Sie ist nicht historisch und trotzdem eine Besonderheit – die Orgel in der evangelischen Christuskirche in Schonungen. Eigentlich ist sie gar keine Kirchenorgel, sondern eine Hausorgel.
Größte Pfeife 2,50 Meter lang
Na ja, für ein herkömmliches Einfamilienwohnhaus wäre sie wohl nicht geeignet. Die größte Pfeife misst immerhin 2,50 Meter, und der Prospekt mit dem Schriftzug Soli Deo Gloria (Gott allein zur Ehre) nimmt fast die gesamte Kirchenempore in Anspruch.
Doch tatsächlich stand die im Jahre 1939 von den Gebrüdern Hindeland in Egenhofen gebaute Orgel einst in einem Privathaus. Dr. Karl August Kroth, Fabrikdirektor und Musikliebhaber, der von 1937 bis 1953 in Schweinfurt lebte, hatte sie bei dem Allgäuer Orgelbauer in Auftrag gegeben und in seine Villa in der alten Bahnhofstraße 35 (das Sandsteinhaus im Gründerstil gibt es nicht mehr, heute steht dort das Ämtergebäude) einbauen lassen. Seine Tochter soll auf der Orgel geübt haben.
Die Orgel hat auch eine Celesta
Und das Besondere: Die Orgel hat eine Celesta. Das ist eine Art Glockenspiel, das sich außerhalb des Orgelgehäuses befindet und in Schonungen in der hintersten Ecke der Empore aufgebaut ist. Auf einer Holzkonstruktion sind verschieden klingende Stahlplatten angebracht, die mit filzbezogenen Hämmern über die Klaviatur der Orgel angeschlagen werden.
„Meine Söhne waren hin und weg“, erinnert sich Pfarrer Andreas Duft, als er bei der Übernahme der Pfarrei vor einem Jahr der Familie die Celesta vorführte. „Da kann man ja die Harry-Potter-Melodie drauf spielen“, haben die Jungs gleich festgestellt. Oder „Final Countdown“, wie Pfarrer Duft sogleich demonstriert.
Doch wie kommt nun die Hausorgel eines Schweinfurter Industriellen in die Kirche nach Schonungen?
Pfarrer Andreas Duft möchte das in die Jahre gekommene Instrument in diesem Jahr restaurieren lassen und hat im Kirchenarchiv gestöbert. Dort findet sich ein Schriftverkehr mit Kirchenmusikdirektor Otto Meyer aus Ansbach vom 9. Februar 1954. Der Staatliche Orgelbausachverständige hatte demnach am 4.
Dezember 1953 im Auftrag des Pfarramtes Schonungen „eine größere Hausorgel aus Privatbesitz in Schweinfurt“ begutachtet, um festzustellen, ob das Instrument für die neu erbaute evangelisch-lutherische Kirche in Schonungen geeignet sei. Das Gotteshaus befand sich damals gerade im Rohbau, und Kroth zog aus Schweinfurt fort, weshalb er die Orgel verkaufen wollte.
Für 8000 Mark angeboten
Ein Schnäppchen, so schien es. Denn die ganze Orgel mit Pfeifen, Spieltisch und Schwellkästen wurde der Kirchengemeinde für 8000 Mark angeboten. Was fehlte, war allerdings ein Prospekt, das ist die sichtbare, meist künstlerisch gestaltete Vorderseite des Pfeifengehäuses. Meyer sollte nun den Zustand des Instrumentes begutachten und prüfen, ob die Lautstärke der für häusliche Zwecke gebauten Orgel für die 250 Sitzplätze fassende Kirche überhaupt ausreichend ist.
Das fachliche Urteil fiel positiv aus: Meyer bescheinigte dem Instrument „eine gute und für eine Hausorgel reichhaltige Disposition“. Der gesamte spieltechnische Apparat funktioniere einwandfrei, die 14 Register seien gut intoniert und „das Spiel befriedigt auch in musikalischer Beziehung“, schreibt der Orgelsachverständige. Auch klanglich sah er keine Probleme, man müsse nur einige Umbauten machen, um die Orgel auf ihre größtmögliche Klangstärke zu bringen. Allerdings hegte Meyer Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Denn rechne man die Kosten für den Ab- und Aufbau, den Transport und die notwendigen Änderungen hinzu, ergebe dies einen Betrag, für den man bereits eine neue zweimanualige Orgel mit elf oder zwölf Registern erhalte, schreibt der Fachmann.
Zur Einweihung der Kirche 1954 erklang die Orgel
Nun, der Kirchenvorstand schien damals die wirtschaftlichen Bedenken in den Wind geschlagen zu haben. Denn am 13. Juli 1954 wurde der Firma Hindelang der Auftrag erteilt, die Kroth'sche Orgel in Schweinfurt abzubauen und in der neuen Kirche in Schonungen aufzubauen. Dies erfolgte dann im August 1954, so dass zur Einweihung des Gotteshauses im September die Orgel von der Empore erklingen konnte.
Seit 63 Jahren tut die Hindelang-Orgel nun schon ihre Dienste in der Schonunger Kirche. Und das hört man ihr inzwischen an. Manche Töne erklingen nicht mehr, die Intonation ist verbesserungswürdig, Pneumatik und Mechanik müssen überholt, die Pfeifen überprüft und das gesamte Instrument gereinigt werden. Wieviel das alles kostet, weiß Pfarrer Duft nicht. Er hofft, mit maximal 35 000 Euro hinzukommen. Denn mehr Geld hat die Kirchengemeinde nicht in der Kasse. Es sind zum Großteil Spenden von Gemeindemitgliedern, die bereits im vergangenen Jahr gesammelt wurden.
Restaurierung ist nötig
Wenn alles nach Plan verläuft, soll die Orgel bis Sommer restauriert sein. „Es wird nichts umgebaut oder verändert“, versichert Pfarrer Duft, es gehe nur um Bestandserhaltung. Auch wenn es sich nicht um ein historisches Instrument handelt, hält Duft die 79 Jahre alte Orgel für erhaltenswert. Für die damalige Zeit sei es eine sehr moderne Konstruktion gewesen. Die Traktur erfolgt nämlich elektropneumatisch. So werden von den Tasten am Spieltisch Impulse an Elektromagneten in den Windladen gegeben. Diese betätigen kleine Ventile in einem Relais, von dem dann Luftdruckimpulse zu den Ton- und Registerventilen weitergegeben werden.
Dass die Orgel nicht für die Kirche gebaut worden ist, sieht man beim Blick auf die Orgelpfeifen hinter dem Prospekt. Sie sind auf den Organisten ausgerichtet und nicht in den Kirchenraum, den sie eigentlich beschallen sollen. Und: Die Orgel ist sehr schlecht zu begehen, denn sie ist von beiden Seiten geschlossen. „Da muss sich der Orgelbauer irgendwie reinquetschen“, hofft Pfarrer Duft, dass der Restaurator einen Weg ins Innere findet.
Der von Pfarrer Duft inzwischen eingeschaltete Orgelsachverständige hat die Restauration befürwortet. Bleibt nur zu hoffen, dass auch das Geld ausreicht. Wer die evangelische Kirchengemeinde unterstützen möchte, Pfarrer Duft hat ein Spendenkonto eingerichtet:
IBAN DE36 7933 0111 0001 4400 04, BIC: FLESDEMM