
Friedrich und Margarethe Schaffner selig werden nicht geahnt haben, was sie mit ihrem Testament von 1959 über die Vererbung ihres Anwesens Pestalozzistraße 1 in Schweinfurt an ihre vier Kinder und deren Kindeskinder alles anrichten könnten. Nur ihre Nachfahren besitzen und bewohnen die vier Wohnungen schon länger nicht mehr. Der Stadt Schweinfurt wurde die Dachwohnung vererbt – und sie will nun von den übrigen Wohnungseigentümern die Einwilligung zu einem bereits erfolgten Verkauf an einen Nicht-Schaffner einklagen.
Es waren einmal, wie erwähnt, die Eheleute Friedrich und Margarethe Schaffner. Sie bestimmten vor 53 Jahren handschriftlich in ihrem Testament: „Das Haus geht in Erbengemeinschaft über, unsere 4 Kinder hat ein jedes seine Wohnung. (...) Es soll auf Kind u. Kindeskinder übergehen.“ Und: Wenn Wohnungseigentum verkauft wird, müssen alle im Haus damit einverstanden sein.
Zunächst bewohnten die vier Schaffners-Kinder Regina, Ernst, Rudolfa und Rudolf jeweils eine Wohnung. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist seitdem ins Land gezogen, und ausschließlich im Eigentum von Schaffner-Abkömmlingen sind die Wohnungen längst nicht mehr. Ein Nachfahre hat die erste Etage an einen Nicht-Schaffner verkauft – gegen den Einwand eines der Miteigentümer, der allerdings kein eigenes Interesse an der Wohnung vorbrachte. Der Verkauf an einen „Außenstehenden“ wurde deshalb erst gerichtlich erwirkt.
2007 ist dann eine Nachfahrin gestorben, der die Dachwohnung gehört hatte. Sie vermachte diese der Stadt Schweinfurt mit der testamentarischen Auflage, dass der Erlös aus dem Verkauf dem Leopoldina-Krankenhaus zugutekommen soll. Dem Hausverwalter wie dem Urenkel des Erblassers Thomas Schaffner nannte der seitens der Stadt mit der Abwicklung Beauftragte einen Verkaufspreis von 25 000 Euro. Dafür könne er nicht kaufen, sagte Thomas Schaffner, schließlich sei die Wohnung erheblich renovierungsbedürftig und dafür weitere Mittel erforderlich.
Inserat in der Zeitung
Eine Zeit lang tat sich nichts. Als der Mieter dieser Dachwohnung endlich draußen war, las Thomas Schaffner in der Zeitung ein Inserat, wonach diese für 29 000 Euro zum Verkauf stand. Für welchen sehr viel geringeren Preis – 10 000 Euro nämlich – die Stadt die Wohnung dann tatsächlich an einen Nicht-Nachfahren der Erblasser verkauft hat, erfuhren er und die übrigen Wohnungseigentümer erst, als sie – wie grundbuchamtlich erforderlich – schriftlich ihre Einverständniserklärung zu diesem Verkauf leisten sollten.
Das wollen sie aber nicht. Denn für diesen Preis, sogar für 12 000 Euro, hätte auch Thomas Schaffner, der Urenkel von Friedrich und Margarethe Schaffner, die Wohnung erworben und damit dem Willen der beiden Erblasser entsprochen, das Anwesen möglichst im Familienbesitz zu halten. Die übrigen Miteigentümer wären damit einverstanden. Aber niemand in der Stadt hatte ihnen etwas von dem gewaltigen Abrücken von der Ursprungsforderung nach unten mitgeteilt. Deshalb verweigern sie nun die Zustimmung zum bereits erfolgten Verkauf.
Die Stadt dreht den Spieß um und behauptet, seitens der übrigen Hauseigentümer sei ja nie ein Angebot gekommen, obwohl ihr Beauftragter dem Hausverwalter Manfred Schaffner seinerzeit „mündlich“ ihren Verkaufspreis 25 000 Euro mitgeteilt hatte zur „Weiterleitung an die übrigen Wohnungseigentümer“. Spätestens seit dem Auszug des Mieters 2009 „hätten die Interessenten vor Ort initiativ werden müssen, wenn ihnen so viel an der Wohnung liegt“, so Pressesprecher Martin Baldauf.
Thomas Schaffner sieht das genau andersherum. Gerade weil die Stadt das Testament des Uropas und den Zustimmungsvorbehalt kannte, hätte sie die Wohnungseigentümer des Hauses in das Bieterverfahren einbinden und nicht nur den Hausverwalter einmal „mündlich“ über die erste Preisvorstellung der Stadt über 25 000 Euro informieren müssen. Sein Rechtsanwalt wundert sich auch darüber, dass die Stadt das bessere 12 000-Euro-Angebot Schaffners nicht wahrnahm, um das Erbe im Interesse ihrer Bürger möglichst gewinnbringend zu verwerten, sondern für 10 000 Euro verkauft hat.
Die Stadt bestreitet allerdings, dass Thomas Schaffner ihrem Beauftragten gegenüber 12 000 Euro für die Dachwohnung geboten habe. Die Zustimmung der Wohnungseigentümer zum Verkauf dürfe nur aus wichtigen Gründen, die im Wesentlichen in der Person des neuen Eigentümers liegen können, verweigert werden, meint Jurist Baldauf gegenüber dieser Zeitung. Die Zustimmung der Wohnungseigentümer im Haus werde zu Unrecht verweigert und nunmehr vor Gericht geltend gemacht. Wenn trotz „Winkens mit dem Zaunpfahl“, wie Baldauf sich ausdrückt, kein Angebot rechtzeitig komme, „musste die Stadt als Treuhänder anderweitig veräußern“. Die Stadt halte sich an den Vertrag, den sie mit dem Käufer abgeschlossen habe. Sie würde sich schadensersatzpflichtig machen, nähme sie von dem Verkauf Abstand. Im Übrigen „zwingt nicht die Stadt die anderen Eigentümer zur Unterschrift, sondern diese zwingen die Stadt zur Abwicklung des Erbes zur Einschaltung der Gerichte“, damit sie den Nachlass vollziehen könne.
Ein Gericht soll entscheiden
Als „derzeit schwebend unwirksam“ bezeichnet Baldauf den Vertrag über den Verkauf der ererbten Dachwohnung und verweist auf die ausstehende Entscheidung des Gerichts, die sie selbstredend akzeptieren werde. „Falls der Vertrag unwirksam ist, stünde einem Verkauf an Thomas Schaffner ja nichts mehr im Wege“, schreibt Baldauf. Weshalb die Wohnungseigentümer gerade angesichts der testamentarischen Fallstricke in das Bieterverfahren nicht ausdrücklich und schriftlich eingebunden waren, dürfte vor Gericht eine entscheidende Rolle spielen.