
Als Leon Zehe seine Trompete ansetzt und zum Spielen beginnt, ist unverkennbar die Melodie von "Bella Ciao" zu erkennen, einem alten italienischen Partisanenlied, das vor zwei Jahren durch die Netflix-Serie "Haus des Geldes" ein weltweites Revival erlebte. Leons Musiklehrerin Ronja Dittmar setzt mit ihrer Trompete mit ein. Es sind Klänge, die im in den letzten Wochen mucksmäuschenstill gewordenen Gebäude der Schweinfurter Musikschule gefehlt haben. Seit dem 11. Mai darf nun wieder musiziert werden. Wenn auch noch nicht im gewohnten Rahmen.
Im Zuge der weiteren Lockerungen während der Corona-Pandemie dürfen Bayerns Musikschulen ihren Betrieb wieder aufnehmen, allerdings nur im Einzelunterricht und unter Einhaltung strenger Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen, die in einem Konzept des Verbands bayerischer Musikschulen ausgearbeitet wurden.
Schon direkt nach dem Betreten der Schweinfurter Musikschule weist ein großer Aufsteller mit einem großen "Stop" in rotten Lettern auf die neuen Regeln im Haus hin. Der Zutritt ist ausschließlich Schülern und dem Lehrpersonal vorbehalten, außerhalb der Unterrichtszimmer besteht Maskenpflicht, der Mindestabstand von 1,50 Metern ist einzuhalten, vor dem Musizieren müssen noch einmal die Hände gewaschen werden und nach Beendigung der Unterrichtsstunde sollten die Schüler das Gebäude zügig wieder verlassen. Wer sich krank fühlt oder etwa Anzeichen einer Erkrankung aufweist, darf nicht kommen.
Der Hinweis auf die Verhaltensregeln ist in sämtlichen Stockwerken mehrfach wiederzufinden. Eine einschüchternde oder beklemmende Atmosphäre ist dadurch trotzdem nicht spürbar. Das liegt auch daran, dass in den Unterrichtsräumen zwischen Schüler und Lehrer die Masken fallen dürfen. Dann, wenn nach wochenlanger Abstinenz endlich wieder gemeinsam geprobt und gelernt werden darf.
Für das Lehrpersonal der Musikschule ist derzeit Improvisationsgeschick gefragt, nicht nur was den Unterricht selbst angeht, in dem die Lehrer eine ungewohnt große räumliche Distanz zu den jungen Musikern strikt einhalten müssen. So werden etwa Musikgruppen aufgesplittet und müssen nun nacheinander in den Einzelunterricht. Trotzdem: "Alle sind begeistert, dass es hier wieder losgehen kann", erzählt Thomas Barisch, der Verwaltungsleiter der Musikschule. "Die Woche war toll. Die Lehrkräfte und ihre Schüler konnten sich endlich mal wieder von Angesicht zu Angesicht sehen", pflichtet die musikalisch-pädagogische Leiterin Andrea Schärringer bei: "Die Schüler freuen sich, dass wieder eine kleine Normalität einkehrt. Bei vielen ist aktuell noch kein Schulunterricht, die Musikstunden geben ihnen jetzt zumindest wieder etwas Struktur zurück." Zuvor kommunizierten Schüler und Lehrer zwar über diverse digitale Medien miteinander, eine Kompensation zum echten Unterricht sahen Schäringer und Barisch darin allerdings nicht.
Für die Außenstelle Werneck gibt es derzeit noch keine Lösung
Etwas holprig gestaltet sich derzeit noch die Nutzung einiger externer Räumlichkeiten. "Da steckt der Teufel etwas im Detail", meint Barisch. Das führt momentan unter anderem dazu, dass für den Außenbereich Werneck noch keine Lösung gefunden werden konnte. Aus Hygieneschutzgründen stellt die Gemeinde der Musikschule ihre angestammten Räumlichkeiten in der Wernecker Mittelschule erstmal nicht zur Verfügung. Betroffen sind davon rund 250 Musikschüler, die derzeit "wollen aber nicht dürfen", wie es Schärringer beschreibt. Mit einer zeitnahen Lösung wird aber gerechnet.
"Es geht ja auch darum, längerfristige Lösungen zu finden", findet Barisch: "Die ganzen Maßnahmen werden wir bestimmt auch mit in den Herbst hineinnehmen müssen." Wo die Reise bei den Ensembles wie Big Band oder Chor hingeht, steht dagegen noch überhaupt nicht fest. Da gehe der Blick momentan noch viel auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, erklärt Barisch. Vor allem gehe es darum, in welchem Ausmaß Gesang und Bläser Aerosole versprühen, die dann eben zu einer Ansteckung führen könnten. Plexiglasscheiben als eine Art Spuckschutz könnten da die Lösung sein.
2000 der 3200 Musikschüler sind zurück
"Unser großer Wunsch ist, dass wir auch wieder in einer größeren Gemeinschaft musizieren können", sagt Schärringer. Zufrieden ist man mit der jüngsten Entwicklung dennoch. Rund 2000 der 3200 Musikschüler in Stadt und Landkreis können schließlich seit über einer Woche wieder zusammen mit ihren Lehrern ihrer Leidenschaft nachgehen.
