
Himmlische Botschaften können gnädig sein. Sie können aber auch verheerend sein. Die neue Sonderausstellung gleichen Namens im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt deckt (fast) das ganze Spektrum dieser Botschaften ab, zumindest so, wie die Künstler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sie sehen – vom Sündenfall bis zur Auferstehung Christi. Interessanterweise fehlen Darstellungen der Kreuzigung. Untertitel: „Der Fall des Menschen, seine Verfehlung und Rettung.“
Leitfaden ist dabei das christliche Verständnis menschlichen Daseins: Das Neue Testament steht für die Hoffnung, das Alte für die Schwächen des Menschen und wie Gott sie ahndet. Museumsleiterin Sigrid Bertuleit und Grafikkuratorin Karin Rhein haben die vier Räume des Grafiktrakts zum Großteil mit Arbeiten aus dem Bestand als Konzentrat der Kunstgeschichte gestaltet: Nazarener und Biedermeier, Neobarock und Romantik, Genremalerei und Klassizismus hängen, wenn nicht einträchtig, so doch in unmittelbarer Nähe.
Schon das Entrée stimmt auf das Thema ein: Ernst Barlachs Skulptur „Sterndeuter I“ empfängt den Besucher in einem in Schwarz und Gold gefassten Vorraum. Dann geht es in eine farblich höchst suggestiv gestaltete Welt des Glaubens und der Andacht. An den Stirnseiten einer Sichtachse durch die ganze Ausstellung stehen sich Wilhelm von Kaulbachs hochdramatischer „Turmbau zu Babel“ von 1844/47 und Philipp Veits „Darstellung im Tempel“ von 1830/31 gegenüber. Hier fährt Gott, flankiert von Engeln mit Feuerschwertern, hernieder auf die Menschheit, die sich des Stolzes und des Ehrgeizes schuldig gemacht hat, dort hält der weise Simeon das Jesuskind in Händen und erkennt als erster dessen Göttlichkeit. Hier tritt der Turm selbst hinter dem Gewimmel aus den Leibern von Menschen und Tieren zurück, dort herrscht friedvolle Stille. Wollte man eine Dramaturgie ablesen, wäre es diese: Auf der Suche nach dem Glück findet die Menschheit nach den Verirrungen und Aufregungen seit der Vertreibung aus dem Paradies endlich ihren Frieden in der demütigen Verehrung des göttlichen Kindes.
Wobei dieser Glaube die unterschiedlichsten künstlerischen Manifestationen annimmt: Die Nazarener malen in ihrem Sendungsbewusstsein ausdrücklich Andachtsbilder, die sich an den Meistern der Renaissance orientieren. Eduard Jakob von Steinles „Heilige Anna“ von 1872 erinnert frappierend an Vorbilder des Quattrocento. In der Fruchtgirlande fehlt nur die Gurke als Anspielung auf Carlo Crivelli. Wie bei vielen Madonnenbildern jener Zeit wandert auch in dieser Nachschöpfung der Blick durch die Öffnungen der Architektur hinaus in die Landschaft. Doch mutet diese Landschaft weniger toskanisch als vielmehr voralpenländisch an. Auch zeigt Steinle Anna, die ihre Tochter Maria im Arm hält – oder vielmehr auf Händen präsentiert –, mit milde gealterten Zügen.
Josef Kehrens Zeichnung „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ von 1859 könnte direkt von Ghirlandaio inspiriert sein: die Verteilung der Figuren, deren Haltung ganz der Komposition unterworfen ist, die Sorgfalt, mit der die Stoffe arrangiert sind. Während die Nazarener und ihre Nachfolger mit der Erhabenheit ihrer Motive eine Art formalisierte Unnahbarkeit pflegen, suchen andere das Göttliche im Alltäglichen. Die Hängung macht das deutlich, indem sie etwa das zeitgenössische Motiv der „Armenspeisung in einer Klostervorhalle“ von Lorenzo Quaglio neben Friedrich Prellers antike Szene „Der barmherzige Samariter“ platziert. Ferdinand Georg Waldmüllers „Christmorgen“ wiederum ist ein Appell an den volkstümlichen Zusammenhalt: Waldmüller zeigt, wie eine Bettlerfamilie ein junges Bauernpaar um milde Gaben bittet.
Zum Personal des Glaubens gehört auch der Engel. Die Ausstellung kann zwar nicht alle 23 Unterarten von Engeln zeigen, für einen Raum mit helfenden Engeln jeglicher Couleur hat es aber gereicht. Wobei Engel – bis auf wenige Ausnahmen wie Lovis Corinths skeptisch neben einem Initial hervorblickendes Exemplar – meist etwas Gesichtsloses, Unpersönliches haben.
Starstück des Raums ist Caspar David Friedrichs „Die Kathedrale“ (1818), die sich auf den zweiten Blick als erstaunlich vielschichtig erweist: So schwebt der Kirchenbau ohne Fundament im Raum, die Spitzen seiner Türme lösen sich gen Himmel auf. Neun Engel umstehen oder umschweben ein eisernes Kreuz, aus dessen Mittelpunkt ein Dreieck, Hinweis auf freimaurerisches Gedankengut, gleißend leuchtet. Der Pantheist Friedrich setzt hier nicht etwa irgendeiner Amtskirche ein Denkmal, sondern evoziert vielmehr eine schwer zu deutende Mystik.
Ganz von naivem Wunderglauben getragen ist – im wörtlichen Sinne – dagegen das kuriose Gemälde „Übertragung des Leichnams der heiligen Katharina zum Berg Sinai“ von Heinrich Carl Anton Mücke (1836): Vier Engel fliegen mit dem Leichnam nebst dem Schwert als Symbol von Katharinas Martyrium hoch über einer kargen Landschaft.
Richtig dramatisch aber wird es erst im letzten (oder ersten) Raum, der der Bosheit des Menschen gewidmet ist. Oder vielmehr seiner Anfälligkeit für Versuchungen. Deren erste bekanntlich zur Vertreibung aus dem Paradies geführt hat, die hier mehrfach thematisiert ist.
Johann Wilhelm Schirmer spielt mit der Haltung von Adam und Eva in „Die Austreibung aus dem Paradies“ von 1855/56 direkt auf Masaccios Fresko von 1424 in St. Maria delle Carmine in Florenz an, er bettet die Szene allerdings in eine Landschaft mit deutlicher Lichtregie ein: vom Licht ins Dunkel führt der Weg. Steinle dagegen interessiert sich in seiner Version von 1860 für die Psychologie der Personen: Während Eva schamgebeugt zu Boden blickt, zeichnet sich auf Adams Gesicht beginnendes Entsetzen ab.
Nächste Station ist, wenn man so will, die Sintflut: Wieder hat der Mensch göttliches Gebot missachtet, wieder hat er sich schuldig gemacht. Schirmer zeigt die Flut mit großem Gestus als erbarmungslose Katastrophe. Kein Gott ist hier sichtbar, den das Flehen der letzten Überlebenden erreichen könnte.
In Ludwig Schnorr von Carolsfelds erschreckend drastischer Endzeitvision „Der letzte Mensch“ von 1831 scheint gar niemand überlebt zu haben. Außer Christus, der die Hand segnend über eine Wüstenei aus Leichen, Kadavern und und Ruinen erhebt. Es ist schwer, vor dem Hintergrund aktueller Naturkatastrophen in diesem Bild keine Mahnung auch für heutiges Handeln zu sehen.
Museum Georg Schäfer: „Himmlische Botschaften! Der Fall des Menschen, seine Verfehlung und Rettung“, Gemälde und Zeichnungen, bis 2. März. Di.–So., 10–17 Uhr, Do., 10–21 Uhr.




