
Das Bild gilt als Meisterwerk des Frühfeminismus: Caspar David Friedrichs "Wanderin über dem Nebelmeer" von 1818. Nein, schon falsch. Im Original blickt natürlich ein Wanderer im Gentleman-Rock über die Nebel der deutschen Romantik. Sarah Reitz hat den Klassiker gendergerecht angepasst, anlässlich der Ausstellung "Art Space – Raum für Kunst" im Untergeschoss der Kunsthalle. Als Fotomontage blickt nun auch eine Frau von oben auf die Welt.
Es geht um "Appropriation Art", "Aneignungskunst", beim Projekt von 16 Schülerinnen und Schülern eines P-Seminars des Humboldt-Gymnasiums. Albrecht Dürer habe als erster auf die Einzigartigkeit seiner Werke gepocht, stellt Julia Weimar zur Eröffnung fest. Heutzutage sei das Kopieren, das Reagieren auf vorhandene Meisterwerke eine eigene künstlerische Spielart, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunsthalle. Betreut von Lehrerin Alexandra Bunkherr haben die jungen Kopisten originelle Fotomontagen, Gemälde, Stillleben, Objekte und Videos geschaffen: Verbeugung vor dem Original und eigenständige Kunst zugleich.
Schönheitswahn, Religion, Konsum, Geschlechterrollen: Damit wolle man sich kritisch auseinandersetzen, sagen die Schülerinnen Sabrina Zehe und Luise Diem, die selbst Luxusklamotten aus recycelten Einkaufstüten beigetragen haben. In Franz Blohms Videoinstallation weht die Mähne von Napoleons Pferd bei der Alpenüberquerung (Jacques-Louis David lässt grüßen), zerfließen Dalis Uhren mit der Zeit, flattert die Kopfbedeckung vom "Mädchen mit dem Perlenohrring". Das Bildbearbeitungsprogramm "Blender" machts möglich.
Vermeers scheue Dienstmagd zeigt sich bei Katherine Gaydash modern mit Mundschutz oder Handy. Van Goghs Sonnenblumen verdorren, Banksys geschreddertes Ballon-Mädchen kehrt zurück, zwei Männer küssen sich frei nach Gustav Klimt, die menschliche Persönlichkeit löst sich in Drahtfiguren auf. Die Konsumwelt wird aus der Tube gedrückt, eine Wasserrutsche führt, inspiriert von Escherbildern, ins Unmögliche.
"Unsere kleine Eiszeit" hat Aya Mohammad ihre Fotomontage genannt: In der Urfassung des holländischen Barockmalers Hendrick Avercamp geht es ums unterkühlte Eisvergnügen, in der letzten kleinen Eiszeit. Während der Lockdownzeit war auch in Schweinfurt das Vergnügen auf Eis gelegt, für die Jugend. Weitere Werke stammen von Tina Böhm, Julia Heil, Antonia Hetzel, Andra Iusanu, Alexander Kähm, Dingjun Luo, Jana Maksimov, Celine Reichenberger, Luca Rosenau und Anna Rückert.
"Spannend" finden Alexandra Bunkherr und Julia Weimar die Zusammenarbeit. "Das Museum als außerschulischen Bildungsort noch stärker in den Fokus zu rücken", darum gehe es der Kunsthalle, so Weimar. Der frische Blick der Jungen auf die reale Scheinwelt ist bis 9. Januar zu sehen.