
"Für den Anfang übernehme ich es, den Ton zu angeln." Hoch konzentriert geht Sabine Otter mit dem Richtmikrofon zu Werk, denn die Aufnahme soll nicht umsonst gewesen sein. Sicherheitshalber filmt Bayan das Interview in einer der Schulküchen mit dem Smartphone aus einer anderen Perspektive mit, sorgfältig beobachtet von Jessica und der Regisseurin Jasmin. Ungerührt von dem Trubel um ihn herum rührt Henrik weiter den Teig mit den Spätzle an und beantwortet geduldig die Fragen von Jessica und später Anna-Lena. Im Hintergrund beobachten die übrigen Schüler der Klasse EuV10 heimlich die ganze Filmaufnahme, während sie unter Anleitung ihrer Lehrerin Christine Szczecina ebenfalls das Essen zubereiten. Dass zwei der Mädchen der Filmgruppe gerade eine Schulaufgabe verpassen, ärgert sie nicht wirklich. Sie werden sie nachholen dürfen, weil sie gerade an einem Imagefilm über die Schule arbeiten – im laufenden Schulbetrieb, während des Unterrichts. Dem Filmteam steht – außer bei Prüfungen oder Schulaufgaben – in Absprache mit den Lehrkräften praktisch jede Klassentür der ganzen Schule offen.

Wenn der Imagefilm fertig ist, werden alle fünf Zweige des staatlichen beruflichen Schulzentrums Alfons Goppel (BSZ) abgedeckt sein. "Wir konzentrieren uns auf fünf kurze Sequenzen aus fünf Teilen, jeder von einer Länge von 90 Sekunden", sagt Sabine Otter, Chefin der Filmgruppe und Fachbereichsleiterin "Kinderpflege Praxis". Seit 2007 beschäftigt sie sich intensiv mit dem Filmen, 2008 rief sie die Filmgruppe an der Schule ins Leben. Ständig wechseln die Schülerinnen und Schüler als Mitglieder der Gruppe, die die Schule oft genug nur ein Jahr lang besuchen. "Das ist dann immer eine neue Herausforderung, weil ich jedes Mal bei Null anfange", sagt Otter.
20 Filme wurden ausgezeichnet
Jedes Jahr dreht sie einen Film, "mittlerweile dürften es um die 30 Filme sein". Einige hat sie gar nicht bei Wettbewerben eingereicht, 20 von ihnen sind mit Preisen ausgezeichnet worden. "Manche haben keinen Preis bekommen, viele einen Preis, einer sogar vier", berichtet sie. Vorläufiger Höhepunkt war die zweimalige Nominierung für den nur wenig bekannten deutschen Menschenrechtsfilmpreis, 2014 für "Von Menschen, die auszogen" und 2024 für die Biografie "Beraa und Alaa". Auch wenn es keine Preise gab, ist doch allein die Nominierung Gold wert.
In "Beraa und Alaa" berichten zwei weibliche Flüchtlinge, wie sie den Bürgerkrieg in Syrien erlebt hatten. "Ich hätte nie gedacht, dass sich überhaupt jemand für mich interessiert", zitiert Otter eine der beiden Hauptdarstellerinnen, die ihre eigene Lebensgeschichte verfilmen, "jetzt habe ich sogar einen Preis dafür gewonnen." Nämlich den Förderpreis des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, neben dem ersten Preis bei den Filmtagen der bayerischen Schulen sowie beim Jugendfilmfinale in Unterfranken, beim bayerischen Jugendfilmfinale und den 2. Preis bei der doc.education in München.
Dokus mit wechselnden Partnern
"Beraa und Alaa" ist atmosphärisch dicht, ohne überladen zu sein. Im Sechs-Minuten-Kurzfilm gibt es keine schnellen Schnitte, die Kamera bleibt minutenlang in derselben Einstellung. Genau dadurch wirkt der Film ruhig und trotz seiner hochemotionalen Botschaft überraschend unaufgeregt. Da mischt sich keine Stimme aus dem Off ein, und es bleibt genug Zeit das Gehörte und Gesehene zu verarbeiten. Gerade deshalb kommen die Protagonistinnen und ihre Botschaften erst richtig zur Geltung.

Grundsätzlich dreht das Filmteam Dokumentationen, mal zusammen mit der Diakonie Schweinfurt, mal mit dem bayerischen Rundfunk. Und immer wieder sind es die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die sich mit großer Begeisterung und viel Engagement dem Filmteam anschließen, ihre Erfahrungen einbringen und verarbeiten und damit die Filme wirklichkeitsnah wirken lassen. Sie sind ein Stück Lebensgeschichte der jungen Leute, manchmal als Liebesbeziehung zwischen Menschen mit Handicaps, manchmal mit dem großen Thema Integration oder dem nicht minder großen Thema Kinderarmut.
Freude der Schüler am wichtigsten
Dass sie mit ihren Filmen die Preise gleich reihenweise abräumt – die Preisgelder werden in die Ausstattung investiert –, ist für Otter selbst eher nebensächlich. Wichtiger ist ihr, mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten, die Filme einzureichen und ihre Freude zu erleben, wenn es heißt: "…und der 1. Preis geht an das BSZ Alfons Goppel Schweinfurt". Das, so Otter, sei für die Mitwirkenden eine besondere Wertschätzung, "und allein ihre Freude bei den Preisverleihungen zu erleben ist die ganze Mühe weit über die eigentliche Schulzeit hinaus wert." Zu sehen sind die Filme aus rechtlichen Gründen nur passwortgeschützt auf der Plattform Vimeo.