"Dass wir die Kultur wieder sehen können und dass wir in Gesichter sehen können", war für Oberbürgermeister Sebastian Remelé einer der schönsten Gründe für den Kultursommer auf dem Kessler-Field beim Abschlusskonzert. Ein "Kraftakt und eine Zitterpartie" sei es gewesen, die rund 30 Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, und fast 10 000 Gäste seien der schönste Beweis, dass Schweinfurt als kulturelles Zentrum auch durch Coronazeiten seinen guten Ruf bewahren konnte.
Es spielte die Bläserphilharmonie Schweinfurt, und es war ein würdiger und mächtiger Abschluss. Denn wem bisher bei Blasinstrumenten am ehesten ländliche Volksmusik einfiel, konnte hier eines Besseren belehrt werden. Die Mächtigkeit, mit der ein solches Ensemble daherkommt, ist einerseits den Instrumenten geschuldet, die metallglänzend recht groß sein können, aber auch der Vielfältigkeit der Instrumente selbst. Schmal wie ein Wanderstab die Querflöte, gewunden wie armdicke Schlangen die Tuba – die Bühne am Kessler-Field musste extra vergrößert werden für die Musizierenden und ihren Dirigenten Walter Ratzek. Vielleicht entsteht der Zauber dieser Instrumente aber auch daher, dass sie die ureigensten Verstärker des Atems sind, dass sie bei aller Größe auch bis in die kleinste zarte Sanftheit ein weites Spektrum eröffnen. Nicht nur einen Klangteppich, sondern ganze Klanglandschaften wurden die diesem Konzert ausgebreitet.
Vielfalt zeichnete auch das Programm aus. Nach der Begrüßung mit einer Festfanfare von Richard Strauss ging es quer durch Klassik, Pop, Jazz und Weltmusik. Moderatorin und Sängerin Canan Semel führte charmant durch den Abend, ihre wunderbare Stimme ließ sie ebenso gekonnt bei Highligths von Whitney Houston erklingen wie beim Song, der das Motto des Abends präsentierte: "That´s what friends are for."
Musik mit Gänsehautfaktor
Gerade hatte Remelé eingangs noch erinnert an den aktuellen Tag, den 11. September, der vor 20 Jahren die Welt verändert und auch diesen Platz des Konzertes geprägt hat, der jahrelang von der amerikanischen Armee genutzt worden war, da griff ein Musikstück diesen geschichtsträchtigen Faktor auf: Manuel Scheuring spielte auf der Trompete einen Blues von Alfred Reed, der die Zuhörenden mit Leichtigkeit und Wehmut in eine Kellerbar nach New York versetzen konnte, in eine Zeit, in der der american way of life noch einen Zauber mit sich trug. Seine Musik hatte nicht zuletzt diesen Gänsehautfaktor, weil in ihr die Aktualität von Geschichte und Gefühl in eins fallen konnte.
Melancholie auch beim Nocturn von Alexander Skriabin und bei Astor Piazollas Oblivion, das übersetzt den Strudel des Vergessens bezeichnet. Die Interpretation durch Reham Siebenson war herausragend bis in die feinsten Nuancen eines Klarinettenhauches. Die Melancholie, die sorgengeschwängerten Tage jedoch sind ebenso vergänglich wie das Glück, das ist das Schöne an der Musik, dass sie diese Balance immer wieder herstellt.
Rockiger und fröhlicher wurde es nach der Pause unter anderem beim Elton-John-Medley, zauberhaft beglückend beim Stück Dahoam, das Stefan Pfister auf dem Euphonium präsentierte und bombastisch zum Abschluss mit dem "wohl größten Rocksong aller Zeiten", der Bohemian Rhapsody von Queen – mit einem umwerfenden Gitarrenriff eines Musikers aus Poppenhausen, auch hier Opulenz und Zärtlichkeit vom Feinsten.
Ratzek, der unter anderem als Professor in Bozen lehrt, führte seine Musiker bravourös durch die Stücke. Semel berichtete, dass wegen der Pandemiebestimmungen erst am Tag vorher gemeinsam geprobt werden konnte. Ein sensationelles Zusammenspiel unter diesen Bedingungen. Großen Applaus spendete das Publikum.