Anfang März dieses Jahres: Der 62-jährige Kraftfahrer fährt mit seinem Müll-Laster von der A 70 ab Richtung Bergrheinfeld. Auf der Abbiegespur überholt ihn ein schwarzer Mercedes-SUV, schert urplötzlich, nur rund drei Meter vor ihm, ein – und bremst bis zum Stillstand ab. Der Lkw-Fahrer "steigt in die Eisen", kann ein Auffahren gerade noch vermeiden, sein Beifahrer rutscht nach vorne fast vom Sitz.
Der SUV-Fahrer gibt wieder Gas, steuert nach gut 200 Metern auf die Gegenfahrbahn, auf der ihm zwei Pkw entgegenkommen. Erst knapp vor diesen beiden Fahrzeugen lenkt er sein PS-starkes Gefährt wieder auf die rechte Fahrspur.
So schildert der Zeuge im Müllauto das rätselhafte wie hochgefährliche Manöver des Mercedes-Fahrers, der wenig später ermittelt werden konnte und sich nun vor Großen Strafkammer des Landgerichts dazu erklären soll. Er befindet sich nach kurzer Untersuchungshaft seit dem 22. April in einem psychiatrischen Krankenhaus. Vor Gericht sitzt er nicht als Angeklagter, sondern als "Beschuldigter", der diese Tat und etliche weitere dieser Art im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben soll.
Beschuldigter soll sein Auto in den Gegenverkehr gesteuert haben
Laut Antragsschrift der Staatsanwaltschaft soll der Mann zwischen dem 4. und 14. März in acht Fällen Verkehrsteilnehmer entweder nach Überholen durch willkürlich-abruptes Abbremsen zur Vollbremsung genötigt haben, um ein Auffahren zu vermeiden. Oder er soll sein Auto absichtlich in den Gegenverkehr gesteuert haben, um die Entgegenkommenden zum Abbremsen oder Ausweichen zu zwingen. Kurz vor einem Zusammenstoß sei er auf seine Spur zurück gewechselt. Ein Opfer dieser Fahrweise soll bis zum Stillstand abgebremst haben, um einen Crash zu vermeiden.
In seiner Nachbarschaft im Landkreis Schweinfurt soll der Physiotherapeut außerdem eine Haustür und ein Trampolin demoliert und damit Schäden in Höhe von rund 800 Euro verursacht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr mit Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung in acht Fällen vor, ferner versuchte Nötigung sowie Sachbeschädigung in drei Fällen.
38-Jähriger kann sich laut Anwalt an nichts erinnern
Aber: Nach dem vorläufigen Bericht des psychiatrischen Sachverständigen leidet der 38-Jährige an einer "Störung aus dem Bereich der Schizophrenien, schizotypen und wahnhaften Störungen". Deshalb war er laut Staatsanwältin "nicht in der Lage, das Unrecht der Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln".
Was sagt der Beschuldigte dazu? Sein Verteidiger gibt eine Erklärung ab, wonach der Mann "sämtliche Vorwürfe nicht in Abrede stellt" und keine Zweifel habe, "dass die Zeugen die Wahrheit sagen". Er selbst könne sich jedoch "nicht aktiv an die Vorkommnisse erinnern", sei aber froh, dass letztlich niemand durch sein Verhalten zu Schaden gekommen sei.
Sein Mandant "konnte sich gar nicht vorstellen, dass er diese Vorfälle zu verantworten hat", so der Verteidiger weiter. Ihm sei klar, dass diese eine Folge seiner Erkrankung seien. Die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus tue ihm gut. Und: "Er weiß, dieser Weg ist nicht zu Ende, sondern eine Lebensaufgabe."
Für das Sicherungsverfahren sind vier weitere Verhandlungstage terminiert, der letzte am 23. Dezember.