Alle Schwäne sind weiß – davon waren die Europäer lange Zeit überzeugt, bis sie im 17. Jahrhundert Australien entdeckten und zum ersten Mal einen schwarzen Schwan sahen. Der Philosoph Karl Popper greift dieses Ereignis später auf und entwickelt daraus einen Lehrsatz: Solange man nicht wissen könne, ob es irgendwo einen schwarzen Schwan gibt, könne der Satz „Alle Schwäne sind weiß“, niemals bewiesen werden, oder allgemein: Keine Theorie lasse sich beweisen, nur widerlegen. Mit seiner philosophischen Theorie machte Popper den schwarzen Schwan berühmt.
Wer dennoch daran zweifelt, dass schwarze Schwäne existieren, der sollte das Vogelschutzgebiet Garstadt besuchen und sich vom Gegenteil überzeugen lassen. Dort hat sich der schwarze Schwan, auch Trauerschwan genannt, schon im April 2015 angesiedelt. „Die meisten Leute kennen ihn nicht. Daher erregt das Tier immer sehr viel Aufsehen“, erklärt Harald Vorberg, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) in Schweinfurt.
Der schwarze Schwan von Garstadt trägt einen grünen Ring am Bein, was laut Vorberg daraufhin hindeutet, dass das Tier wohl aus einer Zucht ausgebrochen ist. Auf natürliche Weise kommen in Deutschland keine schwarzen Schwäne vor: Nach ihrer Entdeckung in Australien wurden sie 1860 in Neuseeland ausgewildert und gelangten später nach Europa. Bundesweit wird er heute immer wieder an verschiedenen Seen gesichtet.
Die tragische Ironie hinter der Geschichte des Trauerschwans von Garstadt: Als er im Frühjahr 2015 in das Vogelschutzgebiet kam, war er in Begleitung eines weiteren Artgenossen. Zwischenzeitlich gesellte sich sogar ein zweites Paar dazu. Vergangenen August verschwand dieses jedoch plötzlich; kurz darauf wurde auch der Partner des ersten Besuchers tot am Ufer aufgefunden. Nun schwimmt der schwarze Schwan alleine umher und gesellt sich gelegentlich zu den anderen Höckerschwänen dazu. Laut Vorberg ist die Partnerbindung der Tiere sehr stark. „Der Trauerschwan sucht Gesellschaft und ist sehr empfindsam“, so der Vogelexperte.
Schwan gab klagende Laute von sich
Einige Besucher schildern, der Schwan habe sogar sichtbar getrauert, in dem er klagende Laute von sich gab. Vorberg warnt jedoch davor, das Verhalten des Tieres zu stark zu interpretieren: In der Tat schildert der australische Ornithologe Graeme Pizzey in seinen Beobachtungen, dass schwarze Schwäne brummende und pfeifende Töne oder Trompetenrufe mit hohem, schrillem Klang von sich geben, wenn sie sich gestört oder bedroht fühlen – besonders während der Brut- und Nistzeit. Dabei halten sie ihre Hälse gewölbt oder aufrecht und präsentieren ihre Federn oder Flügel oft in einer aggressiven Haltung. Dabei werden auch die weißen Schwungfedern des Tieres sichtbar. Ob dieses Verhalten auch als Ausdruck der Trauer gedeutet werden kann, sei jedoch nicht erwiesen.
Sicher ist jedoch, dass die Tiere fliegen können. Auch wenn sie keine Zugvögel sind, legen sie weite Strecken zurück. So wurde der Garstädter Trauerschwan auch schon im Schweinfurter Bagersee und im Sauerstücksee in Grafenrheinfeld gesichtet. „Es könnte gut sein, dass er auch bald an der Gutermann-Promenade zu sehen sein wird, denn die Tiere wandern viel“, so Vorberg.
Im Winter würden die Tiere jedoch meist unauffindbar sein. Auch Vorberg wisse nicht, wo sich die Schwäne dann aufhalten.
In seinem Buch beschreibt der Börsenhändler Nassim Taleb den schwarzen Schwan als Sinnbild für ein Ereignis, das eintritt, obwohl man es für höchst unwahrscheinlich oder gar unmöglich gehalten hat. Vielleicht geht es dem einen oder anderen Besucher im Garstädter Vogelschutzgebiet bald ähnlich.