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Sennfeld
Schweinfurter Lebenshilfe: Gleicher Lohn nach Lohnerhöhung
Weil die Werkstätten der Lebenshilfe nicht mehr Geld erwirtschaften, wird nach Erhöhung des Grundbetrags der Steigerungsbetrag um die gleiche Summe zusammengestrichen.
Die Werkstätten der Lebenshilfe Schweinfurt sind auf die Aufträge der schwächelnden Autoindustrie angewiesen. 'Steigende Kosten können wir nicht weitergeben', sagt Geschäftsführer Martin Groove. 
Foto: Gerd Landgraf | Die Werkstätten der Lebenshilfe Schweinfurt sind auf die Aufträge der schwächelnden Autoindustrie angewiesen. "Steigende Kosten können wir nicht weitergeben", sagt Geschäftsführer Martin Groove. 
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:14 Uhr

Unter der Rubrik "gut gemeint" ordnet die Lebenshilfe Schweinfurt die vom Gesetzgeber verfügte Verpflichtung zur Erhöhung des Grundbetrags beim Lohn für die Beschäftigen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung ein. Nicht nur gut gemeint, sondern uneingeschränkt gut wäre die Lohnerhöhung in den Augen von Martin Groove (Geschäftsführer der Lebenshilfe Schweinfurt e.V.), wenn der Verursacher, also der Gesetzgeber, auch die Finanzierung übernehmen und nicht der Lebenshilfe das Unmögliche überlassen würde.

Kritik an der Geschäftsführung

Aktuell sieht sich die Lebenshilfe dem Vorwurf ausgesetzt, einem Großteil der 1500 Beschäftigten in den Werkstätten Sennfeld, Hammelburg, Haßfurt-Augsfeld, Hohenroth, Nüdlingen sowie des Reha- und Arbeitswerks Schweinfurt und des Projekts "Mensch inklusive" (Hilfe bei der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt) die Erhöhung um neun Euro im Monat vorzuenthalten.

Im Gespräch mit der Redaktion räumen Groove, Günter Scheuring (Leiter der Werkstatt Sennfeld in der Gottlieb-Daimler-Straße 3 und Sprecher der Werkstätten) sowie Sebastian Helbig, der die verschiedenen Aspekte zur Finanzierung durchgerechnet hat, ein, dass sich dieser Eindruck ohne ein Forschen nach den Ursachen auch schnell einstelle.

Betreuung und Beschäftigung

Fakt sei, dass sich die Vergütung für den Mix aus Betreuung und Beschäftigung in den Werkstätten nicht mit dem Einkommen aus einer Erwerbsarbeit vergleichen lasse, weswegen von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zu sprechen sei. Unter der Zielvorgabe, Behinderte für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen, sei auch kein Mindestlohn zu zahlen.  

Bei den Leistungsträgern kommt die Lohnerhöhung beim Grundbetrag durch die Streichung beim Steigerungsbetrag nicht an.
Foto: Gerd Landgraf | Bei den Leistungsträgern kommt die Lohnerhöhung beim Grundbetrag durch die Streichung beim Steigerungsbetrag nicht an.

Der Lohn für die Beschäftigung in den Werkstätten setzt sich seit Januar aus dem um neun auf 89 Euro erhöhten Grundbetrag (unabhängig von der Arbeitsleistung), den 52 "durchgereichten" Euros aus der Arbeitsförderung und dem Steigerungsbetrag zusammen. Das Geld für den Grundbetrag wie auch für den Steigerungsbetrag muss jeweils durch die Werkstatt erarbeitet werden, wobei gilt, dass mindestens 70 Prozent der verdienten Euros an die Mitarbeiter auszuzahlen sind. Dass dem so ist, dass teilweise sogar über 85 Prozent des erwirtschaften Geldes an die Beschäftigten ausgezahlt wurden, ist der Lebenshilfe Schweinfurt durch eine externe Prüfung (auf freiwilliger Basis) bescheinigt. Die Restsumme von bis zu 30 Prozent wandert in die Lohnrücklage (für mindestens sechs Monate Lohn).

Erhöhung führt zur Kürzung

Seit Januar hat die Lebenshilfe Schweinfurt bei den Beschäftigten, die durch ihre Leistung in der Arbeit einen Steigerungsbetrag bekommen, monatlich neun Euro gekürzt, so dass sich der Lohn unterm Strich nicht verändert hat. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lohnerhöhung ist bei diesen Personen also nicht angekommen. Im Durchschnitt liegt der Lohn für die Beschäftigten der Werkstätten damit weiterhin im Durchschnitt bei knapp unter 300 Euro.

"Weil wir die Mehrausgaben nicht erwirtschaften und derzeit auch nicht erwirtschaften können", sagen dazu Scheuring und Groove, die bei den weiteren beschlossen Anhebungen beim Grundbetrag hoffen, dass die laufenden Gespräche der Betreiber und Unterstützer der Werkstätten mit dem Gesetzgeber zu einer für die Lebenshilfe neutralen Finanzierung führen. Steigen wird der Grundbetrag bis 2023 um 30 auf 119 Euro im Monat. Bleiben die Mehrkosten bei der Lebenshilfe, würden sich für diese im Jahr 600 000 Euro an zusätzlichen Lohnkosten summieren, hat Sebastian Helbig ausgerechnet. Das sei nicht zu stemmen, versichern Groove und Scheuring.

Breite Zustimmung

Abgestimmt ist das bisherige Vorgehen der Schweinfurter Lebenshilfe mit "allen Beteiligten", so Groove – mit den Werkstattleitungen, den Fachdiensten, dem Werkstattrat und den Vertrauenspersonen. 

 
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Kommentare
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  • A. S.
    Das ist doch unglaublich. Wieder muss das schwächste Glied der Kette, nämlich der Behinderte, die Missstände ausbaden. Was heißt, die Leitenden Mitarbeiter können nicht mehr Geld erwirtschaften? Möchte mal wissen, ob die "genannten Herren" bereit wären, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, wg Unfähigkeit.
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