Sie hatten ein tolles Projekt. Es war schon fast umgesetzt. Doch dann kam Corona und hat das Musikprojekt der P-Seminaristen am Schweinfurter Celtis-Gymnasium auf der Zielgeraden abgewürgt. Mit Kreativität in der Krise haben Schüler und Lehrer aber einen Weg gefunden, ihr Vorhaben doch noch zu verwirklichen. Zwar anders, aber nicht weniger interessant. Zu hören und zu sehen ist es seit diesem Donnerstag, 15. April, auf der Homepage des Celtis-Gymnasiums.
Ein Blick zurück: Im September 2019 startete Michael Styppa, Fachgruppenleiter Musik am Celtis-Gymnasium, mit seinen P-Seminaristen der Oberstufe das Praxisprojekt "Neue Klangfarben". Ziel war ein Konzert mit dem Detmolder Ensemble Horizonte. Die 16-köpfige Formation widmet sich in variablen Besetzungen hauptsächlich der zeitgenössischen Musik und arbeitet mit Theatern, Künstlern, Komponisten sowie Veranstaltern im In- und Ausland zusammen. Geplant war, mit dem Ensemble verschiedene Werke neuer Musik einzustudieren und diese dann bei einem gemeinsamen Abschlusskonzert zu präsentieren.
An bayerischen Gymnasien belegen alle Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe (11./12. Jahrgangsstufe) ein Projektseminar. Es soll ihnen helfen, eine Antwort zu finden, wo es beruflich hingehen könnte. In Kooperation mit einem externen Partner erarbeiten sie dabei über drei Halbjahre eigenständig ein Projekt, die Lehrkraft begleitet dieses im Hintergrund.
Corona-Ausbruch legte alle Aktivitäten mit Detmolder Ensemble lahm
Zum Auftakt des Praxisseminars war der künstlerische Leiter von Horizonte, Jörg-Peter Mittmann, ans Celtis gekommen und hatte in einem Workshop mit den Seminaristen das Stück "In C" geprobt. Ein Werk der Minimalmusik, das den US-amerikanischen Komponisten Terry Riley 1964 bekannt gemacht hat. "Er hat uns wertvolle Anregungen gegeben", sagt Michael Styppa. Es sollten noch mehrere Stücke mit ihm einstudiert werden. Zum Beispiel das von Mittmann 2002 komponierte Ensemblewerk "...mit Bach", eine Annäherung an das Choralvorspiel "Jesus bleibet meine Freude". Die Musik sollte bei der Aufführung mit einer Fotostrecke ergänzt werden.
Die Schülerinnen und Schüler hatten sich riesig auf die weitere Zusammenarbeit gefreut. Doch mit dem Corona-Ausbruch waren alle Aktivitäten mit dem Ensemble erst einmal auf Eis gelegt. Die musikalische Erarbeitungsphase der Konzertstücke fiel komplett der Pandemie zum Opfer. Wie es weiter ging, ist bekannt: Nach den Sommerferien entwickelte sich die Stadt zum Corona-Hot-Spot. Die Schüler wurden ins Homeschooling geschickt, das von Juli auf Oktober verschobene Konzert mit Horizonte musste letztlich abgesagt werden.
Fünf Minuten reines Händeklatschen
Das Projekt war dadurch aber nicht gestorben, die Schülerinnen und Schüler des P-Seminars realisieren es nun eben in anderer Form – als Online-Konzert, das auf der Homepage jetzt sogar für ein weltweites Publikum erlebbar ist. Freilich konnten nicht alle geplanten Stücke einstudiert werden, weil der externe Partner ja fehlte. Dafür sind aber andere Werke hinzugekommen und interessante Ideen zur Visualisierung entstanden. Zum Beispiel bei "Clapping Music", einer fünfminütigen Komposition von Steve Reich aus reinem Händeklatschen. Im Video sieht man keine Akteure, nur die klatschenden Hände – in bunten Gummihandschuhen. Klar, wegen Corona, könnte man jetzt meinen. Tatsächlich entstand die Idee dazu aber lange davor.
So wie die Idee zum präparierten Klavier, auf dem Besucher des Präsenzkonzerts sich auf die Klangwelt von John Cage hätten einstimmen können. Der amerikanische Komponist klemmte Nägel und Scherben zwischen die Saiten eines Konzertflügels, um neue Klänge zu schaffen. Das präparierte Klavier können Online-Konzert-Besucher natürlich nicht ausprobieren, dafür aber verschiedenen John-Cage-Kompositionen lauschen. Zum Beispiel dem Stück "Five", bei dem fünf Instrumentalisten jeweils fünf Segmente spielen, die jeweils aus einem bis drei Tönen bestehen. Visualisiert werden die Klängen mit selbst gemalten Bildern. Oder zwei Sätze aus Cage' bekannter "Living Room Music" für Schlagzeug-und Sprech-Quartett.
Auch eine Eigenkomposition eines Schülers ist zu hören. Jan Eric Blos hat ein Stück für neun Personen an einem Klavier geschrieben – "Klaviersaitig" benannt. Vier spielen auf den Tasten, fünf erzeugen perkussive Klänge mit und am Klavier. Weil in Zeiten von Corona Abstand auch unter Musikern gewahrt werden muss, erfolgt die Aufführung an zwei Klavieren.
35 Minuten dauert das Online-Konzert. 35 Minuten voller interessanter Klänge und kreativer Ideen, wie es der Titel des Konzertes verheißt: "Klangfarben – Farbklänge".