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SCHWEINFURT
Stadtteil im Porträt: Das Gründerzeitviertel
1908 wurde in der Ludwigstraße die Ludwigschule – heute Friedenschule – eingeweiht.
| 1908 wurde in der Ludwigstraße die Ludwigschule – heute Friedenschule – eingeweiht.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:30 Uhr

Als noch eine Mauer die Stadt begrenzte, wurde zwei Kilometer westlich im Jahr 1874 der Hauptbahnhof errichtet. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann die Stadtmauer durchbrochen. Die Ludwigsvorstadt entstand ab 1890. Wie die Ludwigstraße und die Luitpoldstraße (Prachtstraße zum Hauptbahnhof) erinnert der heute weitgehend vergesse Quartiername an die Zeit, als Schweinfurt zum Königreich Bayern (ab 1814) gehörte. Luitpold Karl Joseph Wilhelm von Bayern war von 1886 bis zu seinem Tod (12. 12. 1912) Prinzregent, zunächst für drei Tage für seinen Neffen Ludwig II., dann für dessen geisteskranken Bruder Otto I.

Die Grenzen

Die Grenzen des Schweinfurter Gründerzeitviertels sind nicht exakt definiert – was auch für die Namensgebung gilt, die sich aus der Wirtschaftsgeschichte (Zeit der Hochindustrialisierung) und aus der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, am trefflichsten jedoch aus diesen beiden epochalen Veränderungen herleiten lässt.

Im Süden wurde das Gründerviertel bis in die 1980er Jahre von der Großindustrie zwischen Main und Schrammstraße begrenzt. Die Industrie hat dann Platz für das neue Finanzamt, das Statistische Landesamt, das Landratsamt und die Stadtgalerie gemacht. Nordöstlichster Punkt war das Gelatinegelände (heute Wohnstift Augustinum) an der Ecke Friedrich-Stein-/Friedrich-Eber-Straße. In der Gründerzeit wurde auch am Grünen Markt und am Spitalseeplatz gebaut und bis weit in den Norden (Friedhof) beidseitig an der Neutorstraße, die die Niederwerrner Straße exakt in Süd-Nord-Richtung quert. Südlich des Obertors setzte die Altstadt dem Gründerzeitviertel die Grenze.

Prachtbauten

Eines der beeindruckenden und gleichsam großstädtischen Gebäude steht an der Schultesstraße – die ehemalige Staatsbank (Jugendstil) gegenüber der Einmündung der Rüfferstraße. Späthistorismus, Neubarock, Neorenaissance waren damals angesagt, auch klang bisweilen der kommende Jugendstil an. Im Neubarock zeigen sich das ehemalige Finanzamt und das palastartige Justizgebäude am Schillerplatz.

Gegenüber, auf dem heutigen Gelände des Landratsamtes, war 1868 das Stadttheater, einst die Halle der Evangelischen Freikirche. An der Stelle des Justizgebäudes von 1905 stand das Spital.

Die Eckkneipen

Die Blockrandbebauung der Luitpoldstraße zeigt noch heute prächtige Erker (oft an den Hausecken), unter denen fast immer der Eingang zu einer der zahlreichen Eckkneipen war. In der Schramm- und in der Sattlerstraße sind dagegen noch die Vorgärten zu sehen, die es an der Prachtstraße nie gab. Dort gab es auf vier Stockwerken auch große Wohnungen für das wohlhabendere Bürgertum, das sich von dem wohlhabenden Bürgertum mit eigener Villa unterschied. Die allermeisten Wohnungen im Gründerzeitviertel waren jedoch für die Arbeiterfamilien der Industrie.

Kleine Wohnungen

„65 Quadratmeter groß, zwei Zimmer und Wohnküche“, erinnert sich Waltraud Fuchs-Mauder, die als Kind mit ihrer Schwester und den Eltern am 1. November 1955 in die Sattlerstraße gezogen war. Holze und Kohle mussten in den vierten Stock geschleppt werden. Ein eigens Bad gab es, was nicht für jeden Neubau der 1950er Jahre auf den Ruinengrundstücken galt. Etwa die Hälfte aller Häuser im Gründerviertel waren nach den Bombenangriffen im II.

Weltkrieg zerstört. Wer im Neubau kein Bad hatte, der ging in die Bäderabteilung des nahen Ernst-Sachs-Bades (gebaut: 1933, seit 2009 Kunsthalle mit 1890 Quadratmeter Ausstellungsfläche).

Die Neutorvorstadt (ab 1870) war zunächst ein Villenviertel, das zur viergeschossigen Blockrandbebauung nachverdichtet wurde. Im südlichen Bereich stehen das Celtis-Gymnasium und die ehemalige Niederlassung der Landeszentralbank (heute Hotel). Gegenüber eröffnete 1966 das neue Stadttheater.

Unsere Reporter sind in die Stadtteile gegangen, haben in Archiven geblättert und mit Anwohnern gesprochen. Herausgekommen ist eine Serie über das Wohnen, Leben und Arbeiten in Schweinfurt. Dörflich ist Oberndorf geprägt, das Bergl durch den sozialen Wohnungsbau. Haardt, Eselshöhe, Deutschhof und Zeilbaum stammen vom Reißbrett.

Auch das Musikerviertel, das Hochfeld, der Steinberg, die Gartenstadt und das Gründerzeitviertel stehen für Epochen. Lange gewachsen sind Klingenbrunn, Höllental und Altstadt. Gewerbe und Industrie bestimmen Maintal, Hafen und Hainig.

Die ehemaligen US-Liegenschaften mischen aktuell die Stadtentwicklung auf.

Alle Teile der Serie finden Sie gesammelt im Internet unter www.mainpost.de

An der Neutorstraße entstanden zuerst Villen. Später wurde die Bebauung verdichtet.
| An der Neutorstraße entstanden zuerst Villen. Später wurde die Bebauung verdichtet.
Vorgärten gibt es in nördlichen Bereich an der Neutorstraße.
| Vorgärten gibt es in nördlichen Bereich an der Neutorstraße.
Gebäude aus der Gründerzeit an der Neutorstraße zwischen Schopperstraße und dem Friedhof.
Foto: Gerd Landgraf | Gebäude aus der Gründerzeit an der Neutorstraße zwischen Schopperstraße und dem Friedhof.
Ende des 19. Jahrhunderts entstanden prächtige Bauten wie das Gericht.
Foto: Anand Anders | Ende des 19. Jahrhunderts entstanden prächtige Bauten wie das Gericht.
Rare Schönheiten: Aus der Zeit des Jugendstils hat Schweinfurt nicht viel zu bieten. Im Bild die „Staatsbank“.
Foto: Gerd Landgraf | Rare Schönheiten: Aus der Zeit des Jugendstils hat Schweinfurt nicht viel zu bieten. Im Bild die „Staatsbank“.
Neubarock: Das alte Finanzamt am Schillerplatz.
Foto: Anand Anders | Neubarock: Das alte Finanzamt am Schillerplatz.
Die Schrammstraße: Typisch das Eckhaus mit Erker, unter dem es in die Eckkneipe ging.
| Die Schrammstraße: Typisch das Eckhaus mit Erker, unter dem es in die Eckkneipe ging.
Zum Hauptbahnhof führte einst eine Prachtstraße.
| Zum Hauptbahnhof führte einst eine Prachtstraße.
 
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