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Gerolzhofen
Stadt gibt Impuls für Suche nach Facharbeitern
Ist es Aufgabe der Stadt, Firmen bei der Suche nach Fachpersonal zu helfen? Um diese Frage entspann sich eine facettenreiche Diskussion im Stadtrat.
Gerolzhöfer Firmen suchen verzweifelt nach Fachkräften. Der Stadtrat stimmte jetzt mehrheitlich dem von Arnulf Koch konzipierten Projekt 'Facharbeiter für Gerolzhofen' zu.
Foto: Thinkstock | Gerolzhöfer Firmen suchen verzweifelt nach Fachkräften. Der Stadtrat stimmte jetzt mehrheitlich dem von Arnulf Koch konzipierten Projekt "Facharbeiter für Gerolzhofen" zu.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:29 Uhr

Mit einer 11:8-Mehrheit, konkret mit den Stimmen der kompletten Fraktionen von CSU und SPD, votierte der Stadtrat am Montag für die Aufnahme des Projekts "Facharbeiter für Gerolzhofen".  Das bedeutet: Die Stadt wird für dieses Projekt Mittel für eine Anschubfinanzierung bereitstellen. Im Haushalt 2019 werden das 40 000 Euro sein, im Folgejahr 120 000 Euro.

Das Projekt hat Wirtschaftsreferent Arnulf Koch (CSU) in einen Antrag für die Haushaltsdebatte im Stadtrat gegossen. Es ist Ausfluss intensiver Diskussionen im Wirtschaftsarbeitskreis, den Arnulf Koch leitet und dem Unternehmer, Vertreter der Stadt und die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat angehören.

Direkte Ansprache in Heimatländern

Ziel des Antrags ist es, Gerolzhöfer Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften zu helfen. Da in der Region quasi Vollbeschäftigung herrscht, soll sich diese Suche vor allem auf das ost-, südost- und südeuropäische EU-Ausland erstrecken, wo hohe Arbeitslosigkeit besteht. Um eine direkte Ansprache in den Heimatländern und auch eine Betreuung in Gerolzhofen zu ermöglichen, soll nach Kochs Wunsch das Projekt ins Leben gerufen werden. Dazu schlägt er die Gründung einer Gesellschaft vor, für die Fördermöglichkeiten akquiriert werden sollen.

Wichtig bei diesem Projekt ist nach Koch die Schaffung von Wohnraum. Dazu könnte in Gerolzhofen ein zweites Hochhaus mit kleinen und bezahlbaren Wohnungen gebaut werden. Ausländische Arbeitskräfte müssten sofort nach Ankunft eine schlüsselfertige Wohnung vorfinden. Wichtig sei auch ein Sprachkurs und ein Begleiter, der den Arbeitskräften vermittelt, wo der Supermarkt, das Gemeindeamt, der Arzt und Vereine zu finden sind, für die sich die Zugezogenen interessieren.

Im Stadtrat betonte Arnulf Koch noch einmal, die Stadt solle für das Projekt lediglich einen Impuls geben. Alles Weitere sollte die zu gründende Gesellschaft übernehmen. Der Bundesverband mittelständischer Unternehmen habe bestätigt, dass mittlerweile viele Kommunen ihren Unternehmen auf der Suche nach Arbeitskräften behilflich sind.

Auf EU-Ausländer beschränken

Koch will sich mit seinem Projekt auf den europäischen Binnenmarkt beschränken, weil hier arbeitsrechtlich alles geregelt ist. Zunächst könnte Stadtteilmanager Daniel Hausmann Fördermittel recherchieren und Anträge stellen. Dann könne man Fachleute mit der Akquise von Arbeitskräften beauftragen. Der Wirtschaftsreferent lobte dann noch die gute Atmosphäre im örtlichen Wirtschaftarbeitskreis, in dem alle zusammenarbeiten. Gegenüber dieser Redaktion hatte er deshalb im Vorfeld der Stadtratssitzung auch noch die Hoffnung geäußert, der Antrag werde im Stadtrat wohl einhellig Zustimmung finden.

Aber es kam anders. Während Bürgermeister Thorsten Wozniak Kochs Vorstoß noch als "starkes, ambitioniertes Projekt" bezeichnete, kam Gegenwind von den Freien Wählern, Geo-net und Heinz Lorz (Bürger für Gerolzhofen) auf. Günter Iff (Freie Wähler) meinte, das, was Koch wolle, sei alles schon da, etwa in der Unterstützung durch die Industrie- und Handelskammer oder die Handwerkskammer."Gerolzhöfer Unternehmer nutzen das schon, da sind die 160 000 Euro keine gute Anlage." Auch die 40 000 Euro für 2019 seien überdimensioniert, weil sie nur für die Büromiete und -ausstattung gedacht seien.

Kleinere Unternehmen überfordert

Auch Arnulf Koch glaubt nicht, dass diese Summe ausgeschöpft wird, er habe auf Nummer sicher gehen wollen und eine Obergrenze gesetzt. In seinen Gesprächen mit Unternehmen habe er die Erfahrung gemacht, dass vor allem die kleineren bei der Suche nach Arbeitskräften überfordert sind. Diese Suche scheitere oft an der Wohnungsbereitstellung und der Sprachbarriere (deswegen sieht Kochs Projekt auch den Bau von bezahlbaren Wohnungen etwa in Form eines weiteren Hochhauses und Hilfe beim Spracherwerb vor).

Thomas Vizl (Geo-net) erklärte sich lediglich in zwei von sechs Punkten bereit, Kochs Antrag zuzustimmen, nämlich, dass die Verwaltung vor dem eigentlichen  Start des Projekts Fördermöglichkeiten auskundschaftet und, sofern es geeignete Förderprogramme gebe, Förderanträge stellt. Für den Ansatz von Haushaltsmitteln war Vizl nicht zu haben, ebensowenig für die Beauftragung eines Büros zur Anwerbung von Arbeitskräften.

Für Heinz Lorz (Bürger für Gerolzhofen) ist noch nicht klar, ob die Unternehmen überhaupt bereit sind, einen Beitrag zu dem Projekt zu leisten. Die Stadt könne unmöglich 50 Wohneinheiten für neue Arbeitskräfte vorhalten. Kochs Konzept sei etwas unausgegoren. Arnulf Koch dazu: Gerade um den Bedarf einzelner Unternehmen abzufragen, solle ja ein Büro eingesetzt werden, um die Firmen professionell abzuklopfen. Er selbst sehe sich dazu außerstande. Wie schwer so etwas sei, sehe man bei der Erfassung der Leerstände in der Stadt, mit der Daniel Hausmann viel Arbeit habe. "Wenn wir einen Bebauungsplan aufstellen, beauftragen wir ja auch ein Büro." Gegen Kochs Antrag stimmte schließlich die Minderheit der Freie-Wähler- und Geo-net-Fraktionen sowie Heinz Lorz.

Betriebe professionell abklopfen

Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärte Arnulf Koch am Mittwoch, in Gerolzhofen könnten wohl rund 200 Arbeitsplätze besetzt werden. Das sei aber nur ein sehr grober Schätzwert und müsste genauer recherchiert werden, was ja Bestandteil seines Antrags sei. Über den Widerstand im Stadtrat habe er sich dann schon gewundert. Im Arbeitskreis habe er zuvor eine andere, viel positivere Stimmung ausgemacht. Mindestens zehn Unternehmen müssten sich an der vernetzten Arbeitnehmersuche beteiligen, so Koch auf eine weitere Frage. Man müsse den potenziellen neuen Mitarbeitern auch vermitteln, dass sie nicht nach München oder Berlin gehen müssten, wenn sie nach Deutschland wollen.

Weitere Fragen: Ist Kochs Projekt nicht eines für Zeiten der Hochkonjunktur und müssen nicht im Falle schlechterer Zeiten ausländische Menschen wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden? Oder wären sie dann nicht, wenn sie in ihre Arbeitsstellen behalten, dem Neid von arbeitslosen Deutschen ausgesetzt? Dazu sagt Koch, es gehe hier um qualifizierte Arbeitsplätze, nicht um Fließbandarbeit, für die einst Italiener und Türken ins Land geholt wurden. Außerdem glaubt der Wirtschaftsreferent, dass auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten in Deutschland keine Jugendarbeitslosigkeit mehr herrschen wird, weil es immer weniger Mittel- und Realschüler gebe, die für handwerkliche Berufe geeignet seien.

 
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