Wer sind die sogenannten "Querdenker", die seit Monaten gegen die coronabedingten Maßnahmen der Regierung auf die Straßen gehen? Dieser Frage ist "Schweinfurt ist bunt" nachgegangen. Dafür lud das Bündnis vergangene Woche Thomas Witzgall von "Endstation Rechts" zu einer Online-Konferenz ein. In seinem Vortrag klärte er über die Hintergründe der Szene auf. "Die sind eigentlich gegen jede Anti-Corona-Maßnahme, außer Händewaschen", bemerkt Witzgall, der seit 2012 das von der SPD Bayern betriebene Informationsportal zum Rechtsextremismus verantwortet.
Er erklärt, dass "Querdenken" eine klassische offene Rechte Bewegung sei, in der die Beteiligten ohne Probleme Neonazis, Rassisten, Reichsbürger und sogar Holocaustleugner sein könnten, solange sie nur gegen Masken, Impfen und Anti-Corona-Maßnahmen seien. Einige der Protagonisten unterhielten enge Beziehungen zu bekannten Größen der rechtsextremen Szene, behauptet Witzgall.
In Schweinfurt tritt die "Querdenken"-Szene durch die Gruppe "Eltern stehen auf" auf, die bei ihren zurückliegenden Kundgebungen jeweils zwischen 80 und 100 Menschen mobilisieren konnte. Ihr Sprecher Marco Kister tritt dabei zunehmend radikaler auf. Gerade wenn ihn der Weg weg aus Schweinfurt führt, scheint sein Sprech deutlich an Schärfe hinzu zu gewinnen. So sagte er bei seiner Rede am 24. Oktober auf dem Schweinfurter Marktplatz, dass Politiker wie Söder, Spahn und Merkel "wegmüssen und zwar sofort". Bei seinen Bühnenauftritten bei den "Querdenken"-Demonstrationen ein bzw. zwei Wochen später in Dresden und Leipzig, fügte er der selben Aussage ein "diese Volksverräter" hinzu.
Mit seiner Initiative gibt Kister vor, sich für die Belange der Kinder im Zuge der Corona-Maßnahmen einzusetzen. In Schweinfurt und Umgebung wurden dabei zuletzt unter anderem Flyer von "Eltern stehen auf" im direkten Umfeld von Schulen verteilt. Teilweise sollen dabei von den Aktivisten der Initiative Schulkinder direkt angesprochen worden sein, berichten Eltern, die sich wenig begeistert vom Treiben der "Querdenker" zeigen. Auch kritisiert "Schweinfurt ist bunt", dass die "Querdenker" Kinder für ihre Zwecke instrumentalisierten, "um unsere Demokratie und Menschenwürde abzuschaffen".
Verschwörungserzählungen und -mythen
Einen ausführlichen Überblick gab Witzgall auch über die häufig vorkommenden Verschwörungserzählungen und -mythen im Rahmen von "Querdenker"-Veranstaltungen, die nicht selten antisemitische Inhalte haben. Für einen Redebeitrag mit derlei Inhalten sorgte in der Region zuletzt der Ulmer "Querdenken"-Aktivist Daniel Langhans am 31. Oktober in Schweinfurt und vergangenes Wochenende in Würzburg bei den Kundgebungen der jeweiligen "Eltern stehen auf"-Ortsgruppen.
Als problematisch zeichnet Witzgall auch ein "erhebliches Aggressions- und Gewaltpotential, zumindest aber Gewaltphantasien und eine Gewaltduldung auf". Dies entlud sich bei den großen "Querdenker"-Demonstrationen meist an Journalisten und Polizisten. Auch bei den Kundgebungen in Schweinfurt wurde wiederholt versucht, die Pressearbeit zu stören.
"Endstation Rechts" warnt, dass es sich bei "Querdenken" um eine demokratiegefährdende Bewegung mit dualem Weltbild handelt, die Rechtsextreme bewusst integriert, die politische Kultur schädigt und sich rechtspopulistischer Methoden bedient.
In Schweinfurt riefen "Eltern stehen auf" bei ihrer Kundgebung am 24. Oktober offen zur Internet-Hetze gegen Oberbürgermeister Sebastian Remelé auf. "An Höhenflug fehlt es der Bewegung nicht", konstatiert Witzgall: "Aber das größte Probleme sehe ich in einer möglichen Sicherheitsgefährdung durch die Radikalisierung einzelner."
Danke für die Aufklärung.
Mich kraust's!