Wenn's aufs Jahresende zugeht, erinnern sich die Menschen gerne liebgewordener Traditionen. Es werden adventliche Lichtlein entzündet, Plätzchen gebacken – und in Schweinfurt die Sportler des Jahres gekürt. Festlich, im Rahmen der Sportgala. Dann gibt's bronzene Schweinchen, die Felix heißen und von denen einer schon sechs zu Hause stehen hat: "Das wird langsam eine ganze Farm", freut sich Faustball-Weltmeister Fabian Sagstetter trotzdem nicht weniger als beim ersten Mal.
Nur, bis er sich freuen darf, dauert es – auch das ist Tradition – eine ganze Weile. Denn zunächst einmal dürfen Rehbraten mit Klößen und Blaukraut verspeist werden, dann gibt's Urkunden und Geschenke für alle besonders erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler, Jugendliche wie Senioren, Mannschaften wie Helfer. Richtig: Sportlerehrung, eine Stunde lang. Oberbürgermeister Sebastian Remelé ist dabei noch ganz beseelt vom "Geist des Landesturnfestes", Klaus Schuler, der Vorsitzende des Stadtverbands für Sport, kommt mit dem Händeschütteln kaum nach. Doch ein jugendlicher Gewichtheber gönnt ihm eine kleine Verschnaufpause: Elias Urschel schiebt noch eine Extraschicht am Buffet, wird erst gesucht, dann eben bei den Senioren mit auf die Bühne geholt.
Rock'n'Roll aus Leipzig und Bogenschießen von der BSG
Zwischendurch spielt die Leipziger Rock'n'Roll Kapelle kunterbunt gemischte Schmonzetten aus der Musik-Historie und zwei Schweinfurter Vereine dürfen besonders rührige Abteilungen vorstellen: Die Turn-Mädchen der TG 48 hüpfen und tanzen über ihre ausgelegten Matten-Bahnen mindestens so grazil, wie sie diese voller Spaß danach wieder aufrollen. Und die Bogenschützen der BSG stellen erst ihre Sportgeräte vor, ehe sie ins Schwarze treffen.
Höhepunkt der stilvoll arrangierten Veranstaltung im Konferenzzentrum auf der Maininsel ist einmal mehr die Auszeichnung der Sportler des Jahres. In sechs Kategorien werden die Felixe überreicht. Der erste an eine junge Frau, die einige Schrecken zu verkraften hatte, bevor sie in eine erfolgreiche Saison starten durfte: Lisa Fischer. Die Radrennfahrerin des RV 89 fuhr im Trikot ihres Erfurter Rennstalls auf Platz zwei im Vierer-Mannschaftsrennen bei der deutschen Bahn-Meisterschaft. In der Bundesliga wurde sie Vierte. Das alles nach zwei Armbrüchen und einer Gastritis. Dass es letztlich nicht ganz für die Olympia-Qualifikation gereicht hat, nimmt sie gelassen: "Dann ist nächstes Jahr für mich eben die deutsche Meisterschaft ein Höhepunkt." Sie ist überwältigt von der Wahl zur Sportlerin des Jahres durch eine unabhängige Jury, nur mühsam kann sie ein paar Tränen verdrücken.
Sagstetter bereut missglückten Volley-Ball-Ausflug nicht
Routinierter nimmt Fabian Sagstetter seinen sechsten Felix in Empfang. Dritter mit seinem Heimatklub TV Oberndorf bei der Deutschen, Weltmeister mit der Nationalmannschaft – es war einmal mehr ein tolles Jahr für den 29-Jährigen. Wenn da nicht dieser Ausflug nach Eltmann gewesen wäre, wo er sich als Libero der Bundesliga-Volleyballer beweisen wollte, inzwischen aber ausgemustert worden ist: "Ich bin nicht einverstanden damit, dass ich gehen musste, ohne mich beweisen zu können. Aber ich bereue trotzdem nichts." Die Frage nach dem sportlichen Ruhestand lächelt er lässig weg: "Ich bin noch hungrig."
Die Mannschaft des Jahres erfährt besondere Unterstützung auf der Bühne. Moderator Sven Schröter holt nicht nur die Triathleten der TG 48 Schweinfurt nach oben, sondern auch den Ehrengast des Abends: Anne Haug. Die Ironman-Siegerin von Hawaii gratuliert Andreas Vollert, David Kiesel und Christen Carson zur Wahl: "Wir absolvieren alle die gleiche Distanz, egal ob Profi oder Amateur. Das verbindet. Wenn Sportler, die noch einen Beruf ausüben müssen, solch tolle Leistungen vollbringen, ziehe ich meinen Hut." Die drei TGler hatten sich im deutschen Triathlon-Mekka, dem mittelfränkischen Roth, Platz drei im Feld der 142 Mannschaften gesichert.
Wie immer wird auch die beste Jugendarbeit der Stadt gewürdigt, gleichwohl die repräsentierenden Gesichter gar nicht mehr so jugendlich sind. Vorsitzender Georg Appold nimmt den Felix für die TG 48 entgegen, der vor vier Jahren aus Indien gekommene Mathew Minto steht für die Cricket-Abteilung. Die ist zwar nicht unbedingt eine Kicker- und Jugend-Gruppierung, "aber es ist unsere jüngste Sparte und passt deswegen zur Jugend", so Appold.
Lebenswerk-Felix an Günter und Jürgen Traub
Der Sonderpreis geht 2019 an das P-Seminar des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums für das Projekt "Mein Olympia", ein inklusives Sportfest innerhalb des Landesturnfestes. Die Schüler berichten, wie sie gerade auf dem Gebiet der Organisation sehr viel haben lernen dürfen. Längst ausgelernt haben die beiden Felix-Preisträger, die für ihr Lebenswerk geehrt werden: Günter und Jürgen Traub. Die beiden Olympia-Teilnehmer im Eisschnelllauf (1964 und 1968) sammelten für den ERV unzählige deutsche und internationale Titel, auch im Rollschnelllauf. Günter hielt einst den Weltrekord in der Königsdisziplin auf dem Eis, dem Vierkampf – und saust mit seinen 80 Jahren bei Senioren-Wettkämpfen immer zu WM-Titeln.
Auf der Bühne präsentieren sich die Brüder wie es unterschiedlicher kaum geht. Jürgen muss sich erst das Wort erkämpfen, um dann eine Anekdote von den ersten sportlichen Gehversuchen beim Schwimmen zu erzählen. Günter, der Wahl-St.-Moritzer, erzählt ausufernd von seinen Erlebnissen mit Promis wie Spaniens König Juan Carlos, den Formel-1-Legenden Michael Schumacher und Niki Lauda sowie Stardirigent Herbert von Karajan, denen er mit von ihm entwickelten Trainingsmethoden Beistand geleistet hat. Sein Motto: "Sterbe jung, aber so gesund und spät wie möglich."