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Schweinfurt
Schweinfurt: Was die Krise mit unseren Kindern macht
Geschlossene Schulen, geschlossene Kitas, Kontaktbeschränkungen – die Pandemie trifft Kinder und Jugendliche im Kern. Auch das Jugendamt der Stadt Schweinfurt spürt die Folgen.
Geschlossene Kitas, geschlossene Schulen und Kontakteinschränkungen – Kinder und Jugendliche trifft die Krise hart. Manche vereinsamen, wie unser Symbolbild darstellen soll.
Foto: Gero Breloer/dpa | Geschlossene Kitas, geschlossene Schulen und Kontakteinschränkungen – Kinder und Jugendliche trifft die Krise hart. Manche vereinsamen, wie unser Symbolbild darstellen soll.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:26 Uhr

Sie zehrt, die Ausnahmesituation, die längst keine mehr ist, sondern eine Art Dauerzustand. Was Erwachsenen zu schaffen macht, ist für Kinder und Jugendliche mindestens genauso hart, wenn nicht härter, sagt Maria Albert-Wirsching. Die Leiterin des Jugendamts der Stadt Schweinfurt und ihr Team spüren deutlich, was die Krise mit Kindern und Jugendlichen macht. Und mit ihren Familien. Seit März 2020, dem Beginn der Corona-Krise, ist nichts mehr wie es vorher war. Mal Schule, mal Distanzunterricht, der mal besser, mal schlechter funktioniert, Phasen, in denen einiges möglich ist und solche, in denen Kontakte auf das Minimum beschränkt werden. Doch gerade persönliche Begegnungen sind für Kinder und Jugendliche wichtig – egal in welcher Altersgruppe.

Die Kleinen lernen von den Größeren, von anderen in der Kita. Größere Kinder brauchen Gleichaltrige, um sich selbst zu finden, Jugendliche den Kontakt zu anderen Teenagern, damit sie sich abkoppeln können von den Eltern. Gemeinsam lästern, chillen, sich mit anderen auseinandersetzen, auch wenn das nicht immer angenehm ist – für die Entwicklung ist das ein wichtiger Schritt, sagt Albert-Wirsching. Dass sich Begegnungen seit Monaten nun wieder fast nur noch digital abspielen, sieht sie zwiegespalten. Denn neue Medien ersetzen nicht den echten Kontakt, im Gegenteil. Manchmal lässt die digitale Welt Kinder und Jugendliche auch vereinsamen, Ängste bauen sich auf, Kontakte brechen ab. Und nicht zuletzt bleibt auch die Gefahr, dass die Kinder abdriften in die digitale Welt. Stichwort Computersucht.

Der Ausnahmezustand fordert alle Familien, betont die Jugendamtsleitern. Homeschooling, dass Eltern zu Aushilfslehrern werden müssen, die fehlende Möglichkeit von Freiräumen – all das fördert Konflikte. Und dort, wo Familien ohnehin belastet waren, schlage dies noch härter durch. Sozial und materiell schwachen Familien macht die Krise noch mehr zu schaffen als anderen. Manche können ihre Kinder nicht so fördern, wie sie es brauchen, viele werden abgehängt. Probleme wie psychische Belastungen bei den Eltern verschärfen sich, oft kommen Zukunftsängste dazu, wird es zum Beispiel durch Kurzarbeit auch finanziell knapp, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Kind für Alleinerziehende noch schwieriger.

"In vielen Familien liegen die Nerven blank."
Maria Albert-Wirsching, Leiterin des Jugendamts der Stadt Schweinfurt

In vielen Familien liegen die "Nerven blank", weiß Albert-Wirsching. Gleichzeitig fehlen viele Teile des sozialen Netzes, das sonst manche auffängt und auch merkt, wenn etwas nicht stimmt. Nicht nur die Kinderbetreuung in Kita oder Schule, auch andere Gruppenangebote, über die Familien, Eltern und Kinder Hilfe finden, wenn es Probleme gibt. Diesen Schritt zu gehen, ist im normalen Alltag weit leichter, weiß die Leiterin des Jugendamts. Auch wenn man dort den Kontakt zu den betreuten Familien und Kinder hält. Die ganze Zeit der Pandemie über. Schon im April 2020 hatte das Jugendamt wieder für den Besucherverkehr geöffnet. Weil es ohne die persönliche Betreuung eben nicht geht, sagt Albert-Wirsching. Natürlich gibt es ein Hygienekonzept, wurden Plexiglasscheiben eingebaut, macht man vieles am Telefon oder als Videokonferenz. Aber manchmal muss es eben das persönliche Gespräch sein – oder die Hilfe direkt in den Familien durch sozialpädagogische Fachkräfte. Die Nachfrage bei Beratung und Unterstützung hat sich erhöht, das kann die Jugendamtsleitern schon jetzt feststellen.

Wenn der Kontakt zur Schule abbricht

Auch die Jugendsozialarbeiter an den Schulen sind weiter aktiv. Denn nicht in allen Familien funktioniert der Unterricht auf Distanz. Manchmal bricht sogar der Kontakt zwischen Schule und Kind ganz ab. In Absprache mit den Lehrern versuchen die Jugendsozialarbeiter die Kinder aufzufangen, die Probleme haben. Im Einsatz sind auch die pädagogischen Hilfskräfte. Und manchmal bleibe nur die Notbetreuung. In Schweinfurts Schulen, so Sozialreferent Jürgen Montag vor einer Woche, sind über 200 Schulkinder in dieser Notbetreuung.

Manchmal, sagt Albert-Wirsching schickt das Jugendamt die Kinder selbst in die Notbetreuung. Im Lockdown im Frühjahr 2020 waren es über 50. Der Grund: Kindeswohlgefährdung. Und jetzt? Der Ausnahmezustand seit November scheint für viele "noch schwieriger zu sein". Die Menschen sind erschöpft, sagt Albert-Wirsching. Dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, was die Fälle von Kindeswohlgefährdung betrifft, davon geht Albert-Wirsching aber nicht aus. Allerdings, solche Fälle, könne es trotzdem geben. 2020 hat das Jugendamt der Stadt Schweinfurt 22 Kinder und Jugendliche aus ihren Familien genommen. 20 Prozent mehr als noch 2019. Nur leicht gestiegen, aber auf hohem Niveau war 2020 die Zahl der Meldungen wegen Kindeswohlgefährdung. 158 waren es 2020, fünf mehr als im Jahr davor.

Die Krise wird ihre Spuren hinterlassen

Die Krise wird bei Kindern und Jugendlichen ihre Spuren hinterlassen, das ist nach dem Gespräch mit Maria Albert-Wirsching deutlich. Ums mehr hofft sie darauf, dass die Coronazahlen weiter sinken, dass man bald wieder öffnen kann. Denn schon 2020 hat sich gezeigt: Bis Kinder wieder in der Normalität angekommen sind, dauert es lange.

Eltern und auch Kinder, die Hilfe suchen, können sich jederzeit an die Erziehungsberatungsstelle für Stadt und Landkreis wenden, Tel. (09721) 517888. Die Beratung ist telefonisch, als Videokonferenz und auch persönlich möglich. Die Berater unterliegen der Schweigepflicht.

Maria Albert-Wirsching, Leiterin des Jugendamts der Stadt Schweinfurt.
Foto: Anand Anders | Maria Albert-Wirsching, Leiterin des Jugendamts der Stadt Schweinfurt.
 
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Kommentare
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  • DieSteffi
    Und die Notbetreuung soll dann die Lösung sein? Die Kids sitzen an meiner Schule von 8 bis 13 Uhr im Computerraum, alleine mit einem Erwachsenen. Soziale Aktivitäten sind auch da verboten und Unterricht darf man ihnen nicht geben, um die Notbetreuungnicht attraktiv für alle anderen zu machen.
    Ob das der Psyche besser tut? Klar, besser als zu Hause Gewalt ausgesetzt zu sein. Aber das Gelbe vom Ei ist die Notbetreuung nicht.
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  • poetry2000@web.de
    Ist natürlich für das Jugendamt die einfachste Lösung die Kids in die Notbetreuung abzuschieben, anstatt direkt in den Familien an Lösungen zu arbeiten. Zumal Jugendamtmitarbeiter*innen derzeit auch fast alle nur im HomeOffice arbeiten. Da ist es natürlich einfach, wenn man die Kids aus Problemfamilien in die Notbetreuung der Schulen und Kitas abschiebt und 1x die Woche telefonisch fragt ob das Kind noch da ist. Danke für Nix!
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  • Frank.Pfeffermann@gmx.de
    Woher wissen Sie, wer im Jugendamt im Homeoffice arbeitet? Warum nehmen Sie sich heraus, die Arbeit des Jugendamts zu beurteilen, obwohl Ihnen die tiefere Einsicht in die Strukturen der Arbeit nicht bekannt ist. Mit pauschalen Anschuldigungen ist allen Menschen, v. a. Kindern, nicht geholfen. Erst denken - dann kommentieren!
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  • poetry2000@web.de
    Ich weiß es. Hab es nunmal täglich vor Augen.
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  • poetry2000@web.de
    Kitas und Schulen sind nunmal kein geeigneter „Aufbewahrungsort“ für Kindswohlgefährdete Kinder. Ein Kind was 6h am Tag in geschützter Umgebung ist, ist 18h am Tag ungeschützt.
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  • Michael Fischer
    Der Mensch ist nicht geschaffen für die Einsamkeit. Die ganzen Kontaktbeschränkungen werden erst noch richtig negativ in den nächsten Monaten zu Tage kommen. Ob jung, alt oder alleinstehend, was die Politiker beschlossen haben kann schon als Körperverletzung bezeichnet werden.
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  • Werner12
    Corona unkontrolliert sich ausbreiten lassen wäre Körperverletzung .
    Ich nehme an sie sind auch Kunde beim Kopp Verlag.
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  • Werner12
    Stichwort Vereinsamung.
    Vielleicht merkt der eine oder andere Teenager der viele Freunde hat was Einsamkeit bedeutet und geht auch mal auf andere zu die er vorher nicht beachtet hat obwohl er weiß das der betreffende keine Freunde hat.
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