Wie können wir uns erinnern, wenn es nicht um die guten Zeiten in unserem Leben geht? Wie können wir den Schmerz über Greueltaten in der Geschichte auf uns nehmen und es tragen und ertragen, wo wir doch eigentlich alle gerne in Wohlgefühl schwimmen wollen? Und warum?
Das fragt sich die Erinnerungskultur seit vielen Jahrzehnten und eine der Antworten lautet: Damit es nicht wieder passiert und dass die Menschen nicht umsonst gestorben sind.
Daraus kann auch Kraft für eigenes demokratisches Handeln wachsen und das Bewusstsein unserer Haltung in der Welt. Die Initiative gegen das Vergessen liefert in Kooperation mit dem Bayernkolleg jedes Jahr seit 2007 ein gutes Beispiel für gelingendes Erinnern, indem sie eine Gedenkveranstaltung für Zofia Malczyk organisiert. Die junge Frau wurde am 21. März 1945 genau an dem Ort erschossen, an dem sich auch heuer wieder Menschen trafen, um die Erinnerung lebendig zu halten. Rund 30 Gedenkende waren es diesmal.
Unvorstellbares Leid
Zofia Malczyk wurde 1939 nach dem Überfall auf Polen mit 14 Jahren als Zwangsarbeiterin nach Deutschland geschickt, in ein fremdes Land mit einer fremden Sprache. Die Faschisten mit ihrer unmenschlichen Verwertungslogik beuteten sie ebenso aus wie die anderen 12.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die allein in Schweinfurt eingesetzt waren, um die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten.
Darunter waren auch rund 5000 Menschen aus der Ukraine, wie Johanna Bonengel betonte, die als Moderatorin durch die Veranstaltung führte. Sie stellte den Bezug her zum gegenwärtigen Krieg, der wieder unvorstellbares Leid in Europa verursacht und der auch uns in Deutschland beunruhigt. Wozu Machthaber und ihre Soldaten fähig sind, zeigt sich, wenn sie Krieg führen. Bonengel stellte die Verbindung zum Gedenkstein für Zofia Malczyk her, denn dort steht bereits geschrieben, dass "Verblendung und Anmaßung" solchen Handlungen zu Grunde liegen.
Freispruch für die Mörder
Stellvertretende Bürgermeisterin Sorya Lippert verwies auf eine weitere Ungeheuerlichkeit hin, die nur schwer zu ertragen ist und dennoch nicht vergessen werden darf, denn Zofia Malczyck war im siebten Monat schwanger, als sie von den zwei deutschen Polizisten, überzeugten Nazis erschossen wurde. Es war ihre dritte Schwangerschaft in diesen rund vier Jahren, für die sie nach Deutschland gezwungen wurde. Das ganze Ausmaß dieser konkreten körperlichen Schrecklichkeiten lässt sich kaum ermessen, es ist nicht viel bekannt über ihr Schicksal, sie wurde in der Landwirtschaft verpflichtet, sie lehnte sich auf und flüchtete von ihren Zwangsarbeitsplätzen, sie wollte frei sein und überleben in diesen letzten Kriegstagen, sie stahl, wo sie etwas zu essen fand, sie floh aus dem Würzburger Gefängnis, als dort am 16. März die Bomben die Stadt zerstörten und sie starb durch die Kugeln dieser beiden Männer, für die sie nur ein slawischer Untermensch war. Die Polizisten wurden 1955 freigesprochen.
Bonengel dankte Armin Schuler und Franziska Schemmel für die musikalische Begleitung der Veranstaltung sowie Gabriele Seelmann, der Schulleiterin des Bayernkollegs. Miki Koch, Transgenderschülerin am Kolleg, erinnerte an die Bösartigkeit von Menschen, die "andere Menschen unterdrücken, um sich besser zu fühlen" und Ulf Pennekendorf, der Betreuer der Patenschaft, verwies in seinen Gedenkworten ebenfalls auf die Aktualität angesichts des Ukrainekrieges.