Paul Maar nimmt es gerne wie Erich Kästner: Menschen, die ihre Kindheit ablegen wie einen alten Hut, interessieren den preisgekrönten Kinder- und Jugendbuchautor nicht. Und so ist Maar mehr als zufrieden, dass sein „schiefes Märchen-Trio“ im rappelvollen Saal des Historischen Rathauses auf viele kleine und große Besucher trifft, die das Kind in sich bewahrt haben und das musikalische Lesevergnügen mit Begeisterung und lautem Lachen quittieren.
Von jeher sind Maars Geschichten voller wunderbar gezeichneter Figuren. In Gochsheim liest er aus seinem 2016 erschienen Buch „Schiefe Märchen und schräge Geschichten“ von Prinzessinnen mit unmerkbaren Namen, einem renitenten Sams-ähnlichen Zwerg und königlichen Drillingen, die der Einfachheit halber alle Otto heißen.
Wer von ihnen allerdings das Herz der klugen Prinzessin erobert, gibt Maar auch auf Nachfrage von Büchereileiterin Margit Stöhlein nicht preis. Verraten sei nur: Der spanische Austauschprinz war's nicht.
Gemeinsam mit den beiden Gochsheimer Büchereien hat die ehrenamtliche Leiterin der Bücherei aus Weyer die musikalische Lesung organisiert. Locker hätten noch viel mehr Eintrittskarten verkauft werden können. Paul Maar ist ein Publikumsmagnet. Im Dezember wird der berühmte Schweinfurter Sohn 80 und ist doch literarisch im allerbesten Sinne kindisch geblieben. Sicherlich der Grund, warum sich von acht bis achtzig alle im Saal so köstlich über seine Geschichten und Schauergedichte voll sprachlich-fantasievoller Sprengkraft amüsieren. Klanglich und gesanglich untermalt von den beiden Musikern Konrad Haas (Querflöte, Blockflöte und Keyboard) und Wolfgang Stute (Gitarre und Percussion) aus Hannover.
Auch in seinen neusten Geschichten mischt Paul Maar wieder märchenhafte Elemente mit moderner Gesellschaftskritik. Meisterlich verpackt in seiner fantasievollen Sprachkunst lässt er heiratswillige Prinzen erfolglos Kontaktanzeigen schalten und einen Herd ins Kino gehen. Unter 333 sind in seinen Erzählungen zumindest mit einem goldenen Föhn gute wie böse Feen bestens zu erreichen. Hänsel und Gretel dagegen eher nicht, die kämpfen im finsteren Wald nicht mehr gegen fiese Hexen, sondern mit dem Handynetz.
Gut 120 Besucher feierten das „schiefe Märchen-Trio“ auf Zeit, das sich auch gerne mal mit Zipfelmütze präsentierte und sich mit einem verwirrenden literarischen Märchenkonglomerat und einem lustigen Abschiedsreim in die Ecke verabschiedete. Margit Stöhlein zeigte sich höchst zufrieden, gerne möchten die drei organisierenden Büchereien solche Veranstaltungen im regelmäßigen, zweijährigen Turnus im Gochsheimer Kulturkalender etablieren und damit weiter die Freude am Lesen, am Buch an sich intensivieren und fördern. Mit solch tollen schiefen Lesevergnügen (nicht nur für Erwachsene) sind sie da sicherlich auf dem besten Weg.