Die Arbeiten auf der Baustelle sind längst abgeschlossen, über der neuen Tiefgarage bei der Alten Amtsvogtei blühen die Rosenbäumchen. Nichts deutet heute mehr darauf hin, welche interessanten Entdeckungen Archäologen vor dem Baubeginn dort gemacht haben. Frank Feuerhahn vom Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen Heyse (Schwarzach/Main) stellte jetzt auf Einladung des Historischen Vereins in der Rüstkammer die wesentlichen Ergebnisse der Grabungskampagne vor und ordnete sie in den stadtgeschichtlichen Kontext ein.
Schon vor Baubeginn waren im Hof der Vogtei bei kleinen, mit einem Bagger in die Tiefe gebrachten Sondierungsschnitten Reste von Holzpfosten und Scherben aus dem frühen Mittelalter zum Vorschein gekommen waren. „Danach war klar, dass die Fläche genau untersucht werden muss“, sagte Frank Feuerhahn. Das Ganze geschah auf Kosten des Bauherrn. In den Wintermonaten von 2009 auf 2010 fand die Grabungskampagne statt. Das Archäologenteam hatte mit widrigen Witterungsbedingungen zu kämpfen. Doch die Aktion hat sich gelohnt, denn die ausgewerteten Befunde sind interessante Schlaglichter auf gleich mehrere Epochen der Gerolzhöfer Stadtwerdung.
Frank Feuerhahn stellte den heimatgeschichtlich interessierten Zuhörern mehrere aufeinanderfolgende Bebauungsphasen auf dem Vogtei-Gelände vor.
Phase 1: Grubenhäuser
Zahlreiche im Boden gefundene kreisrunde, dunkle Verfärbungen sind die Reste von Holzpfosten, die zur Konstruktion von kleinen Holzhäusern gehörten. Mithilfe dieser Pfostenlöcher konnten im Süden des Vogteihofs insgesamt drei kleine Gebäude nachgewiesen werden. Es handelt sich um so genannte Grubenhäuser, drei bis vier Meter breit, vier Meter lang und rund 40 Zentimeter tief in den Erdboden eingelassen. Die wenigen gefundenen Reste von ausgedienten Vorratstöpfen deuten auf die karolingische Zeit im 8. bis 9. Jahrhundert hin – also jene Zeit, in der Gerolzhofen anno 779 erstmals urkundlich erwähnt wird.
Solche kleinen Nebengebäude seien früher für handwerkliche Tätigkeiten genutzt worden, berichtete Feuerhahn. In einem der Schuppen gelang sogar der archäologische Nachweis eines Ofens. Und es wurden Hinweise entdeckt, welches Handwerk in den Gebäuden ausgeübt wurde: Im Fußboden eines Grubenhauses konnten die Experten eine Vielzahl kleiner Löcher freilegen. „Hier war ein Webrahmen im Boden befestigt.“ Die Grubenhäuser seien damals gerne als Webhütten benutzt worden, so Feuerhahn, „denn durch die feuchte Umgebung im Erdreich bleibt das Garn geschmeidig“.
Hinweise auf Wohnhäuser fanden sich auf dem Areal nicht. Wann die Arbeitshütten ausgedient hatten, bleibt unklar. „Sie wurden aber bewusst und gezielt aufgelassen“, sprich stillgelegt. „Es fand keine Katastrophe statt.“ Die Archäologen schließen dies aus dem Umstand, dass sie im Bereich der Grubenhäuser keine weiteren Funde außer einigen Scherben gemacht haben. Das bedeutet: Die damaligen Nutzer der Handwerkshütten haben alles feinsäuberlich zusammengepackt und mitgenommen.
Phase 2: Befestigungsgraben
Der zweite spektakuläre Fund war der Nachweis eines großen Befestigungsgrabens, der in West-Ost-Richtung etwa in der Mitte des Hofes verläuft. Der Graben war sieben Meter breit und drei Meter tief im natürlich anstehenden Boden angelegt. Wann dies geschah, lässt sich exakt nicht sagen, vermutlich aber im 12. bis 13. Jahrhundert. Bei den Untersuchungen konnten aber mehrere interessante Details aufgedeckt werden.
Erstens: Im Graben selbst fand sich nur sehr wenig durch Niederschlag eingeschwemmtes Material. „Das heißt, dass der Graben nur etwa 100 Jahre lang offen war“, so Feuerhahn.
Zweitens: Durch Scherbenfunde ist zeitlich gesichert, dass der Graben schon im 14. Jahrhundert wieder verfüllt wurde und zwar „in einer einzigen großen Aktion“ zeitgleich von innen und von außen. Die alte Verteidigungsanlage hatte zu dieser Zeit also schon keine Funktion mehr und störte nur noch.
Drittens: Von der Stadtseite her wurde der Graben ausschließlich mit natürlichem Boden verfüllt. Dies bedeutet: Auf der Innenseite des Grabens hatte sich also noch ein Wall befunden, der mit dem Aushub angelegt worden war. Beim Verfüllen des Verteidigungsgrabens wurde das Erdreich vom Wall einfach wieder zurück ins Loch geschaufelt.
Viertens: Von der Außenseite her wurde der Graben mit Schutt aus Abbrüchen befüllt, darunter im großen Umfang Brandschutt.
Diese Erkenntnisse müssen nun noch mit den bekannten Eckdaten der Stadtgeschichte abgestimmt werden: Der Graben und der Wall wurden offenbar eingeebnet, als im 14. Jahrhundert in der Altstadt das Straßennetz neu geordnet und die heute noch erhaltene innere Stadtmauer gebaut wurden.
Mit der neuen steinernen Mauer wurden neue Ansiedlungen schützend umfriedet, die zuvor noch schutzlos außerhalb des alten Befestigungsgrabens lagen – und die zuvor, aus welchen Gründen auch immer, schon einmal in Flammen aufgegangen waren.
Phase 3: mehrere Öfen
Im Bereich des zu dieser Zeit schon wieder verfüllten Grabens konnten die Archäologen die Standorte mehrerer Öfen aus dem 15. Jahrhundert nachweisen. Angesichts der hohen Brandgefahr nutzte man damals die offenbar länger unbebaut gebliebene Fläche der alten Befestigung, um hier – weit weg von Wohnhäusern – mehrere Feuerstellen zu unterhalten. Doch welchen Zweck erfüllten die Öfen? Man habe keinerlei Spuren gefunden, auch keine Schlacken, die auf Metallproduktion hingewiesen hätten, berichtete Feuerhahn. Vielleicht waren hier die Bäcker von Gerolzhofen zugange, um ihr Brot zu backen.
Phase 4: Auffüllung
Mit dem Bau der Vogtei und ihrer späteren baulichen Erweiterung unter Fürstbischof Julius Echter zu der noch heute zu sehenden Größe wurde das gesamte Areal schließlich im 16. Jahrhundert massiv aufgeschüttet und planiert, um das Gefälle in Richtung Süden auszugleichen. Die Reste der Grubenhäuser, des Grabens und der Öfen wurden zugedeckt und blieben dadurch vier Jahrhunderte lang erhalten – bis der Bagger beim Bau der Tiefgarage dann alles unwiederbringlich beseitigte.