Handwerk kann etwas sehr Romantisches sein: "Meine erste große Liebe war ein italienischer Geigenbauer in Mailand", sagt Annette Stephany, die am Graben ihre selbstgebauten Gitarren präsentiert, beim "Tag der offenen Werkstätten".
Die Liebe zu historischen Instrumenten ist geblieben: Stephany hat ihre rare Kunst in Mittenwald gelernt. In ihrer Werkstatt stellt sie handgefertige Gitarren für den internationalen Markt her, von Dubai bis in die USA. Sie habe einmal ein Angebot bekommen, in einer Gitarrenfabrik in China zu arbeiten, sagt die gebürtige Schwarzwälderin: "Dort wäre ich dann für 30 000 Arbeiter zuständig gewesen". Nein danke: Massenware ist bei Stephany, die auch Gitarren restauriert, definitiv nicht angesagt. Jedes Stück ist ein Unikat, in mehreren Wochen angefertigt. Als Signatur ihrer Lieblinge dient die Rosette, der Schmuck um das Schall-Loch: 20 482 Holzstückchen hat Stephanie in einem besonders edlen Werk verarbeitet.
In zehn Werkstätten durfte am Samstag manch unbekannte, aber stimmungsvolle Saite und Seite der Stadt entdeckt werde, wenn auch bei überschaubarem Andrang. Linda Gahn-Becker weihte am Zeughaus in die Schoko-Kunst ein, mit Monika Schmidt. In der "Chocolaterie Molina" stand ihr Theresa (13) zur Seite, die dort einen Praktikumstag absolviert hat. Mit dabei waren die stolzen Eltern Monika und Sebastian Remelé, seines Zeichens Oberbürgermeister. "Schoko" ist durchaus ein politisch brisantes Thema: dem Werbebild vom lächelnd Schokolade rührenden "Maitre" zum Trotz.
Gahn-Becker legt Wert darauf, das im Haus reine Kakaobutter in Trüffelpraline & Co Verwendung findet. Es muss ja nicht immer die noble Porcelana-Schokolade sein. Gerade bei den Großen der Branche werde gerne zu Palm- oder gar Reinfett gegriffen, kritisiert eine Besucherin. "Wir haben in Deutschland eine Bäcker-und Konditor-Kultur, aber keine Schokoladen-Kultur", bestätigt die Chefin, die zudem nur Kakao-Produkte verwendet, die nachweislich nicht aus Kinderarbeit stammen. Noch eine spannende Frage in der Vor-Vorweihnachtszeit: Ist Schokolade gesund? "Sie ist ein Genussmittel." Die Ganache, die Flüssigschokolade, die das Duo nach raffinierter Rezeptur auf den Tisch zaubert, soll das "Ultimative für die Donauwelle" sein.
Ein Handwerks-Exot ist die "Strohmarketerie": Die Werkstatt von Mélanie Richet in der Neuen Gasse ist nur eine von drei Betrieben in Deutschland. Die Künstlerin aus Soissons in Nordfrankreich ist eine der Hauptinitatiorinnen des Werkstatt-Tages. Vom glänzenden Strohbild bis zum filigranen Möbelschmuck ist der nachwachsende Rohstoff vielseitig einsetzbar: das (gefärbte) Roggenstroh wird nur zu diesem Zweck von einem burgundischen Bauern angebaut. Vor allem in Notzeiten wurde bei Bucheinbindungen gerne nach dem Strohhalm gegriffen. "Stroh verzeiht nichts", weiß Richet, die ihr Material Halm für Halm aufspaltet, glättet, schneidet, aufklebt: Jeder Leimfleck sei gnadenlos sichtbar.
Um den richtigen Rahmen ging es in der Buchbinderei von Peter Oberhofer, zwischen Markt und Johanniskirche, wo auch Bilderrahmen vergoldet und anderweitig aufgepeppt werden. "Die kleine Kafferrösterei" in der Rückertstraße warf ihren "Diedrich Roaster" an, made in Idaho. "O Sole mio" hieß es bei Piano Foerster in der Metzgergasse: Eike Foerster präsentierte ein altes Pianola von 1908, Modell "Saloon-Klavier". Dank Lochstreifen-Automatik und Saugluft-Antrieb spielt sich das Piano selbst, Oliver Schwab begleitete an der Geige. Dazu zeigte die gelernte Vergolderin und Fassmalerin Andrea Back ihre Dauerausstellung: eine goldene Hommage der Wettringer Kunsthandwerkerin an die Schönheit der Natur.
Edelmetall gab es auch bei Goldschmiedin Yvonne Graml Bernhardt zu bestaunen, in der Kirchgasse. Nicht ganz so formbeständig waren die Pretiosen von Thomas Firsching: Bei "Eisgeliebt" am Schillerplatz gibt es die eiskalten Desserts nur mit natürlichen Inhaltsstoffen. Bildhauerin Steff Bauer schuf derweil in der Friedhofstraße eine Skulptur, live vor Publikum, mit Hammer und Meißel.