
Silvester ist die hohe Zeit der "Fledermaus", der Meister-Operette von Johann Strauß. Auf vielen Theater-Spielplänen taucht sie auf, auch an großen Opernhäusern wird sie gespielt. Das hat seinen Grund: Gerade dieses mitreißende Werk der "Goldenen Operettenära" begeistert sein Publikum immer wieder aufs Neue durch seine kompositorische Kunstfertigkeit, durch den Rausch der musikalischen Einfälle und durch seine originelle Orchestrierung.
Auch das Schweinfurter Publikum kam in den Genuss dieser Champagner sprudelnden Operette, denn Intendant Christof Wahlefeld konnte dafür zwei Aufführungen des Operettentheaters Salzburg gewinnen. Um es vorweg zu sagen: Es wurde ein höchst vergnüglicher Abend, eine gelungene Einstimmung auf den Jahreswechsel.
Diesmal wurde die Operette als Gala, als so genannte halbszenische Aufführung präsentiert: Das Orchester aus Musikern der rumänischen Philharmonie Arad unter der Leitung von Christian Pollack hatte auf der Bühne Platz genommen. Vielleicht vermisste man zunächst das Bühnenbild oder den Chor, doch die neun Protagonisten auf der Vorderbühne ließen mit ihrem Rollenwechsel und Verstellungsspiel solche Einwände schnell vergessen. Außerdem war diese Lösung ideal für eine vorübergehende Spielstätte ohne Orchestergraben.
Slbowitz schärft den Blick
Gerichtsdiener Frosch, Paraderolle vieler Komödianten wie Hans Moser oder Karl Valentin, wurde von Regisseurin Lucia Meschwitz befördert. Frosch tritt schon im ersten Akt als Conferencier auf, der die Handlungsstränge etwas entwirrt. Er behält trotz aller Turbulenzen stets die Übersicht, der Slibowitz schärft seinen Blick. Manfred Schwaiger macht daraus ein großartiges Kabinettstück aus Comedy und Schlagfertigkeit.

"Wos g'schiacht?" Der Notar Dr. Falke (Christian Drescher) wurde einst vom befreundeten Lebemann Gabriel von Eisenstein (Martin Fösel) in einem Junggesellenstreich gedemütigt. Nun will er sich mit einer Intrige an ihm rächen. Falke sorgt dafür, dass die Zofe Adele (Anita Tauber) als Schauspielerin, Einsteins Gattin Rosalinde (Astrid Lazar) als ungarische Gräfin und Einstein selbst als französischer Marquis den Ball des Prinzen Orlofsky (Judita Andelovàr) besuchen. Mit dem Gefängnisdirektor Frank (Philipp Landgraf) und dem in Rosalinde Gesangslehrer Alfred (Thomas Markus) sind die Akteure des Maskeradenspiels komplett.
Makellos interpretiert das kleine Orchester die weltbekannte Ouvertüre, vom ungestümen Vivace-Beginn bis zu den verwegenen Piccolo-Schlusstakten. Bravourös schlägt sich Anita Tauber als Adele, sie hatte die Rolle erst vor drei Tagen übernehmen müssen. Mit perlenden Koloraturen glänzt sie in "Mein Herr Marquis", mit komödiantischem Talent präsentiert sie "Spiel ich die Unschuld vom Lande".
Glücklich ist, wer vergisst
Alle Solisten bieten gute sängerische wie auch darstellerische Qualitäten, manchmal fallen fehlende Piano-Höhen oder zu große Lautstärke auf. Die Künstler bringen den Reichtum der Walzer-, Polka- und Csàrdàs-Melodien zum Leuchten: "Glücklich ist, wer vergisst", "Es ist bei uns so Sitte", "Oje, oje, wie rührt mich dies", "Brüderlein und Schwesterlein" oder "Klänge der Heimat". Und einen Silvesterknaller gibt es auch noch: Zwei Solistenpaare der Staatsoper Brasov zeigen ihr Können mit einem Spitzentanz zum Walzer "Rosen aus dem Süden".

Großer Applaus zu Ende eines beschwingten Abends und hoher Respekt für das Tournee-Ensemble, das in dieser Jahreszeit durch Deutschland tourt und sein Publikum daran erinnert, dass es neben Depression und Krieg auch noch Neuanfang, Freude und Unterhaltung gibt – und geben muss. Zu Beginn hatte Intendant Christof Wahlefeld das Publikum bei der ausverkauften Silvester-Gala begrüßt. Jetzt sei die Zeit der Jahresrückblicke, die gerade heuer beängstigend und frustrierend ausfalle. Doch es gäbe ja auch gut gelaufene Dinge: "Im Schweinfurter Theater jedenfalls geht es aufwärts"! Belief sich im Jahr 2022 die Auslastung bei 40 Prozent, so habe sie in diesem Jahr 80,4 Prozent erreicht.