Der Imperator im Jahr 40 000, also in einer fiktiven Welt und schlappe 38 000 Jahre später, ist kein einfacher Mensch. Mürrisch, launisch und nicht immer wirklich gerecht, verbringt er seine Tage damit, sich gottgleich verehren zu lassen und seine Armeen gegen andere Herrscher, die unterm Strich auch keinen Deut besser sind als er, in Stellung zu bringen. Ähnlichkeiten zum hier und jetzt sind rein zufällig, sind doch zumindest die Diktatoren unserer Zeit immer noch aus Fleisch und Blut und nicht halb Mensch und halb Maschine.
So ungefähr, aber wirklich nur vereinfacht, lässt sich das Grundprinzip von "Warhammer 40 000" umschreiben. Das Tabletop-Spiel, bei dem die 40 000 auch für die gefühlte Zahl der Regeln stehen könnte, gehört weltweit zu den beliebtesten Tabletop-Games. Die Fantasy-Szenarien spielen in einer Zukunft, in der die Menschen und andere Spezies um Macht und Überleben nicht nur auf der Erde, sondern im Universum kämpfen. Und weil das Spiel mit seiner großen Palette an Figuren und Szenarien so beliebt ist, bildete es auch einen Schwerpunkt bei der Convention für Rollenspiele, Brettspiele und Tabletop-Spiele, zu der der Schweinfurter Verein ORKS. e. V.am Wochenende in das Jugendhaus eingeladen hatte. ORKS, das steht nicht etwa für die gleichnamigen Krieger und Rabauken, die man aus "Herr der Ringe" kennt, sondern für "Offener Rollenspiel Klub Schweinfurt" oder auch mal für "Ohne Rollenspiele kein Spaß", wie ORKS-Vorsitzender Marco Steigerwald und Ehrenvorsitzender Rainer Dittmann schmunzelnd erklären.
Duell der Magier und Maschinen
Seit 25 Jahren gibt es die ORKS, die jährliche Convention ist unzweifelhaft der Höhepunkt des Jahres. Nicht nur "Warhammer" wurde an einem halben Dutzend Tischen gespielt. Auch Liebhaber des legendären Kartenspieles "Magic", dessen Grundprinzip das Duell zwischen zwei Magiern ist, fanden sich zu stundenlangen Runden und damit verbundenen Ausflügen in das große Reich der Fantasy zusammen. Zahlreiche "Pen & Paper-Spieler", die nur Bleistift, Blocks, Würfel und viel Fantasie brauchen, um Streifzüge durch ihr virtuelles Kopfkino zu machen, hatten sich ebenfalls eingefunden um zum Beispiel mit dem Spieleklassiker dieses Genres, "Das schwarze Auge", Spaß zu haben.
Einige hundert Besucher aus ganz Unterfranken, ja aus ganz Bayern, kamen an diesen beiden Tagen wechselweise im Jugendhaus zusammen. Während am Samstag eher die Tabletop-Freunde auf ihre Kosten kamen, stand am Sonntag ein überregionales Turnier der Yu-Gi-Oh-Kartenspieler auf dem Programm, in dessen Verlauf man sich für europäische Wettbewerbe qualifizieren konnte.
Komplexe Regeln auf dem Weg zum Sieg
Am augenfälligsten sind aber mit Sicherheit die Tabletop-Szenarien. Auf genormten Spieltischen baut ein jeder seine Krieger, Schurken, Bösewichter, Maschinen und Androiden auf, um möglichst erfolgreich dem Gegner zu Leibe zu rücken. Würfel, Maßband und ein wirklich komplexes Regelwerk sind entscheidend für den Spielverlauf. Nach jedem Wurf messen zum Beispiel Lukas Hauck aus Haßfurt und Christian Schmitt aus Erlangen auf ihrem Spieltisch millimetergenau aus, welche Figur an welcher Stelle jetzt wie weit vorrücken darf und welche Fähigkeiten sie dabei gewinnt oder verliert. Sich die Spielregeln mal eben im Schnelldurchgang erklären lassen zu wollen, ist ein hoffnungsvolles Unterfangen. Nein, man muss in seine Rolle schon sprichwörtlich hineinwachsen.
Fasziniert von Kopfkino und fantastischen Welten
Aus Studenten, Angestellten, Führungskräften werden leidenschaftliche Zukunftsszenarien-Strategen, die aufbrechen zu fantastischen Kopfkino-Reisen. Faszinierend an dieser Spiele-Welt, so Thomas Seitz von Spielwaren-Schierling aus Schweinfurt, sei auch, dass man sich bei solchen Spielen nicht etwa im Internet, sondern am Spieltisch trifft. Die Figuren, die man als Rohlinge in hunderten fantastischen Variationen kaufen kann, werden meist auch noch von Hand gestaltet und mit feinem Pinsel filigran angemalt, ganz wie früher die guten alten Zinnsoldaten. Es braucht weder Handy noch Internet, um es auf dem Spieltisch zur Meisterschaft zu bringen. Spielende ist dann, wenn der Schurke auf der anderen Seite des Tisches besiegt ist.
Ähnliches Spielprinzip – andere Umsetzung. So lassen sich die fantastischen Kartenspiele von "Yu-Gi-Oh" bis "Magic" zusammenfassen. Jede Karte ist Teil eines umfangreichen Decks, und die darauf dargestellte Figur hat eindeutige Fähigkeiten, die im Duell mit den Mitspielern eingesetzt werden, bis der Sieger feststeht. Peter Zalm war nicht nur als Schiedsrichter bei den Magic-Matches im Einsatz, sondern ist auch ein Experte dieses Kartenspiels. Seit 1993 gibt es das Spiel, mehrmals jährlich kommen neue Decks auf den Markt, Zalm selbst besitzt geschätzt 100 000 Karten. "Einfach zu lernen, schwer zu meistern", umschreibt Zalm die immer wieder neuen Herausforderungen durch die Vielfalt der Karten. Ein "Black Lotus" aus dem limitierten Original-Deck von 1993 sei unlängst für – Achtung kein Schreibfehler – 240 000 Dollar verkauft worden. Wer noch keine schwarze Lotusblüte auf Spielkarte hat – bei Ebay gibt es noch eine – für 195 000 Euro. Schuld an dieser Preisentwicklung sei auch, so Zalm, dass Investoren das Gebiet "Sammeln und Seltenes" für sich entdeckt haben und dort ihr Geld anlegen. Zalms wertvollste Karte ist übrigens der "Alpha-Shivan-Drache", der mit 3000 Euro vergleichsweise günstig ist.
Vom Bauernsohn zum berühmten Barden
Da geht es bei der Runde von "Das schwarze Auge" schon geerdeter zu. Da werden aus armen Bauernsöhnen gefeierte Barden oder Zwerge und Elfen brechen auf zu abenteuerlichen Reisen. Dafür genügen Bleistift, Block, Regelbuch und Würfelglück. Eine komplexe Strategie, die richtige Taktik, Glück und ein möglichst großes Universum an Karten oder Figuren sind bei allen Fantasy-Games spielentscheidend. Und es macht Spaß, denn bei allem Ernst der Lage wird auch viel gelacht an den Tischen oder auch mal eine Entscheidung diskutiert. Gar nicht mal so viel anders wie bei Schach oder Schafkopf, halt mit sehr viel mehr Equipment.
Und es werden immer mehr. Zwei junge Damen aus Würzburg stellen im Elfenkostüm und in Luftschiffer-Outfit ihre neue Spielidee vor. "Stea Mage"heißt das Spiel für das es inzwischen auch ein Regelwerk gibt und das in der Zeit der industriellen Revolution spielt – nur dass sich dort die Dampfmaschinen durchgesetzt haben. Herausgekommen ist ein Steampunk-Fantasy-Rollenspiel, das das viktorianische Zeitalter mit der Welt der Magie zusammenbringt. Die Welt hat Grenzen, die Welt der Fantasie nicht. Anzunehmen, dass sich schon bald die Fantasy-Fans mit Volldampf für diese Idee begeistern lassen.