Die Toten Hosen, Ärzte-Sänger Farin Urlaub, die Sportfreunde Stiller, Olli Schulz, Casper – alle standen sie bereits auf der Bühne des Schweinfurter Stattbahnhofs. "Aber keine Band spielte so oft wie wir im Stattbahnhof", ist sich Thomas Tille sicher. Gemeint sind mit "wir" die Scallwags, eine Schweinfurter Punkrock-Band, in der Tille Sänger und Gitarrist ist.
Als "Kinder des Stattbahnhofs" war die Band im Grunde immer da – seit Bestehen des Kulturhauses. 1996 gründete Tille mit drei Freunden die Band, ein Jahr später öffnete der Stattbahnhof als Nachfolger der "Schreinerei" seine Pforten. "Der Stattbahnhof ist zu so etwas wie unserem Wohnzimmer geworden", erzählt Scallwags-Frontmann Tille bevor er in Zeiten von Corona, in denen bis auf weiteres weder Konzerte noch Bandproben möglich sind, ein paar alte Anekdoten aus dem Gedächtnis kramt.
In den Anfangstagen spielte die Band gerne und häufig Support-Shows für US-Bands, die auf ihren Touren natürlich auch Halt in Schweinfurt machten – dem Stattbahnhof sei Dank. Die gemeinsamen Konzerte mit der Bostoner Hardcore-Band "Gang Green" blieben Tille besonders in Erinnerung: "Die Typen waren richtig durchgeknallt." Eine Beschreibung, die auch zu Vom Ritchie, dem heutigen Schlagzeuger der Toten Hosen, passen dürfte. Mit dem Engländer verbindet die Scallwags ebenfalls eine schöne und etwas skurrile Geschichte.
Kurz vor dessen Engagement bei den Düsseldorfer Punkrock-Giganten 1998, trat Ritchie mit seiner englischen Band "999" im Stattbahnhof auf. Die Scallwags eröffneten den feuchtfröhlichen Abend auf der Bühne. "Nach dem vierten, fünften Bierchen hat er uns später Backstage erzählt, dass er der neue Schlagzeuger der Toten Hosen sei. Wir haben ihn daraufhin nur ausgelacht und ihm noch ein Bier spendiert." Zwei Wochen später las Tille ein Interview mit den Toten Hosen in einem Musikmagazin und traute seinen Augen nicht: "Da stellten die wirklich diesen Typen vor." Eine von unzähligen Musik-Geschichten, die sich in der Alten Bahnhofstraße ereignet haben.
Längst hat sich der "Statti" zu einer deutschlandweit bekannten und geschätzten Konzert-Location entwickelt. "Um einen Laden zu finden, der ein ähnliches Niveau – auch an internationalen Konzerten aufweisen kann, musst du von hier mindestens 100 Kilometer weit fahren", betont Tille, der zudem hervorhebt, wie wichtig es für Bands ist, so einen Ort in der Stadt zu haben: "Du brauchst einfach Räume, in denen Kultur stattfinden kann."
Natürlich wird sich die Frage stellen, ob der Stattbahnhof die Corona-Krise überstehen wird. "Subkultur braucht einen Rahmen. Diese Lücke wäre schwer zu schließen", warnt Tille. Einnahmen bleiben ohne Kneipen- und Konzertbetrieb aus, laufende Kosten müssen dennoch beglichen werden. Als gemeinnütziger Verein war es zudem in der Vergangenheit nicht möglich, hohe Rücklagen zu bilden. Ob und welche Hilfen der Stattbahnhof bekommt oder in Anspruch nehmen kann, ist noch unklar. Zu reinen Geldspenden will man vorerst trotzdem nicht aufrufen.
"Wer uns was gibt, soll auch etwas zurückkriegen", findet Flo Streibich vom Stattbahnhof. Aus dieser Prämisse heraus entstand die Idee einen Onlineshop auf der eigenen Internetseite anzubieten. Neben eigenen Stattbahnhof-Artikeln gibt es dort auch Merchandise-Artikel und Tonträger von Bands aus der Umgebung – gespendet von den Bands. Der Erlös geht zu Gunsten des Stattbahnhofs. Mit in der Produktpalette ist neben Gesichtsmasken im Leopardenmuster, beispielsweise auch ein alkoholisches Mischgetränk namens "SWC-Sauer" – eigentlich nur erhältlich an der Theke im Stattbahnhof. Nicht fehlen dürfen selbstverständlich auch T-Shirts und CDs der Scallwags, die ihrem Stattbahnhof wie immer zur Seite stehen. "Wir sollten auf keinen Fall schon so reden, als gäbe es den Laden nicht mehr, sondern wir sollten alles dafür tun, dass der Stattbahnhof sobald es wieder erlaubt ist, seinen Betrieb wieder aufnehmen kann", so Tille.