Auch heute noch, 40 Jahre nach Ende des Kriegs gegen die USA, kommen in Vietnam hunderttausende Kinder missgebildet zur Welt. Es kann jede Familie treffen. Der Giftstoff Dioxin im „Agent Orange“, dem Entlaubungsmittel, das die USA damals großflächig über das Land versprüht hatte, veränderte das Erbgut vieler Menschen. Es hätte auch den Maler Nguyen Xuan Huy treffen können oder seinen Sohn, obwohl der Vater schon lange in Deutschland lebt.
Sohn Tony ist gesund, aber die Angst, ein missgebildetes Kind zu bekommen, blieb. Sie ist Teil von Nguyen Xuan Huys Identität und sie ist auch in seinen Bildern spürbar, die ab 27. Januar in der Sparkassengalerie zu sehen sind. Es sind extreme Bilder, viele nichts für schwache Nerven.
Nguyen Xuan Huy wurde 1976 in Hanoi geboren. Schon als junger Mann malte er – realistisch wie sein Vater. 1996 begann er ein Kunststudium in Deutschland, an der Hochschule Burg Giebichenstein (Halle). Neun Jahre später reiste er mit einem Stipendium in der Tasche durch ganz Vietnam, auf der Suche nach den Opfern von Agent Orange. Er fotografierte die Menschen und als er wieder zurück in Deutschland war, malte er sie.
Es entstanden mehrere Werkreihen, in deren Mittelpunkt zwar meistens Menschen mit Missbildungen stehen, die Nguyen Xuan Huy aber in unterschiedlichen Kontexten, Umgebungen und Stimmungen zeigt. 2011/12 beispielsweise schuf er pseudoheile Welten mit Blumen und Wiesen, über denen nackte Frauen in den Posen von Pin-ups schwebten – Frauen mit makellosen, schönen Gesichtern, aber verdrehten Beinen, kurzen Stummelärmchen, verkrüppelten Füßen. In den neueren Gemälden setzt Huy seine Figuren in düstere, bedrohte Landschaften oder Räume, wo sie in ihrer Nacktheit sehr verletzlich wirken.
Immer wieder tauchen sozialistische Symbole auf. In den älteren Gemälden tragen die Frauen rote Mützen mit Stern, schwingen Hammer und Sichel, lachen siegesgewiss und selbstbewusst – trotz ihrer brutalen Verunstaltungen. Nguyen Xuan Huy mischt in einer fast atemberaubenden Weise heroische politische Symbole, die man von Propagandabildern des sozialistischen Realismus kennt, mit erotischen Versatzstücken aus der Werbung und führt beides ad absurdum. Immer wieder findet man Hinweise auf Werke der Kunstgeschichte von Delacroix bis Manet.
Nguyen Xuan Huy bewegt sich im Raum zwischen Realität und Fiktion. Er versuche, Grenzen zu erfahren, indem er sie überschreite und verwische, schreibt er in seinem Text im Katalog. Der erschien zur Ausstellung, die 2015 in Mannheim und Frankfurt gezeigt wurde und nun unter dem Titel „Make it Rain“ in der Sparkassengalerie in Schweinfurt zu sehen ist.
„Make it Rain“: Gemälde von Nguyen Xuan Huy in der Sparkassengalerie. Eröffnung am 26. Januar, 19 Uhr. Zu sehen bis 1. April