zurück
SCHWEINFURT
Soll das Postensemble erhalten bleiben?
Das Fernmeldeamtsdienstgebäude an der Stresemannstraße gehört heute der Telekom und ist derzeit ungenutzt.
Foto: Hannes Helferich | Das Fernmeldeamtsdienstgebäude an der Stresemannstraße gehört heute der Telekom und ist derzeit ungenutzt.
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:02 Uhr

Wohnungen bauen oder das Ensemble in seiner alten Struktur erhalten? An der Nutzung des alten Postensembles scheiden sich die Geister.

Das Fernmeldedienstgebäude in der Stresemannstraße 12 befindet sich im Besitz der Telekom. Die heute als Parkplatz genutzten Posthallen samt Garagen, Hausnummern 14 und 16, hat ein Projektentwickler gekauft. Die Domos GmbH (Bayreuth) denkt über Sozialen Wohnungsbau nach. Das missfällt dem Schweinfurter Architekten- und Ingenieurverein (AIV) ebenso wie der in Oberschwarzach lebenden Kunsthistorikerin Suse Schmuck.

 



Wie das Alte Krankenhaus stammen Posthallen aus der Zeit der Neuen Sachlichkeit

Sie fordern den Erhalt der 1928 bis 1930 erstellten Gebäude. Der Grund: Die in den Bauplänen von 1927 als Postbauten mit „Kraftwagenhallen, Fernsprech- und Telegraphen-Bezirksgebäude“ ausgewiesenen Bauwerke stammen wie das abgerissene Alte Krankenhaus aus der Epoche der Neuen Sachlichkeit.

Suse Schmuck, eine Kennerin der baulichen Entwicklung in Schweinfurt, nennt es „einen Glücksfall“, dass die in anderen Städten „bereits verloren gegangenen Betriebshöfe in Schweinfurt noch existieren“. Sie teilt der Redaktion mit: „Vielleicht ist das auch eine städtebauliche Chance für eine sinnvolle Nachnutzung“.

Ähnlich formulieren es AIV-Vorsitzende Ursula Sauer-Hauck und ihr Stellvertreter und ebenso Architekt Stefan Schlicht. „Aus dieser Zeit gibt es nicht mehr viel, wenn diese Gebäude verschwinden, löscht man eine Epoche aus“.

Angeregt wird eine Prüfung hinsichtlich der Denkmaleigenschaft der Gebäude

Schmuck geht in einem von ihr verfassten Beitrag für den 2014 erschienenen „Architektenführer Schweinfurt“ auch auf die Posthallen und das Fernmeldegebäude ein. Außerdem ist sie Verfasserin eines Themenheftes „Das Alte Krankenhaus“ mit der Intention, die „Zerstörung dieses unwiederbringlichen Dokuments der Neuen Sachlichkeit“ zu verhindern. Wie wissen: Es klappte nicht. Bei den Gebäuden an der Stresemannstraße dürfe sich das nun aber nicht wiederholen.

Alle Bauwerke lohnten einer näheren Untersuchung und Prüfung hinsichtlich ihrer Denkmaleigenschaften. „Man spürt, dass in dem Ensemble immer noch Qualität steckt, auch wenn sie sich dem oberflächlichen Blick nicht sofort mitteilt“, sagt Schmuck, die bei der Schilderung der vielen „noch authentischen Details“ geradezu ins Schwärmen gerät.

Das Fernmeldeamtsgebäude sei zurückhaltend und diszipliniert gegliedert. „Besonders schön“ seien die trompetenartigen Wasserrinnentöpfe mit den markanten Fallrohren, die es so ähnlich noch am denkmalgeschützten Postgebäude in der Würzburger Virchowstraße gebe, erbaut zur gleichen Zeit von denselben Architekten Anton Lehr und Heinrich Götzger als „repräsentative Beispiele der so genannten Bayerischen Postbauschule“ unter Robert Vorhoelzer als Vertreter der klassischen Moderne.

Fast euphorische Beschreibung der damaligen Architektur

Schmuck lobt die schlichten Rundbogeneingänge, die Tür-Vergitterung und die Griffe, die zusammen „ein Design von verblüffender Einfachheit und funktionaler Zweckmäßigkeit“ bildeten. Diese Detaillierung setze sich im Inneren fort, etwa beim Treppenlauf mit seinen Kugelaufsätzen als Anspielung auf die Kugellagerstadt Schweinfurt.

Dem Fernsprech- und Telegraphenamt war damals der Betriebshof für den Fuhrpark der Post angegliedert. Ursprünglich waren alle vier Flügel gleich hoch.

Erst in der Nachkriegszeit ist der Nordflügel in Höhe und Tiefe vergrößert worden, um Omnibusse aufnehmen zu können. Im Erdgeschoss waren die Stellplätze für die Fahrzeuge, im Obergeschoss Büroräume und Labors.

Alle Gebäude sprächen die Architektursprache der Neuen Sachlichkeit, „wir finden hier die Grundlagen der Moderne, die nach dem Jugendstil und dem Ersten Weltkrieg die Weichen für die Entwicklung der Baukunst stellten“, meint die Kunsthistorikerin.

Angesichts der wenigen Bauten aus der Zeit der Weimarer Republik und der jüngsten Verluste – gemeint ist das 2011 nach heftigen politischen Auseinandersetzungen abgerissene Alte Krankenhaus – verdienten „die Postbauten an der Stresemannstraße unsere Wertschätzung“. Mit dem Erhalt des Ensembles an der Stresemannstraße bietet sich die Chance einer „Wiedergutmachung im Sinn des Denkmalschutzes an diesem bisher ebenfalls nicht beachteten Objekt“.

Diese „innovativen Gebäude der Neuen Sachlichkeit“ leiteten über zur jüngsten Geschichte der Stadt Schweinfurt, die nach dem Verlust der absoluten Vorrangstellung als Industriestadt ihr neues Profil als Dienstleistungs-und Kulturstadt auch durch qualitätvolle neue Architektur gewonnen habe, sagt Schmuck.

Der Bevölkerung die Bedeutung der Bauwerke deutlich machen

AIV-Vorsitzende Ursula Sauer-Hauck sagt, dass man sich für den Erhalt des Alten Krankenhauses möglicherweise „nicht stark genug gemacht hat“. Dieser Fehler dürfe sich beim Post-Ensemble nicht wiederholen.

Vorstandskollege Stefan Schlicht findet es nötig, den Entscheidern und der Bevölkerung den Wert der Gebäudestruktur erkennbar zu machen. Der Architektenführer helfe dazu und außerdem wird der Verein außerhalb der „Architekt-Touren“ Führungen anbieten.

Die Postbauten mit den Wagen-Garagen führen heute zwar ein Aschenbrödeldasein. Architekten und Kunsthistoriker wünschen sich ein Wachküssen der alten Substanz, die unbedingt erhalten bleiben müsse.
Foto: Hannes Helferich | Die Postbauten mit den Wagen-Garagen führen heute zwar ein Aschenbrödeldasein. Architekten und Kunsthistoriker wünschen sich ein Wachküssen der alten Substanz, die unbedingt erhalten bleiben müsse.
Das Treppenhaus im Fernmeldegebäude als Beispiel der Neuen Sachlichkeit.
Foto: Schmuck | Das Treppenhaus im Fernmeldegebäude als Beispiel der Neuen Sachlichkeit.
Architekten und Fachleute loben die Mischung aus Einfachheit und Zweckmäßigkeit.Foto: Schmuck
| Architekten und Fachleute loben die Mischung aus Einfachheit und Zweckmäßigkeit.Foto: Schmuck
Die AIV-Vorstandsmitglieder Ursula Sauer-Hauck und Stefan Schlicht fordern den Erhalt der Gebäude an der Stresemannstraße, deren Geschichte im „Architekturführer Schweinfurt“ beschrieben ist.
Foto: Hannes Helferich | Die AIV-Vorstandsmitglieder Ursula Sauer-Hauck und Stefan Schlicht fordern den Erhalt der Gebäude an der Stresemannstraße, deren Geschichte im „Architekturführer Schweinfurt“ beschrieben ist.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Hannes Helferich
Deutsche Telekom AG
Geister
Kulturhistoriker
Schmuck
Stadt Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top