Im kommenden Jahr 2021 ist es genau 40 Jahre her, als die Stadtbibliothek in das altehrwürdige und damals von Grund auf sanierte Bürgerspital einzog. Dies wird natürlich gefeiert. Bis es aber soweit ist, soll das Angebot der Bildungseinrichtung modernisiert und nach entsprechenden Umbauarbeiten teils gänzlich neu aufgestellt werden. Bibliotheksleiterin Julia Rehder hat dazu ein interessantes Konzept ausgearbeitet.
Ein Großteil der derzeitigen Nutzer der Bibliothek ist weiblich, darunter sind viele Kinder und ältere Erwachsene. "Die Bibliothek will und muss sich verändern, um auch für Jugendliche und junge Erwachsene und vielleicht besonders auch für Jungs interessant zu werden", erklärt Julia Rehder, die zum Juli 2019 die Leitung übernommen hat, die Ausgangssituation. Man müsse diese Personengruppen dort abholen, wo ihre Interessen sind. In der Stadtbibliothek soll deshalb ein neuer "innovativer Kombinationsraum" entstehen, in dem sowohl eine Kulturvermittlung in einem "Escape Room" erfolgen kann, als auch praktisches Erfahren und kreatives Erfinden in Form eines "Maker Spaces" möglich wird.
Der "Dritte Ort"
Das Ziel: Die Stadtbibliothek soll zu einem so genannten "Dritten Ort" werden. Damit umschreibt man in der Soziologie eine Einrichtung, die einen Ausgleich zu Schule, Arbeit und Familie bietet, einen Ort, an dem man sich aufhalten kann, ohne konsumieren zu müssen oder wo der Aufenthalt zweckgebunden ist. Für viele Menschen fehle so ein Ort. "Diese Lücke können Bibliotheken füllen", meint Julia Rehder. "Denn Bibliotheken bieten einen Ort der Begegnung, des Austausches und laden zum Verweilen ein. Dies kann für die Bürgerinnen und Bürger ein großer Gewinn an Lebensqualität sein."
Damit die Stadtbibliothek künftig ein "Dritter Ort" für sämtliche Altersgruppen werden kann, sollen sowohl die kommunikativen Aufenthaltsorte als auch die stillen Bereiche, an denen man sich zurückziehen kann, erweitert werden. "Die Gestaltung soll gemütlich, ansprechend, funktionell und möglichst nachhaltig und flexibel einsetzbar gehalten sein", fasst es die Diplom-Bibliothekarin zusammen, die vor Gerolzhofen an der Bibliothek der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg gearbeitet hat.
Spiele-Café
Das heute schon gut genutzte Café im Foyer soll künftig deutlich erweitert werden: Zusätzlich zum heutigen Café auf der rechten Seite neben dem Treppenaufgang, wo es künftig Magazine und Zeitschriften zum Lesen gibt, soll links zusätzlich ein eigenes Spiele-Café entstehen, damit die zahlreichen Gesellschaftsspiele aus dem Bestand der Bibliothek auch vor Ort genutzt werden und Spiele-Treffs entstehen können.
Ein Escape Room
Konkret angedacht ist auch die Einrichtung eines "Escape Rooms". Dies ist ein abgeschlossener Raum, in dem mehrere Menschen gemeinsam als Teamwork in einer vorgegebenen Zeit, zumeist 60 Minuten, in einem Spiel bestimmte Aufgaben oder Rätsel lösen müssen, damit sich die Tür wieder öffnet. Diese besondere Attraktion wird, so die Planung, im Turmzimmer untergebracht, wo jetzt noch die "Young World" zu finden ist. Bei den Rätseln, die es im "Escape Room" zu lösen gilt, wird es sich nicht nur um digitale Aufgaben drehen, sagt Julia Rehder, sondern die Teilnehmer des Spiels müssen gemeinsam auch analoge Aufgaben bewältigen, wie das Zusammensetzen eines Puzzles. Und sie müssen Texte lesen, analysieren und verstehen. Ziel sei es, in der engen Teamarbeit im "Escape Room" Sozialkompetenzen zu erwerben und sich durch die pädagogische altersgerechte Gestaltung der verschiedenen Spiele zudem auch noch Lesekompetenzen anzueignen.
Welche Rätsel künftig der Lösung harren, auch darüber hat sich die Bibliotheksleiterin schon Gedanken gemacht. Der Raum könnte in Zusammenarbeit mit der Tourist-Information, den städtischen Museen, dem Historischen Verein und weiteren Kulturschaffenden aus Gerolzhofen besonders für ältere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die Möglichkeit bieten, städtische Geschichte in Erinnerung zu rufen. "Mittelfristig sollen mehrere Themen rund um die Geschichte der Stadt hier erlebbar gemacht werden", erklärt Julia Rehder ihre Idee. Themen für die zu lösenden Rätsel in diesem Raum gebe es genug, die Stadtgründung mit Landgraf Gerold beispielsweise, oder die Zeit Julius Echters, Jüdische Geschichte oder der Frauenaufstand mit Fräulein Schmitt.
"Maker Space"
Da aus der bisherigen "Young World" ein innovativer Kombinationsraum werden soll, wird sich das Turmzimmer auch in einen "Maker Space" verwandeln können. Diese Fabrikationslabore erfreuen sich auch in Deutschland einer steigenden Beliebtheit. Interessierten wird hier eine Plattform geboten, sich beispielsweise mit Neuen Medien und den digitalen Geräten auseinanderzusetzen. Interessierte jeder Altersklasse bekommen so die Möglichkeit, sich digitale Kompetenzen anzueignen, die heutzutage allgemein vorausgesetzt werden – während es aber auf der anderen Seite kaum ein Angebot gibt, diese Kompetenzen zu erwerben.
"Es wird die Möglichkeit geschaffen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, Ideen zu entwickeln und diese gleich umzusetzen." Dadurch könne Wissen weitergegeben und Neues dazugelernt werden – "und es können die Kreativität und das soziale Miteinander gefördert werden". Für die Volkshochschule und auch die Schulen in Gerolzhofen könne so ein neuer Lernort geschaffen werden, der eine Erweiterung der didaktischen Möglichkeiten und der inhaltlichen Bandbreite verspricht, sagt Rehder. Themen könnten beispielsweise der 3D-Druck, Virtual Reality, Lego Education, App-Programmierungen oder Ozobot-Roboter sein.
Halbgeschoss für Kinder und Jugendliche
Die Medien, die jetzt noch in der "Young World" untergebracht sind, ziehen komplett um in das Halbgeschoss, das künftig den Angeboten für Kinder und für Jugendliche vorbehalten ist. Die "Kinderwelt", im Halbgeschoss hinten links in der bunt bemalten Ecke, soll um neue Möbel erweitert werden, die auch mal einen längeren Aufenthalt erlauben und den Kindern und ihren Eltern einen angemessenen Rahmen zum Lesen und Verweilen bieten. Gleichzeitig soll dort ein Platz für Kinderveranstaltungen entstehen, die das Lesen fördern. Rehders Wunsch wären auch noch neue Bücherregale im Halbgeschoss. Denn die heute genutzten Regale sind für junge Kinder einfach viel zu hoch. "Kein Kind kommt an die oberste Bücherreihe heran."
Im Halbgeschoss wird auch an die Jugendlichen gedacht. Sie sollen auf der rechten Seite einen gemütlichen und ansprechenden Bereich bekommen, in dem sie sich treffen, lesen, schreiben, Hausaufgaben machen und zurückziehen können.
Für die Erwachsenen steht künftig dann das komplette Obergeschoss zur Verfügung. Die wachsende Nachfrage nach ruhigen Arbeitsplätzen soll abseits von der "Kinderwelt" und den Cafés entstehen. Geplant ist eine spezielle "Hör- und Leseinsel", wo man sich zurückziehen kann, um – je nach Vorliebe – Bücher oder Hörbücher zu lesen oder zu hören.
Suche nach Fördergelder und Sponsoren
Um alle innovativen Ideen der Leiterin umzusetzen, ist ein gewisser Umbau der Bibliothek nötig. So ein Umbau biete jedoch die Chance, die Bibliothek der heutigen Zeit angepasst umzugestalten und im Zuge dessen für sämtliche Altersklassen attraktiv zu machen, schreibt Julia Rehder in einer von ihr verfassten Projektskizze, die sie dem Bürgermeister Thorsten Wozniak vorgelegt hat.
Nun geht es erst einmal um die Ermittlung der Kosten und um die Suche nach möglichen Fördertöpfen beziehungsweise Sponsoren. Die Kostenschätzung bewegt sich derzeit bei etwa 70 000 Euro, teilt Bürgermeister Thorsten Wozniak auf Anfrage mit. Das Geld ist in den Entwurf des Haushaltsplans 2020 eingeplant worden.
Der Stadtrat muss entscheiden
Letztlich muss aber der Stadtrat entscheiden, ob überhaupt und – falls ja – welche Summe für das Bibliothek-Projekt eingeplant werden kann. Der Bürgermeister jedenfalls, das betont er, steht der Idee einer Angebotsveränderung und Angebotserweiterung in der Bibliothek sehr positiv gegenüber. Auch die Mitglieder des Finanzausschusses des Stadtrats, die den Haushaltsentwurf für 2020 schon vorberaten haben, hätten sich positiv geäußert, freut sich der Bürgermeister.
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