Als erstes fällt die grüne Brille auf. Cooles Teil. Findet Gerhard Haase-Hindenberg auch und erzählt als erstes deren spannende Geschichte. Eine französische Freundin von Jacky Onassis hat sie Truman Capote geschenkt. Es gibt ein Foto, auf dem der amerikanische Schriftsteller mit genau dieser Brille zwischen jener Freundin und Andy Warhol sitzt. Haase-Hindenburg trägt sie privat, aber manchmal auch im Film oder auf der Bühne, wie kürzlich im Theater, als er in der „Harry Belafonte Story“ einen New Yorker Clubbesitzer spielte.
Im Publikum saßen auch Freunde von Gerhard Haase aus Jugendtagen. So hieß der Schauspieler früher, als er noch in seiner Geburtsstadt Schweinfurt lebte und beim Ditzel Herrenmode verkaufte. Den wohlklingenden „Hindenberg“ hat er sich später angeheiratet. Der 60-Jährige erzählt ziemlich witzig über seine Kindheit und Jugend. Über die Schulen, von denen er flog, weil er so undiszipliniert war. Über unvergessene Abende im Theater mit den Eltern, als er die wunderbare Tilla Durieux in „Zwei ahnungslose Engel“ gesehen hat. Sie war zu der Zeit schon über 80 und hat den Jungen so nachhaltig beeindruckt, dass er von einem anderen Leben träumte.
Am 10. August 1971 war es dann soweit: Gerhard Haase verließ die Enge der Kleinstadt und zog in sein geliebtes Berlin. Bis heute ist es für ihn die aufregendste Stadt der Welt, obwohl er in New York, Kairo und Kathmandu gelebt hat. Die ersten Monate arbeitete er noch als Verkäufer, machte auf der Abendschule Mittlere Reife und Abitur nach. Er wollte Schauspieler werden. Mit 23 konzipierte er einen Brecht-Abend und lud zur Premiere den Schauspieler Bernhard Minetti ein. „Größenwahnsinnig“, sagt er heute und grinst. Minetti kam, bescheinigte ihm Talent und sagte: „Du brauchst eine Ausbildung“. Weil sein Sohn Hans-Peter Minetti nicht nur Leiter der Ernst-Busch-Schule in Ost-Berlin, sondern auch ein politisch einflussreicher Mann war, erhielt Haase-Hindenberg als einziger West-Berliner ein Auslandsstipendium für diese Schauspielschule. In seiner Freizeit fuhr er ständig in den Westteil – nicht zuletzt wegen einer Frau – und verdiente sein „West-Geld“ als Zeitungsschreiber.
So wurde quasi der Schreiber Haase-Hindenberg geboren. Aber für viele Jahre stand erst einmal die Schauspielkunst im Vordergrund. Nach der Ausbildung nahm er das einzige feste Engagement seines Lebens an: von 1981 bis 85 am Schauspielhaus Nürnberg. Zurück in Berlin arbeitete er an verschiedenen Theatern und fürs Fernsehen, spielte Bösewichte in den Serien SK Babys oder HeliCops und spielte den „Stullenpaul“ in Dieter Wedels sechsteiligem Fernsehdrama „Der König von St. Pauli“. Diese Rolle öffnete ihm die Türe in sein zweites Leben als erfolgreicher Autor. Auch diese Geschichte ist so witzig, dass sie hier erzählt werden soll.
Es war Ende der 1990er-Jahre. Haase-Hindenberg hatte ein paar Theaterstücke geschrieben und für Zeitungen gearbeitet, weil die Fernsehangebote spärlicher kamen. Er hatte eine Idee. 25 Jahre nach der Verhaftung des Spions Günter Guillaume wollte er dessen Sohn Pierre interviewen. In dieser Zeit lief der „König von St. Pauli“ im Fernsehen und Pierre Boom war erstaunt, als nicht der angekündigte Journalist, sondern „Stullenpaul“ zur Türe herein kam. Die beiden verstanden sich, der Artikel erschien und plötzlich war ein Verlag an der Geschichte des Guillaume-Sohns interessiert. Und der bestand auf Haase-Hindenberg als Autor. Das Buch „Der fremde Vater“ erschien 2004 im Aufbau Verlag und landete auf der Bestsellerliste.
Von nun an wollte der Schauspieler weiterschreiben. Er zog für das Buch „Göttin auf Zeit“ nach Kathmandu, recherchierte in einem ghanaischen Hexendorf für „Die Hexe von Gushiegu“ und schrieb in Kairo „Das Mädchen aus der Totenstadt“. Von der Revolution auf dem Tahirplatz berichtete er für das Magazin „Cicero“ und für das ZEIT-Magazin. Auf die Frage, was seine Bücher gemeinsam haben, sagt Haase-Hindenberg: „Es geht um Lebensgeschichten“. Weil ihn die ungewöhnlichen Biografien von Menschen interessieren und weil ihm das Schreiben leicht fällt, wird man in Zukunft noch mehr von ihm lesen.
„Mit dem Theater bin ich eigentlich durch“, sagt er. Viel spannender findet Gerhard Haase-Hindenberg sein neues Buchprojekt. Weil er glaubt, dass man eine Gesellschaft nur dann versteht, wenn man die sexuellen Fantasien ihrer Bürger kennt, befragt er derzeit Deutsche nach ihren erotischen Fantasien. Das Buch erscheint im Herbst im Rowohlt-Verlag. Eine Lesung in der Buchhandlung Vogel ist bereits geplant. Wer mag, kann sich anonym beteiligen unter www.geheime-fantasien-deutschland.de
Zur Person
Gerhard Haase-Hindenberg wurde 1953 in Schweinfurt geboren und zog 1971 nach Berlin. Er ist in zahlreichen Theaterproduktionen und einigen Fernsehserien aufgetreten. 2007 spielte er an der Seite von Tom Cruise die Rolle des Hermann Göring in „Operation Walküre“. Auf Youtube findet man einen 30-minütigen ZDF-Film über seine Arbeit als Autor. Die ARD hat sein Buch „Der Mann, der die Mauer öffnete“ verfilmt, mit Haase-Hindenberg in der Rolle eines ARD-Reporters.