In Frankreich kommt es bekanntlich auf die feinen Akzente an. Auch wenn Châteaudun offiziell zur Zentralregion des Loiretals zählt: Das namensgebende Château, sprich, das markante Schloss der Schweinfurter Partnerstadt, erhebt sich hoch über "dem" Loir, nicht "der" Loire. Knapp 13.000 Einwohner zählt die malerische Stadt, die weniger mit Industrie als französischer Hochkultur und einer geschichtsträchtigen Landschaft inmitten riesiger Weizenfelder und landwirtschaftlichen Betrieben gesegnet ist.
Der markante Donjon oder Wehrturm wurde Ende des zwölften Jahrhunderts erbaut. Im Spätmittelalter residierte hier, zwischen Paris und der Normandie, Graf Jean de Dunois, als Mitstreiter von Jeanne d´Arc, der Jungfrau von Orléans. 1723 musste die Stadt nach einem Großbrand neu aufgebaut werden.
Der Bauherr entstammte wiederum der berühmten Architektenfamilie Mansart (die den Mansardendächern ihren Namen gegeben haben). Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 hat Châteaudun stark gelitten. Am 18. Oktober 1870 wurde die Stadt von Preußen und Bayern attackiert, es gab großflächige Zerstörungen.
"In der Schlacht waren auch Schweinfurter Soldaten dabei", hat Meta Vogel-Jehli festgestellt, als Vorsitzende des Freundeskreises Châteaudun. Die seien sogar namentlich bekannt. Im Gedenkjahr 2020 hatte es einen gut besuchten Vortrag von Dr. Rudolf Kreutner über dieses Thema gegeben, nach Hinweisen von Pfarrer a.D. und Geschichtsforscher Dieter Schorn.
Der Verein "Freundeskreis Châteaudun" wurde 2009 gegründet und zählt mittlerweile mehr als 200 Mitglieder. Die Städtepartnerschaft selbst, die mithelfen sollte, die angebliche deutsch-französische "Erbfeindschaft" zu besiegen und gemeinsam am Haus Europa zu bauen, wird nun 60 Jahre alt. 1963 war das Jahr des Élyséevertrags, der die Freundschaft beider Nationen begründet hat, nach den Schrecken zweier Weltkriege. Es herrschten Euphorie und Aufbruchsstimmung. Ein Schweinfurter Lehrer und Stadtratsmitglied, Gerhard Sooß, freundete sich im Urlaub mit einem "Dunois", einem Einwohner von Châteaudun an. Daraus entwickelten sich rege Kontakte zwischen dem Vorläufer des Humboldt-Gymnasiums und dem Lycée Emile Zola.
Am 17. April 1964 wurde der Jumelage-Vertrag durch die Bürgermeister Henri Bonnet und Georg Wichtermann unterzeichnet. Ging es anfangs um die Versöhnung und das sich besser Kennenlernen, steht heute der europäische Gedanke im Vordergrund. Der Verein selbst wird Ende März 15 Jahre alt. An jedem 14. Juli wird der französische Nationalfeiertag mit einem Gartenfest zelebriert, dazu gesellen sich Chansonabende, Petanque- oder Boule-Turniere sowie alljährliche Reisen zum Nachbarn. Kurt Vogel, der Ehemann von Meta Vogel-Jehli, hat schon in den 80er-Jahren Radfernfahrten in die Partnerstadt organisiert. Dazu kamen Praktika junger Franzosen in der Schweinfurter Industrie, mit Betreuung und Freizeitangebot.
Mitte März kommen Schüler und Lehrer aus der Schule Sainte Cécile an den Main, für ein gemeinsames Projekt mit der Sattler-Realschule. "Die Leiterin Sylvie Poirier war selbst Austauschschülerin von 1964", erinnert sich Meta Vogel-Jehli. Über etwaige Sprachbarrieren helfe der Jugend Englisch oder das Internet-Übersetzungsprogramm Bab.la.
Die BOS/FOS bemühe sich in Châteaudun aktuell um Praktikumsplätze und Austausch, was von der dortigen Zweiten Bürgermeisterin Marianne Ferré und besonders der französischen Vereinsvorsitzenden Martine Provost voran getrieben werde. Vogel-Jehli verweist auf weitere starke Partner, wie Mireille und Gérard Champagne, die sich als Betreuer der Partnerschaft mit Schweinfurt hervorgetan haben. Vier Praktikanten der Landwirtschaftsschule de Nermont hat sie in hiesige Betriebe vermittelt.
Die Freundeskreisreise an die Côte d’Azur ist bereits ausgebucht. Für die Bürgerreise vom 24. bis 29. Mai sind noch Anmeldungen unter kontakt@freundeskreis-chateaudun.de oder telefonisch unter (0175) 7704668 möglich. Es gibt ein Programm vor Ort, Besuche der Loireschlösser sowie eine Stadtführung in Paris, mit Besuch des Parlaments, der Assemblée Nationale. Mittlerweile hat der Verein eine eigene Homepage (www.freundeskreis-chateaudun.de).
Der Verein in Schweinfurt wirbt vor allem um die nächste Generation, nachdem die Gründerväter hüben und drüben in die Jahre gekommen sind. Ein besonderes Anliegen im Jubiläumsjahr hat Dieter Bauer, vom AKI Förderkreis Industrie-, Handwerks- und Gewerbekultur Schweinfurt. Am 4. Mai 1985 wurde am Marktplatz vor dem Brauhaus ein Ständebaum aufgestellt, mit Zunftzeichen: "Anlass waren die Stadtmaifeste und das zehnjährige Jubiläum der Zusammenarbeit von Handel und Handwerk von Schweinfurt und Châteaudun".
Der Wappenbaum im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft wurde in der Zeit bis 1990 wieder abgebaut. Bauer sucht nun Bilder, die ihn komplett in der Frontalansicht zeigen, ebenso Hinweise auf den Verbleib der Wappenschilder: dieter.bauer@industriemuseum-schweinfurt.de.