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SCHWEINFURT
Sommerserie Giebelfiguren: Tradition des Weines in Zeiten des Bieres
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:42 Uhr

Wer in der Bierstadt Schweinfurt lieber Wein im Restaurant bestellt, gehört sicher nicht zur Mehrheit der Bevölkerung. Wenn von Schweinfurt gesprochen wird, denken die meisten Menschen ohnehin an Industrie. Dabei hat der Wein eine große und lange Tradition in der Region. Dies zeigt sich auch an einer der Giebelfiguren am Schweinfurter Rathaus, mit der sich unsere Sommerserie beschäftigt.

Der Weinanbau, auch Rebbau genannt, beinhaltet die Kultivierung von Reben, um aus den gewonnenen Trauben Wein herzustellen. Dass heute nur noch das Weingut Dahms in Schweinfurt Wein produziert, mag man beim Studieren der städtischen Weinbaugeschichte kaum glauben. Vor hunderten Jahren war Schweinfurt noch ein Ort, welcher den Menschen als Weinstadt bekannt war. Die Wingertstraße oder der Weingartenweg erinnern noch heute daran.

Weinfurt statt Schweinfurt?

Schweinfurts literarisch bekanntester Sohn Friedrich Rückert, geboren 1788, soll sich ebenfalls zur Weinhistorie seiner Geburtsstadt geäußert haben: „Hättest Mainfurt, hättest Weinfurt heißen können, weil du führest Wein, aber Schweinfurt, Schweinfurt sollt es sein“, wird es vom Literatur-Portal-Bayern übermittelt. So ganz abwegig scheint die große Bedeutung des Weines in Schweinfurt also noch nie gewesen zu sein. Die Stadt liegt immerhin in der bekannten fränkischen Weingegend.

Wer also etwas über den Weinbau der Stadt Schweinfurt erfahren möchte, der kann entweder in den Tiefen des Archivs blättern, oder er spricht mit Menschen, die sich mit dem Thema auskennen. Einer dieser Menschen ist Städteführerin Waltraud Warmuth. Die Gästeführerin ist gleichzeitig Dozentin für Wein- und Genusskultur und will sich die Bedeutung des Weines in der Stadt nicht kleinreden lassen. „Es ist ein wesentliches Kulturgut Schweinfurts und die Tradition muss weitergeführt werden“, so Warmuth.

Der Niedergang des Weinbaus

Laut der Expertin lag die Hochzeit des Weines zwischen dem späten Mittelalter und dem Beginn des 19. Jahrhunderts. „Früher wurde hier nur Wein getrunken, dann ging das Bierbrauen los“, so die Gästeführerin. Im Jahre 1802 bewirtschafteten die Winzer in Schweinfurt rund 320 Hektar Rebfläche. Heute sind es nur noch zehn Hektar, die einzig von der Winzerfamilie Dahms genutzt werden. Doch warum ist das so? Waltraud Warmuth macht dafür eine Reihe von Gründen verantwortlich. „Der zweite Weltkrieg sorgte für einen Niedergang des Weinbaus“, so Warmuth. Die Männer sein im Krieg gewesen, hätten sich nicht mehr um die Reben kümmern können.

Ein weiterer Grund waren laut Gästeführerin zahlreiche Missernten, die einige Winzer zum Aufhören zwangen. „Viele Frostschäden machten den Weinbauern das Leben schwer“, erklärt Warmuth. Außerdem betrieben viele Menschen den Weinbau nur als Nebenerwerb und hätten hauptberuflich andere Tätigkeitsfelder in der Industriestadt verfolgt. Dies hätte auf Dauer nicht funktioniert. „In klassischen Weinbaugebieten gab es in jeder Winzerfamilie mindestens ein Kind, das die Arbeit fortführte. Hier waren andere Berufe einfach attraktiver“, bedauert Warmuth. Sie selber fuhr als Kind noch mit zur Weinlese. „Wir haben die Ernte von der Petersstirn in die Stadt gebracht und den Wein hinterher mit deftigem Essen genossen“, erinnert sich die gebürtige Schweinfurterin.

Speisegenuss mit richtigem Getränk

Am mangelndem Interesse fehle es in Schweinfurt nicht. „Die Begeisterung bei den Weinfesten zeigt, dass der Stellenwert nach wie vor hoch ist“, sagt Warmuth und wünscht sich dennoch mehr Offenheit, gerade auch von den Konsumenten. „Wenn ich in Restaurants schaue, dann bestellen sich die meisten Menschen keinen Wein, sondern Bier zum Essen“. Dabei würde gerade der Wein viele Speisen geschmacklich erst richtig zur Entfaltung kommen lassen. Bei der Frage „Bier oder Wein?“ entscheide aber häufig der Preis. Trotzdem empfiehlt Warmuth, auch mal auf einen wertigen Wein zurückzugreifen. „Mit dem richtigen Getränk ermöglicht man einen ganz anderen Speisegenuss“.

Goethe trank Schweinfurter Wein

„Die Schweinfurter trinken am liebsten gängige Weine“, sagt Warmuth. Silvaner, Bacchus oder Müller-Thurgau zählten hier demnach zu den beliebtsten Sorten. Beliebt war der Schweinfurter Wein auch einst bei Johann Wolfgang von Goethe. Den Überlieferungen zufolge orderte der Dichter im Jahr 1821 hunderte von Litern aus der unterfränkischen Stadt an. Darauf weisen Schreiben im Goethe-Schiller-Museum in Weimar hin. Wer also mal wieder einen Schoppen in Schweinfurt trinkt, ist oder war vielmehr in guter Gesellschaft.

22 Steinfiguren – die Serie

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts standen Kriegerfiguren auf den Rathausgiebeln. Es folgten 100 Jahre ohne Figurenschmuck, ehe nach dem Dachstuhlbrand im April 1959 die Schweinfurter Bürger spendeten. 80 000 Mark kamen zusammen, mit welchen zehn Bildhauer aus Unterfranken für 22 neue Giebelfiguren aus Sandstein bezahlt wurden. Die Putten und Statuen verkörpern Tugenden, die Elemente und Berufe.

Zu jedem Symbol erzählt im Rahmen unserer Sommerserie ein Mitglied der Redaktion eine Geschichte.

Die Gästeführerin Waltraud Warmuth kennt sich mit Wein und der Schweinfurter Geschichte des Weinbaus sehr gut aus.
Foto: Nicolas Bettinger | Die Gästeführerin Waltraud Warmuth kennt sich mit Wein und der Schweinfurter Geschichte des Weinbaus sehr gut aus.
Schönes Ambiente mit einem Glas Wein: Das Bild entstand auf dem Stadtfest im Jahr 2015.
Foto: Josef Lamber | Schönes Ambiente mit einem Glas Wein: Das Bild entstand auf dem Stadtfest im Jahr 2015.
 
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