zurück
Sechs Mann springen ab, vier bleiben an Bord
Gerolzhofen Der beim 2. Tagangriff der 8. US-Luftflotte auf Schweinfurt am 14. Oktober 1943 schwer beschädigten "Iron Maiden" geht kurz vor Gerolzhofen immer mehr die Luft aus. Alle vier Motoren des Bombers sind inzwischen ausgefallen. Pilot und Kommandant Roland H. Martin hat deshalb wenige Tage vor seinem 20.
Da liegt sie nun, die       -  Da liegt sie nun, die schwer getroffene und beschädigte 'Eiserne Jungfrau' (Iron Maiden) nach ihrer 'Niederkunft' unterhalb der Waldesruh zwischen Dingolshausen und Gerolzhofen. Dem
noch nicht einmal 20 Jahre alten Piloten Roland H. Martin jr - sein Vater flog bereits im Ersten Weltkrieg - gelingt damit am 14. Oktober 1943 beim zweiten Luftangriff der Amerikaner auf
Schweinfurt im Zweiten Weltkrieg ein Meisterstück. Er findet in dem terrassenförmigen Gelände die richtige Einflugschneise, obwohl der Bomber nach dem Ausfall aller vier Motoren über
keinerlei Schubkraft mehr verfügt und auch die Landesteuerung beschädigt ist. Obendrein befindet sich die Maschine fest im Griff deutscher Jagdflugzeuge, seitdem sie nach schweren
Treffern kurz nach der Bombardierung Schweinfurts aus der Formation herausgefallen ist. Das Bild stellte uns Egon Lutz aus Neuhausen zur Verfügung.
Foto: REPRODUKTION NORBERT VOLLMANN | Da liegt sie nun, die schwer getroffene und beschädigte "Eiserne Jungfrau" (Iron Maiden) nach ihrer "Niederkunft" unterhalb der Waldesruh zwischen Dingolshausen und Gerolzhofen.
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Roland Martin: "Mit vier oder drei funktionierenden Motoren hätte ich der Crew gesagt, wir kämpfen uns zu unserem Stützpunkt nach England zurück und sie wären an ihre Maschinengewehre gegangen. Mit zwei oder mindestens noch einem intakten Motor hätte ich ihnen erklärt, wir fliegen in Richtung neutrale Schweiz. Und sie hätten genickt. Aber so, ohne jegliche Schubkraft und dahinsegelnd wie ein Backstein fiel die Entscheidung von selbst!".

Heckschütze Adam Janik aus Chicago im Bundesstaat Illinois, der Benjamin an Bord, krabbelt aus dem Hinterteil des Flugzeugs hinzu, um dem schwer verletzten Funker Edwin Mattern zusammen mit dem Schützen auf der linken Rumpfseite, Daniel Sirianni, im Mittelteil in seinen Fallschirm zu helfen. Beide beschmieren dabei ihre Fliegeranzüge von oben bis unten mit dem Blut des Kameraden, der ein Auge und ein Bein verlieren wird. Adam Janik sieht in diesem Moment das große Loch und die anderen Einschläge, die die Geschosse ins Funkerabteil gerissen haben. Das Heck, die Flugzeugnase und der linke Flügel sehen aber auch nicht viel besser aus. Die "Jungfrau" ist regelrecht zersiebt.

Im Bug zieht sich derweil Navigator Daniel Maher seinen Fallschirm an und drückt den anderen seinem Bombenschützen Irving Rittenberg in die Hand. Der hat aber Probleme, den Schirm aufzusetzen. Maher bedeutet Rittenberg, sich zu beeilen. Doch jetzt muss er sich um sich selber kümmern. Die Zeit drängt. Weil seine Finger entweder vor Kälte klamm sind oder die Ausstiegsklappe an der linken Seite im Bug des Flugzeugs zugefroren ist, bekommt er sie nicht auf. Daraufhin tritt er sich kurzerhand den Weg frei.

Die Rettungsluken klemmen

Ähnliche Probleme gibt es mit der Rettungsluke im Mittelteil. Sie ist durch die Treffer der Flakkanoniere und der deutschen Bordschützen beschädigt. Als sie Adam Janik öffnen will, hat er plötzlich den an Drähten hängenden Türgriff in der Hand. Mit Hilfe von Daniel Sirianni gelingt es schließlich auch hier, den versperrten Zugang zu öffnen.

Dann geht es Schlag auf Schlag. Während die sich aus Richtung Vögnitz/Bischwind nähernde Maschine vor Gerolzhofen nach links in Richtung Neuer See eindreht, steigen sechs Besatzungsmitglieder aus und springen hintereinander nach rechts in Richtung "Mahlholz" ab.

Den Anfang macht Navigator Daniel Maher aus der Rettungsluke links unterhalb des Cockpits. Dann wird Edwin Mattern mehr oder weniger aus dem Mittelteil hinausbefördert. Als nach ihm auch Adam Janik, Daniel Sirianni, Elihu Peacock und John Cihonski in die Tiefe fallen, können sie schon den weißen Schirm von Daniel Maher unter sich aufgehen sehen.

Jagdflugzeug umkreist Fallschirm

Daniel Sirianni hat in diesem Moment bereits mit seinem Leben abgeschlossen. Im freien Fall wird er mehrmals von einem deutschen Jagdflugzeug umkreist und denkt sich: Das ist das Ende. Doch die Achtung ist offenbar voreinander groß. Auge in Auge mit dem amerikanischen Fallschirmspringer winkt ihm der deutsche Pilot schließlich kurz zu und dreht ab, um sich wieder ganz der weiteren Verfolgung des Bombers zu widmen. Ein Erlebnis, das der Rumpfschütze italienischer Abstammung nie vergessen hat. Er wird dem feindlichen Piloten sein Leben lang dankbar sein.

Weil jegliche Verbindung und Verständigung aufgrund der ausgefallenen Bordsprechanlage abgerissen ist, hat man im Cockpit zu dieser Zeit keine Ahnung, ob im hinteren Teil des Flugzeugs alles geklappt hat. Roland Martin bittet deshalb Bordmechaniker Nicholas Macri, durch die leere Bombenkammer und das Funkerabteil nach hinten zugehen und ihm Bericht zu erstatten.

Der tut, was ihm befohlen wird. Auf dem Rückweg bleibt der Schütze im oberen Turm mit seinem Fallschirm auf dem Rücken im schmalen Durchgang zur Bombenkammer stecken. Macri streift daraufhin den Ballast kurzerhand ab und kriecht wegen der Ausweichmanöver, die der Pilot immer wieder gegen die ständig attackierenden deutschen Jagdflugzeuge unternimmt, weiter auf Händen und Knien in die Kanzel zurück. Dort angekommen, kann er Roland Martin Vollzug melden. Alle fünf Mann im hinteren Teil haben wie schon zuvor Daniel Maher, wie ihnen befohlen wurde, das Flugzeug verlassen.

Einer verpasst den Absprung

Im Bug hat Bombardier Irving Rittenberg den Absprung allerdings buchstäblich verpasst. Sei es, weil der Fallschirm beim Anschnallen Probleme bereitet, sei es, weil er sich zu sehr darauf konzentriert, die Angreifer aus dem Bug heraus zu beschießen, oder sei es, weil er in dieser Phase, in der es um Leben und Tod geht, einfach "durch den Wind" ist. Roland Martin: "Unter dem gewaltigen nervlichen Druck, der auf uns lastete, machten wir alle Dinge, die schwer zu erklären sind". Nun sind sie jedenfalls nur noch zu viert an Bord der Iron Maiden.

Während die sechs anderen an ihren Fallschirmen über dem Wald im Raum Wiebelsberg/Mutzenroth/Oberschwarzach nach unten driften, schleicht die "Iron Maiden" entlang. Die Machine fliegt vorbei an Waldesruh und Murrleinsnest in Richtung Michelau und Geusfeld. Dann dreht der Riesenvogel und kehrt wieder über Michelau zum Mahlholz zurück, also dorthin, wo die anderen zuvor abgesprungen sind. Für den Fall des Falles hält Martin trotz aller Bedrängnis bereits immer wieder Ausschau nach einer günstig erscheinenden Landestelle in der Nähe des schützenden Waldes.

Die Maschine fällt unterdessen immer schneller und hat nur noch eine Flughöhe von 600 Metern als Macri in die Kanzel zurückkommt.

Diese Aufnahme zeigt vermutlich den       -  Diese Aufnahme zeigt vermutlich den Treffer, der Funker Edwin Mattern
an Bord der unterhalb der Waldesruh notgelandeten 'Eiserne Jungfrau'
(Iron Maiden) am 14. Oktober 1943 beim zweiten Luftangriff der
Amerikaner auf Schweinfurt ein Auge und ein Bein kosten soll. Links ist an der
Unterseite die Stelle zu sehen, an der vermutlich ein Flakgeschoss
einschlug, um an der Oberseite des Rumpfes auf der anderen Seite wieder
auszutreten, wie die aufgeschlitzte Außenhaut zeigt. Das Bild stammt
ebenfalls von Egon Lutz aus Neuhausen.
Foto: REPRO NORBERT VOLLMANN | Diese Aufnahme zeigt vermutlich den Treffer, der Funker Edwin Mattern an Bord der unterhalb der Waldesruh notgelandeten "Eiserne Jungfrau" (Iron Maiden) am 14. Oktober 1943 beim zweiten Luftangriff der Amerikaner auf ...
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top