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Schweinfurt
Singen für den Frieden und gegen das Vergessenwerden
Die ukrainische Musikerin Tatyana Yurnevna bei einem Auftritt mit ihrer fränkisch-ukrainischen Band 'Myr' beim Benefizkonzert im Schweinfurter Stattbahnhof am 18. April. Eugen de Ryck an der Gitarre (links) und Rainer Berneth an den Percussions.
Foto: Steffen Krapf | Die ukrainische Musikerin Tatyana Yurnevna bei einem Auftritt mit ihrer fränkisch-ukrainischen Band "Myr" beim Benefizkonzert im Schweinfurter Stattbahnhof am 18. April.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 02.05.2022 02:23 Uhr

"Myr" ist das ukrainische Wort für Frieden – und der Name einer außergewöhnlichen Band in außergewöhnlichen Zeiten. Jüngst saßen sich in einem Musikstudio in Schwebheim Hausherr Eugen de Ryck, sein langjähriger musikalischer Weggefährte Rainer Berneth und zwei aus der Ukraine geflüchtete Frauen gegenüber.

Der Umgang untereinander ist bemerkenswert, es gelingt trotz der bedrückenden Gesprächsthemen fast spielerisch, auch wieder Sekunden und Minuten des Herumalberns und des ausgelassenen Lachens zu genießen. Sängerin Tatyana Yurnevna hat ihre Freundin Yuliya, eine Englischlehrerin, mitgebracht, um die Kommunikation zu erleichtern.

Die ukrainische Musikerin Tatyana Yurnevna mit ihrem neuen Band-Kollegen Eugen de Ryck in dessen Schwebheimer Musikstudio.
Foto: Steffen Krapf | Die ukrainische Musikerin Tatyana Yurnevna mit ihrem neuen Band-Kollegen Eugen de Ryck in dessen Schwebheimer Musikstudio.

Vor zehn Jahren fand die heute 34 Jahre alte Yurnevna aus Pawlohrad, einer Großstadt in der Oblast Dnipropetrowsk im Zentrum der Ukraine, zur Musik. Zunächst über Auftritte in einer Karaoke-Bar, später reifte eine echte musikalische Karriere, als Gesangslehrerin, Komponistin und Sängerin ihrer Band "Taya". Für ihre Heimatstadt hat sie sogar eine Hymne geschrieben.

Es fühle sich alles so an, wie Geschichten aus einem vergangenen Leben zu erzählen, bemerkt ihre Freundin Yuliya. Am 24. März entschlossen sich die Frauen zu fliehen, wie es Präsident Wolodymr Selenskyj Frauen und Kindern empfohlen hat. Kurz nach der Flucht, als sie gerade Polen erreichten, fielen in Pawlohrad die ersten Bomben. Yurnevna nahm ihre kleine Tochter und ihre 16 Jahre alte Schwester mit, Yuliya hat ihre zwei Kinder dabei.

Das wichtigste sei, dass die Kinder in Sicherheit sind. "Wir sind sehr besorgt um unser Land und unsere Familien", sagt Yurnevna. Die Flucht führte zuerst ins sächsische Döbeln, bevor die Frauen eine besondere Einladung erhielten. Pia Praetorius von der Musikakademie im Schloss Weißenbrunn kontaktierte Yurnevna über das soziale Netzwerk Instagram, um in ihrem Haus zu leben. Es war der Türöffner dafür, auch auf der Flucht der großen Leidenschaft Musik nachgehen zu können – und mit anderen Musikern in Kontakt treten zu können.

Wie mit Eugen de Ryck und Rainer Berneth, die nach einem gemeinsamen Auftritt in Zeil bei einem Benefizkonzert beschlossen haben, künftig gemeinsam Musik zu machen. Das Projekt "Myr" war geboren. Vor dem Krieg sang Yurnevna über Liebe, Sehnsucht, Gefühle, Beziehungen zwischen Menschen. Jetzt versucht sie in ihrer Musik den Krieg zu verarbeiten.

"Wie kann man mit Musik hier Geld verdienen", fragte eine andere ukrainische Musikerin beim besagten Konzert de Ryck und Berneth, erinnern sie sich. "Das versuchen wir seit über 30 Jahren herauszufinden", sagt Berneth und lacht herzlich. Im Eiltempo besorgten beide ihrem deutsch-ukrainischen Projekt Konzert-Auftritte und sogar TV-Auftritte. Innerhalb kürzester Zeit entstanden bereits sechs gemeinsame Songs.

"Ich hoffe, ich kann meinem Land mit meiner Musik helfen."
Tatyana Yurnevna, ukrainische Musikerin

"Musik ist mir sehr wichtig – überall", erklärt Yurnevna. "Wenn ich singe, kann ich mit Menschen kommunizieren und ihnen meine Gefühle und Emotionen mitteilen." Aktuell spielt sie mit dem Gedanken, künftig vielleicht auf Englisch statt wie bisher auf Ukrainisch zu singen, um mit den Inhalten ihrer Lieder noch mehr Menschen zu erreichen. "Ich hoffe, ich kann meinem Land mit meiner Musik helfen."

Nicht immer sei es einfach hier Musik zu machen, wenn zu Hause der Krieg tobt. Es ist eine gewaltige Stresssituation für die junge Frau. Die Stunden des gemeinsamen Musizierens in Schwebheim geben ihr viel. "Letzt hat sie mir gesagt, ich muss wie Santana spielen", erzählt de Ryck eine lustige Anekdote aus eine der letzten Sessions. "Wir machen einfach gemeinsam Musik", fügt er an. Der erfahrene Musiker schwärmt vom großen Talent der Ukrainerin. "Die kann richtig was."

Für das gemeinsame Friedensmusik-Projekt hat de Ryck schon ein namhaftes Label an der Angel, verrät er. Für eine Band, die erst seit drei Wochen besteht, ist das bislang Erreichte mehr als beachtlich. Musik verbindet und kann Gutes bewirken. Yurnevna weiß das – und sie atmet tief durch und sagt: "Wir haben Angst, dass die Welt uns vergisst". Mit ihrer Stimme und de Ryck an der Gitarre, Berneth an den Percussions und dem dritten Bandmitglied Lutz Mays am Bass, möchte sie das mit "Myr" verhindern.

 
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