerten 73 Prozent, dass sie allgemein lieber mit der Bahn als mit dem Bus fahren würden, auch wenn die Nutzung des Busses speziell bei der Fahrt nach Schweinfurt wegen Haltestellen in der Innenstadt Vorteile hat.
Weiterfahrt Richtung Stadtmitte
Durch das schnelle Wendevermögen heutiger Züge könnte dieser Vorteil aber durch eine Weiterfahrt ab Schweinfurt Hauptbahnhof in Richtung der Haltestellen Mitte und Stadtbahnhof schnell ausgeglichen werden, sagt das Schliephake-Team.
Die Stadt Gerolzhofen spielt längs der Strecke die zentrale Rolle. Ein Potenzial von 781 Bewegungen (Abfahrten und Ankünfte) haben die Wissenschaftler hier ermittelt, 72 Prozent davon in Richtung Norden, also nach Schweinfurt.
Aufgrund dieser Ergebnisse kommt Schliephake zu der Empfehlung, den Schienenpersonennahverkehr auf der Strecke Schweinfurt-Gerolzhofen im Stundentakt und mit einer Verstärkung zur Hauptverkehrszeit zu reaktivieren. Die Zubringerlinien mit dem Bus zur Schiene mit der Drehscheibe Gerolzhofen sollten verstärkt werden.
Lückenschluss durch Straßenbahn
Wie erwähnt hätte der Südabschnitt Richtung Kitzingen unter gegenwärtigen Bedingungen wenig Aussicht auf einen wirtschaftlichen Betrieb. Hier kommt Schliephake allerdings mit einem überraschenden Vorschlag:
Der Lückenschluss zwischen Etwashausen und Kitzingen könnte einfach realisiert werden, nämlich indem die Züge ab Etwashausen als Straßenbahnen auf Rillenschienen über die Kitzinger Nordbrücke zum Bahnhof und damit auf die Strecke Würzburg-Nürnberg rollen.
Damit wäre ein Brückenbau eigens für die Bahn nicht notwendig. Erfolgreiche Modelle, bei denen sich reguläre Eisenbahnen in Straßenbahnen verwandeln, gibt es bereits in Nordhausen, Chemnitz, Pforzheim und Karlsruhe.
Spender finanzierten Gutachten
Ob und wie sich die Reaktivierung der Strecke angesichts des aktuellen technischen Zustands noch realisieren lässt, war nicht Gegenstand der Untersuchung.
Das Gutachten hat übrigens einen niedrigen fünfstelligen Betrag gekostet und ist nach Angaben von Dietmar Parakenings zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Der Vorsitzende der Eisenbahnverfechter: „Da haben Leute aus der Region richtig in die Tasche gegriffen, zum Teil mit vierstelligen Beträgen.“