
Die Reihe „Objekt des Monats“ setzt das Kulturforum passend zu Ostern – dem höchsten christlichen Feiertag im Kirchenjahr – mit einem Kirchenstuhlschild fort. Dieses Schild bezeichnete in früheren Jahrhunderten namentlich den Sitzplatz eines Gottesdienstbesuchers.
Nach der Einführung der Reformation 1542 in Schweinfurt wurde die Predigt zu einem zentralen Bestandteil des Gottesdienstes aufgewertet. Für die Gemeindemitglieder baute man von nun an feste Gestühle in den Kirchen ein. Zuvor mussten die Gläubigen weitgehend stehend am Gottesdienst teilnehmen. Das Sitzen in der Kirche ermöglichte allen Besuchern ein bequemeres und damit aufmerksameres Verfolgen der Predigt. Bei entsprechendem Platzbedarf entstand nicht nur eine Bestuhlung im Mittelschiff, sondern auch zunehmend auf den Emporen.
Mit der Entwicklung des Bürgerstolzes in den Städten kam die Frage nach Sitzordnungen auf. Damit Streitigkeiten um den besten Sitzplatz vermieden und Neid und Geltungsdrang in erträglichem Rahmen gehalten wurden, erließ man Kirchenstuhlordnungen. Wer es sich leisten konnte, erwarb einen festen Platz in der Kirche. Die Gebühren stellten eine wichtige Einnahmequelle für die Kirchengemeinden dar. In vielen protestantischen Kirchen markierten kleine Schildchen aus Metall oder Porzellan die Plätze, worauf der Name, ein Bildzeichen und gelegentlich auch die Nummer der Kirchenbank vermerkt waren. Die Sitzplätze waren nach Frauen und Männern getrennt.
Zudem gab es Bereiche für Familien, Zünfte oder Ratsherren. Je nach Lage im Kirchenraum – auf der Empore, in der Nähe der Kanzel oder des Altars – hatten sie eine unterschiedliche Wertigkeit und einen unterschiedlichen Preis. Die Sitzordnungen spiegeln somit auch die hierarchisch geordnete Ständegesellschaft in der frühen Neuzeit wider.
Das Schild aus den Beständen des Kulturforums hing einst in der St.-Salvator-Kirche in Schweinfurt. Eleonora Katharina Bräntlein, geb. Busch, hat das kleine Metallschild (Maße 11,5 x 15,5 cm), das mit Ölfarbe bemalt wurde und ein Pferdegespann mit beladenem Wagen zeigt, 1837 anbringen lassen. Das Motiv weist auf den Beruf der Familie hin. Im Stadtarchiv Schweinfurt erfährt man mehr zu Eleonora Katharina bzw. zur Familie, die vermutlich nicht „Bräntlein“ sondern „Brändlein“ hieß (Namen wurden nicht selten falsch oder in Mundart geschrieben). Eleonora Katharina Busch wurde am 25. April 1791 als Tochter eines Rentamtsboten in Schweinfurt geboren und starb dort am 18. Januar 1871. Sie heiratete am 16. Mai 1809 Johann Georg Brändlein (1786-1848), der von Beruf Bauer und Fuhrmann war. Das Paar hatte einen Sohn, Johann Martin Brändlein, geboren 1810, der ebenfalls Fuhrmann war. Die Darstellung des beladenen und abgedeckten Wagens symbolisiert den Beruf der Familie, die ihr Geld mit der Landwirtschaft und dem Transport von Gütern verdiente. Solche Schilder wurden häufig von ortsansässigen Malern oder Laien bemalt. Platzschilder sind heute in Zeiten von Kirchenaustritten und leeren Gottesdiensten überflüssig geworden. Niemand streitet sich mehr um den besten Platz in der Kirche.
Für das Kulturforum interessante Fragen sind auch heute noch, wie Ostern gefeiert wird, ob man in den Gottesdienst geht und ob man sich dort nicht nur an den Osterfeiertagen den immer gleichen Platz aussucht? Würde man sich sogar um einen Platz streiten oder gar dafür bezahlen?