Genauso wichtig wie der Schutz weithin berühmter Großdenkmäler ist es, die Zeugnisse des früheren Alltagslebens wie Wohnhäuser, Bauernhöfe oder Industriedenkmäler zu erhalten.“ Dies sagte Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel bei der Verleihung der Förderpreise zur Erhaltung historischer Bausubstanz in Kleinrinderfeld (Landkreis Würzburg). Zu Ehren kam heuer einmal mehr auch Schweinfurt für die Sanierung des Ensembles Spitaltorbrücke, Alter Friedhof und Stadtmauer mit dem Schalenturm Jungfernkuss zwischen Schultestraße und Main. Der Bezirk Unterfranken hat den Förderpreis 2002 ins Leben gerufen. Anfangs wurden jährlich zwölf Preise verliehen, seit 2009 geht der Preis der Unterfränkischen Kulturstiftung an sechs Landkreise und/oder kreisfreie Städte. Weiterhin gibt es jeweils 25 000 Euro.
Die Preisträger 2011 sind neben Schweinfurt der Markt Stockstadt (Alte Knabenschule/Post, Landkreis Aschaffenburg), Oerlenbach (Alte Schule „Peterhans-Haus“ Ebenhausen, Landkreis Bad Kissingen), Bundorf (ehemaliges Pfarrhaus, Landkreis Haßberge), Reinhard und Michaela Hüßner (ehemalige Synagoge in Wiesenbronn, Landkreis Kitzingen) sowie Michael Mager und Harald Mager-Gock (Altes Forsthaus in Kleinrinderfeld).
Teile der alten Stadtmauer und eines Schalenturms an der Grenze zum „Alten Friedhof“ waren immer sichtbar. Bei den Grabungen, die wegen der Stadtgeschichte vor Baubeginn für das heutige SWG-Gebäude in der Schultesstraße angesetzt waren, wurde zur Freude von Heimatpflege und Denkmalschützern allerdings sehr viel mehr Substanz entdeckt als vermutet. Dass von der Spitaltorbrücke (1748) große Teile noch relativ gut erhalten waren, wurde bei den Ausgrabungen 2007 als kleine Sensation bewertet. Gefunden wurden Fundamente des Basteiturmes – abgebrochen 1880.
Jungefernkuss
Überraschungen gab es auch beim „Jungfernkuss“, der mittlerweile samt alter Stadtbefestigung saniert und über den alten Zugang vom Friedhof aus in den unterirdischen Turmbereich zugänglich ist. Die Aussichtsplattform ist inzwischen zum beliebten Treffpunkt geworden.
Vermutlich stammen die ältesten Bauteile des Schalenturms noch von dem 1367 von der Bürgerin Kunigunde Esel gestifteten Karmeliterkloster. Es stand bis 1542 an Stelle des späteren Friedhofs. Nach der Reformation wurde das Kloster aufgegeben. 1553/54, während des Markgräflerkrieges, diente das Anwesen als Geschützstellung und wurde schwer beschädigt. 1560 erwarb die Stadt das Grundstück und legte den Friedhof an, der bis 1874 dort bestand.
Um den „Jungfernkuss“ ranken sich Legenden. So soll nach einer Quelle des 19. Jahrhunderts „in den grausamen und barbarischen Zeiten des Mittelalters“ in diesem Turm von den Karmelitern ein „schauderhaftes geheimnisvolles Strafrecht“ ausgeübt worden sein. Es soll dort eine eiserne Jungfrau gestanden haben, bei deren „Kuss“ der Delinquent von scharfen Schwertern enthauptet und in den Wassergraben unterhalb des Turms befördert wurde. Belege für die Existenz einer wie auch immer gearteten mittelalterlichen Gerichtsbarkeit wurden vor Ort allerdings nicht gefunden.
Alter Friedhof
Mitarbeiter des Servicebetriebs Bau und Stadtgrün haben den Alten Friedhof in den historischen Ur-Zustand zurückgeführt. In über sechs Jahrhunderten war die Parkanlage mehrfach verändert und unterschiedlich genutzt worden. Die Stadt hat als Leitbild die Nutzung als Friedhof gewählt und sich dabei an Plänen aus dem Jahr 1806 und einer Karte aus dem Jahr 1834 orientiert. Angelegt wurde der Friedhof ursprünglich in vier großen Flächen, in Quadraten, Rechtecken und Trapezen. Eine dieser großen Flächen ist erhalten und wurde in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt. In der Mitte der Anlage entstand so eine große offene Platzfläche mit dem zentralen Wegekreuz. Kegelförmig geschnittene Hainbuchen bilden ein Rondell. Der Alte Friedhof war der Garten des zwischen 1362 und 1365 gegründeten Karmeliterklosters, das im Markgräflerkrieg 1553/54 als Geschützstellung diente und dabei beschädigt wurde. 1560 wurde das Kloster abgebrochen. Bis 1874 diente das Gelände als Friedhof. Zuvor lag der Schweinfurter „Kirchhof“ an der Johanniskirche. Der älteste erhaltene Grabstein steht an der südlichen Mauer, er stammt aus dem Jahr 1535 und ist einem Klas Sellmann gewidmet.
Bestattet sind hier rund 40 000 Schweinfurter Bürger. Darunter die beiden ersten Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Lorenz Bausch und Johann Michael Fehr, die Eltern Friedrich Rückerts und seine Schwester Maria.
Neben den Wehranlagen ist der Alte Friedhof als einzige Schweinfurter Anlage in das Verzeichnis der Historischen Gärten und Parks der Bundesrepublik aufgenommen worden. Mit der Öffnung des Geländes zum Alten Friedhof ist eine durchgängige Fußwegeverbindung zwischen Fischerrain/Brennöfen zum Bahnhaltepunkt Mitte und zum Mainufer entstanden.
Spitaltorbrücke
Mittlerweile ist die Spitaltorbrücke wieder sichtbar. Tafeln mit den wichtigsten Informationen und ein Sieben-Minuten-Film klären an Ort und Stelle über die Historie und die Ausgrabungen auf. Infotafeln befinden sich auch am Eingang zum Alten Friedhof und am Jungfernkuss-Turm.
Vom Spitaltor aus führte über den westlichen Stadtgraben die 1748 auf fünf steinernen Bogen erbaute Spitaltorbrücke, an deren südwestlichem Ende sich ein kleines Torhaus befand. Zur Sicherung des Grabens und der Stadtmauer dahinter war 1614/15 eine Schanzenanlage errichtet worden. Sie ist zu einem großen Teil im Garten des Heilig-Geist-Pfarrhauses erhalten. Ein Stück der Bastionsmauer befindet sich entlang der Abfahrt zur Tiefgarage der Galeria Kaufhof.
Letztendlich waren es der Anschluss von Schweinfurt an das Eisenbahnnetz und die Öffnung nach Westen, denen der Spitaltorturm und die vorgelagerte Brücke als „zunehmend lästiger werdendes Nadelöhr zwischen der Altstadt und den neuen Stadtteilen“ im Weg standen.
Im März und April 1869 wurde der „alte Wachtthurm am Spitalthore“ abgebrochen. Im Februar 1880 fiel als letztes der Schweinfurter Stadttore der Basteiturm am Spitaltor. Er musste der Steinwegschule, heute Musikschule, weichen.
1892 wurde aus Anlass der 40-jährigen Dienstzeit von Carl Ritter von Schultes (1824–1896) an der Spitze der Stadtverwaltung die Straße ihm gewidmet. Zuvor hieß sie zunächst einfach „Vor dem Spitalthore“. Mit Heilig-Geist-Kirche und Pfarrhaus auf der einen sowie Steinwegschule und Altem Friedhof auf der anderen Straßenseite war der einstige Stadteingang um das Spitaltor nachdrücklich markiert.




