zurück
SCHWEINFURT
So bereitet Geschichte Vergnügen
Theater am Celtis: Die Darsteller der historischen Personen haben sich in ihre Rollen intensiv hineingedacht und -gefühlt.
Foto: Reinhild Heinrich | Theater am Celtis: Die Darsteller der historischen Personen haben sich in ihre Rollen intensiv hineingedacht und -gefühlt.
Bearbeitet von Martina Harasim
 |  aktualisiert: 14.03.2016 03:43 Uhr

Warum man sich auch und gerade heute mit Geschichte beschäftigen muss? Helmut Kohl gibt darauf eine sehr prägnante Antwort: Geschichte ist zu wichtig, als dass man sie lediglich als ein angestaubtes Studienfach weltfremder Gegenwartsflüchtlinge betrachten sollte.

Im Gegenteil: Schon der altgriechische Historiker Thukydides hat sein Werk der Nachwelt zum dauernden Besitz hinterlassen, um sowohl das Gewesene als auch das Künftige klar erkennen zu können; denn die Zukunft wird aufgrund der Tatsache, dass stets Menschen handeln, immer nur eine Variation des bereits Vergangenen sein.

Ganz in diesem Sinn hat die Theatergruppe der Oberstufe unter der Leitung von Bernhard Heinrich einen historischen Stoff auf die Bühne gebracht: Den Niedergang Preußens zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Krieg gegen das napoleonische Frankreich sowie seinen Wiederaufstieg nach staatlichen Reformmaßnahmen und schließlich seine Befreiung von der französischen Hegemonie.

Dem Autor und Regisseur Heinrich ist es gelungen, den Zuschauern das historische Geschehen durch eine glaubwürdige Zeichnung seiner Figuren, intelligente Dialoge und eine geschickte schlaglichtartige Dramatisierung lebendig und unterhaltsam zugleich vor Augen zu führen.

Die Darsteller der historischen Personen wie von Napoleon, Zar Alexander I., Friedrich Wilhelm III. oder seiner Gattin Königin Luise wirken niemals wie bloße Rezitatoren geschichtlicher Ereignisse, sondern durchweg ist zu spüren, dass sie sich in ihre Rollen intensiv hineingedacht und -gefühlt haben. So bereitet Geschichte großes Vergnügen.

Sophie Kuhn verkörpert die preußische Königin der Herzen, die auf recht unorthodoxe Weise für ihr Land zu retten versuchte, was zu retten war, mit viel Verve und Emotion; Linus Knobling gibt deren etwas grobschlächtigen, aber zutiefst menschlichen Ehemann mit starker Bühnenpräsenz – genauso wie Lukas Eisend den großen Napoleon, dessen Überheblichkeit er in gleicher Weise zu vermitteln weiß wie den völlig gebrochenen Mann am Ende. Jonathan Odendahls Zar Alexander beeindruckt insbesondere durch Klarheit und Stärke.

Parallel zur weltgeschichtlichen Haupthandlung wird die Geschichte eines Liebespaars erzählt, das nur mit viel Zuversicht, enormem Durchhaltevermögen, gesundem Pragmatismus und einer Portion Glück nach langen Kriegswirren und wiederholten Trennungen letztlich dauerhaft zueinanderfindet. Dass die beiden Fritz und Luise heißen, dürfte kein Zufall sein: Das Große spiegelt sich im Kleinen wider.

Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise ringen in ihren Sphären ebenso um privates und staatliches Wohlergehen wie Fritz und seine Luise; dabei werden alle vier in irgendeiner Form zum Spielball der Mächtigen.

Fabian Ruck und Johanna Weigel verleihen durch ihr zurückhaltendes, aber deutliches und engagiertes Spiel dem jungen Bauernpaar, dessen Wege sich mit denen Friedrich Wilhelms (und seiner Frau) zweimal kreuzen und dessen Geschick nicht nur indirekt von den Entscheidungen der Großen beeinflusst, sondern sogar zweimal direkt vom preußischen König bestimmt wird, überaus sympathische Konturen. Zur ländlichen Welt gehören auch die verschiedenen Bauernmädchen, deren einfaches und direktes Wesen sowie deren Mut, auch als Frauen für eine höhere Sache zu kämpfen, dem Publikum große Freude bereitet.

Am rauen Soldatentum – ob als Kanonenfutter oder Offizier – lassen David Rosin, Tobias Rosin, Nils Roßkopf und Patrick Streng keinerlei Zweifel. Das Überlegende und Weitsichtige im Charakter des Freiherrn von Hardenberg, des preußischen Reformers, manifestiert sich in der unaufgeregten Darstellung von Pascal Brückner. Auch sämtliche Nebenrollen hat Heinrich sehr gut besetzt, um nicht zu sagen, er hat alle Rollen seinen Schülern auf den Leib geschrieben. So erfüllt Michael Schlechter als Schlossdiener seine gewissenhafte Pflicht, lässt Hannah Walter als Joséphine de Beauharnais ausgesprochen effektiv ihren Charme spielen, gibt Lilly Felk kindlich unbedarft die jugendliche Königstochter Charlotte, Evelyn Richter eine der Etikette absolut verhaftete königliche Hofdame und Thomas Hetterich tritt als ein bis ins Mark erschrockener Bote auf.

Lobend erwähnt werden muss auch Anna Krause, die in einer Hosenrolle als preußischer Soldat brilliert, sowie der klassische Chor, der die Handlung kommentiert und reflektiert. Nicht zuletzt haben Valerie Eckart und Carmen Glück (beide Violine) zusammen mit Kevin Pfister (Klavier) das Geschehen musikalisch passend untermalt. Für die unaufdringlichen und in ästhetischer Hinsicht wirklich gefälligen Kostüme zeichnete Hanna Römmelt verantwortlich. Auch die Ausleuchtung der einzelnen Szenen war stimmig.

Was haben wir nun gesehen? Haben wir an diesem Abend unsere historischen Kenntnisse wieder einmal aufgefrischt oder gar national-preußische Gefühle aufleben lassen? Darum ging es nicht. Nein, exemplarisch ist an der Geschichte bewusst geworden, wie schnell das Rad der Fortuna sich doch dreht. Wer heute oben steht, kann morgen schon tief fallen; und wer sich schon ganz unten wähnt, darf nicht aufgeben. Festzuhalten an Überzeugungen und Zielen, führt vielleicht früher oder später noch zum Ziel. Eine Garantie gibt es freilich nie. Doch wer seine Überzeugungen und Ziele verrät, wer – wie Napoleon – die Ideale der Französischen Revolution vergisst und zum reinen Machtpolitiker wird, kommt mit Sicherheit irgendwann unter das Rad der Geschichte.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Friedrich Wilhelm
Helmut Kohl
Napoleon
Studienfächer
Thukydides
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top