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Schweinfurt
Solarzellenreinigung: Lässt sich Betrug berechnen?
Sechs Kunden werfen einem hiesigen Franchisegeber für Photovoltaikanlagen-Reinigung falsche Versprechen vor – für sie mit sehr negativen Folgen.
Symbolbild: Gericht/Justiz
Foto: Patty Varasano | Symbolbild: Gericht/Justiz
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:43 Uhr

Leicht ist die Materie nicht, die vor dem Schöffengericht Schweinfurt nun bereits am sechsten Tag verhandelt wird. Ein halbes Dutzend Männer fühlen sich von einem 62-jährigen Unternehmer aus der Region getäuscht und betrogen. Er soll ihnen im Jahr 2019 sein Geschäftsmodell der Photovoltaikanlagen-Reinigung derart schmackhaft gemacht haben, dass sie sich als seine Franchise-Nehmer im Vertrauen auf enorme Verdienstmöglichkeiten hoch verschuldeten. Doch die Angaben über sein Erfolgsunternehmen seien teils falsch und die Umsatz- und Gewinnversprechen maßlos übertrieben gewesen, so der Kernvorwurf.

Wie berichtet, soll der Angeklagte die Interessenten mit falschen Zahlen und Angaben über das "größte und erfolgreichste Photovoltaikanlagen-Reinigungsunternehmen weltweit mit mehr als 11 Standorten in Europa" gelockt haben, wie es in der Anklage heißt. Er sei auch in Kanada und USA vertreten, habe über 40 festangestellte Mitarbeiter und betreue Großkunden wie Wiesenhof, Aldi, Lidl, Edeka, soll der Angeklagte behauptet haben, und einen Großauftrag von Tesla in Nevada besitzen.

1000 Anfragen im Monat?

Ferner liege der monatliche Mindestumsatz bei 13.000 Euro, aus dem 6000 Euro Gewinn blieben. Und: Jeden Monat gingen bei ihm über 1000 Anfragen für Photovoltaikanlagen-Reinigungen allein aus Deutschland ein. Nichts davon soll laut Anklage gestimmt haben.

Dafür hatten die "Partner" nicht wenig zu zahlen: 100.000 Euro Eintrittsgeld, eine monatliche Franchisegebühr von knapp zehn Prozent des Umsatzes (Minimum 925 Euro), sowie über 2000 Euro Servicegebühr. Weitere tausende Euro waren in Ausstattung wie Fahrzeug, Anhänger oder Reinigungsgeräte zu investieren. Die meisten der "Partner" sind längst gescheitert, haben teils Insolvenz angemeldet. Das Gericht muss nun herausfinden, ob der Angeklagte seine Franchisenehmer mit falschen Angaben betrogen hat.

Ein sehr teurer Eintritt

Der vom Gericht bestellte Gutachter aus München zitierte aus der Homepage Deutsche Unternehmer-Börse (DUB), wonach etwa zwei Drittel aller Franchisesysteme bei der Einstiegsgebühr zwischen 10.000 und 30.000 Euro lägen. Der Angeklagte verlangte 100.000 Euro. Schon beim letzten Termin befand der Gutachter: "Kein besonders werthaltiges Geschäftsmodell, weil es mit recht hohen Fixkosten verbunden ist." Seine Aussagen zu den sechs einzelnen Fällen dieses Verfahrens will die Verteidigung zunächst ausführlicher studieren.

Das Gericht bat den Gutachter, bis zum 20. Mai für alle mutmaßlich geschädigten Franchisenehmer jeweils den zu erwartenden Monatsumsatz sowie den Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu berechnen. Alles, was unter den versprochenen 13.000 Euro liegt, wäre demnach der Betrugsschaden. Darüber gäbe es keinen.

Das leuchtende Beispiel

Als leuchtendes Franchisenehmer-Beispiel soll der 62-Jährige stets den Betrieb seiner Frau herausgestellt haben, der schon seit 2019 überdurchschnittliche Umsätze mache. Dieses Unternehmen aber soll er selbst mitbetrieben haben, außerdem sei es bundesweit tätig. Die anderen "Partner" hätten ohne seine Hilfe nur in jeweils einem Landkreis arbeiten dürfen. Der Gutachter soll auch berechnen, wie erfolgreich der Vorzeigebetrieb unter den Bedingungen der übrigen Geschädigten gewesen wäre.

 
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