In der Corona-Pandemie wird vielen Menschen bewusst, wie wichtig hierzulande eine funktionierende Landwirtschaft und eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln sind. Mit seiner "Schleppertour", einem eigens umgestalteten Traktor, wirbt der Bayerische Bauernverband für seine Aktion #EssenAusBayern. Bei einer von drei Stationen im Landkreis Schweinfurt, am Bio-Betrieb Flachshof Römert in Egenhausen, gab es Einblicke in den Anbau von Speisekartoffeln und wie sie vom Acker auf den Tisch gelangen.
Ein Bewusstsein für regionale und saisonale Lebensmittel beim Verbraucher zu schaffen ist das Anliegen des Bauernverbands, wie BBV-Kreisobmann Michael Reck erklärte. Dass die Erzeuger dabei nicht nur mit politischen und gesellschaftlichen Vorgaben, sondern auch mit dem Wetter zu kämpfen haben, zeigt sich in diesem regenreichen Jahr. Was auch den Kartoffelanbau beeinflusst, wie Bio-Landwirt Andreas Römert bestätigt.
Wie viele Kartoffeln werden im Landkreis Schweinfurt angebaut?
Hier sind es nur 157 Hektar, bundesweit aber 272 000 Hektar. Vor allem in Niedersachsen, in der Lüneburger Heide, werden die Knollen erzeugt. Die Verhältnisse dort und der sandige Boden machen den Anbau wirtschaftlicher, erklärt Römert.
Reicht der hiesige Kartoffelanbau aus, um die eigene Bevölkerung damit zu versorgen?
Nein, nicht ganz. Bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 57,4 Kilogramm pro Jahr – inklusive Kartoffelerzeugnissen von 35,7 Kilogramm – liegt der Selbstversorgungsgrad im Landkreis bei 67,7 Prozent.
Warum werden am Flachshof Kartoffeln angebaut?
Sie passen gut in die Fruchtfolge des 120 Hektar großen Demeter-Betriebs (100 Hektar Ackerbau, 20 Hektar Wiesen). Acht bis zehn Hektar werden hier mit Kartoffeln bewirtschaftet. Der Gedanke des Nährstoffkreislaufs ist Römert wichtig.
Wann beginnen die Feldarbeiten im Frühjahr?
Je nach Art des Bodens muss im Frühjahr abgewartet werden, bis er abgetrocknet ist, also bis April oder Mai. Mancher Verbraucher fragt da schon nach neuen Kartoffeln, die zu dieser Zeit aber aus Peru oder Ägypten importiert werden, sagt BBV-Obmann Reck.
Welche Arbeiten sind auf dem Acker nötig?
Mit der Egge wird das Feld zweimal durchgefahren und das Saatbeet vorbereitet. Die Pflanzkartoffeln werden mit der Maschine in den Boden gelegt, zwei Personen fahren dort mit, zum Ausgleichen von Lege-Lücken. Wenn die Pflanze spitzt, wird mit der Dammfräse ein Damm angehäufelt. Nach drei Wochen wird das Unkraut mit dem Häufler entfernt. Dann schließt sich das Kraut über der Reihe und unterdrückt das Unkraut. Per Hand werden Distel oder Ampfer entfernt.
Welche Rolle spielt das Wetter in diesem Jahr?
Es hat im Frühjahr lange gedauert, bis eine Bodenbearbeitung möglich war. Durch den vielen Regen ging dann das Kartoffelkraut sehr früh durch die Krautfäule verloren. Diese birgt die Gefahr, dass sie auf die Kartoffelknolle übergreift und diese faulen lässt. Als Demeter-Betrieb darf der Flachshof auch kein Kupfer dagegen einsetzen, wie andere Öko-Betriebe. Glück für Römert war, dass eine Sorte seiner Kartoffeln zu 50 Prozent resistent gegen Krautfäule ist, so dass er wenigstens hier akzeptable Erträge hat.
Wann beginnt die Kartoffelernte?
Andreas Römert baut frühe und mittelfrühe Sorten an. Erstere erntet er ab Ende Juli, Anfang August. Bis Anfang September fährt er mit seinem zweireihigen Kartoffelroder über die Dämme, nachdem er vorher bereits das Kraut maschinell abgeschlegelt hat. Auf dem Roder stehen fünf bis sechs Personen, die die Erde und Steine wegsortieren, so dass nur Kartoffeln in den Bunker gelangen. Denn die empfindliche Knolle darf keine Wunden erhalten.
Wie werden die Kartoffeln gelagert?
Aus dem Roder-Bunker werden sie sofort in durchlüftete 900- oder 600-Kilogramm-Holzkisten geschüttet und müssen dann zwei Wochen stehen. Erst dann sind die Schalen stabil. In einer Kühllagerhalle werden sie bis Mitte November auf die beste Lagertemperatur von fünf Grad heruntergekühlt. Mittels geführter Kühlung über die Außentemperatur ist das möglich. Für kleinere Menge ist ein zweites Kühllager vorhanden. Gekühlt wird mit Solarstrom von einer Anlage auf dem Hallendach. Durch die Kühlung kann Römert bis Juni des folgenden Jahres Kartoffeln verkaufen.
Wie kommen seine Speisekartoffel zum Kunden?
Ein kleiner Teil wird im Hofladen, der "Kartoffelgarage" in der Egenhäuser Hauptstraße, per Selbstbedienung angeboten. Für den Edeka-Supermarkt in Werneck packt Römert seine Kartoffeln in Demeter-Papiertüten ab. Den Großteil aber verkauft er an mehrere Großhändler und Sortierer, die den Preisdruck von Aldi und Co. an ihre Lieferanten weitergeben.
Wie sind die Anforderungen der Großhändler?
Die meisten Abpacker wollen einen Knollendurchmesser von 30 bis 60 Millimeter. Viele kleine Kartoffeln muss Römert vorher am Hof mit dem Rollensortierer maschinell und händisch aussortieren. Wenn die Knollen zu groß sind, werden sie ebenfalls aussortiert und als Verarbeitungsware weitergegeben.
Wie können Römerts Bio-Kartoffel stärker in der Region verkauft werden?
Aktuell beginnt Römert, mehr Regionalität aufzubauen. Übergrößen will er direkt an einen regionalen Schälbetrieb liefern, der für ihn diese Dienstleistung erbringt, so dass er seine Kartoffeln dann an ein Hotel verkaufen kann. Die Gastronomie verwendet geschälte Kartoffeln und wird von Schälbetrieben beliefert. Der Landwirt bleibt dabei außen vor.
Wie sieht es mit dem Absatz in Kantinen aus?
Der Staat will zwar einen 30-prozentigen Bio-Anteil an Lebensmitteln, sagt Römert. Aber in staatlichen Betrieben wird kaum Bio verwendet. Er würde am liebsten größere Abnehmer wie die Krankenhäuser in Werneck oder Schweinfurt beliefern. Aber für diese ist das Schälen zu aufwändig, sie kaufen lieber beim Großhändler ein. Eine aktuelle Forderung des BBV an die Politik ist, die Hälfte der Kantinen mit Bio- oder regionaler Ware zu versorgen, sagt Kreisbäuerin Barbara Göpfert.