Im Verlauf des Staatsbesuchs von Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich der 50-jährigen deutsch-französischen Freundschaft in Frankreich rückte dieser Tage das Dorf Oradour sur Glane in den Mittelpunkt. Eine von Burkhard Tebbe geführte Reisegruppe aus Gerolzhofen hat auf Initiative des Partnerschaftskomitees Gerolzhofen-Mamers indes die Geste der Versöhnung in der dortigen Gedenkstätte bereits lange vollzogen, bevor nun Gauck und Frankreichs Staatspräsident François Hollande unter großem Medieninteresse in Oradour ihre Kränze niederlegten.
Das 800-Seelen-Dorf war bis zum 10. Juni 1944 ein idyllischer, vom Krieg noch unberührter Flecken im Südwesten Frankreichs. Doch an diesem Tag umstellten Soldaten einer Einheit der SS-Division „Das Reich“ den Ort, trieben die Einwohner brutal zusammen, erschossen die Männer, pferchten Frauen und Kinder in der Kirche ein, schossen in die Menge und zündeten das Gotteshaus und alle anderen Gebäude des Dorfes an.
642 unschuldige Menschen starben an jenem Tag in Oradour. Mit dem ungeheuerlichen Verbrechen wollte die SS-Division „Das Reich“ ein Exempel statuieren, um die französische Widerstandsorganisation, die Résistance, abzustrafen und abzuschrecken.
Während am 4. September 2013 laut französischer Presse Joachim Gauck und François Hollande in Oradour „eine neue Etappe in der langen Geschichte der deutsch-französischen Aussöhnung „im Großen“ markierten“, hatte dort, wie erwähnt, bereits am 29. August 1998 diese Geste der Versöhnung durch Gerolzhöfer Bürger auf dem Friedhof „im Kleinen“ stattgefunden.
Eine 50-köpfige Reisegruppe aus Gerolzhofen besuchte damals unter Führung von Burkhard Tebbe auf Initiative des Partnerschaftskomitees die Mahn- und Gedenkstätte von Oradour und legte im stillen Gedenken an die Opfer auch einen Blumenkranz nieder. Alle Teilnehmer waren in der Konfrontation mit der Geschichte dieses Ortes beim Gang durch das zerstörte Dorf zutiefst erschüttert, erinnert sich der damalige Reiseleiter.
Burkhard Tebbe hatte 1998 den Besuch von Oradour ins Reiseprogramm mit aufgenommen, da die Aussöhnung Ziel der Arbeit der beiden Partnerschaftskomitees ist. So soll für ihn überhaupt jede Reise zu den französischen Nachbarn auch eine Geste der Versöhnung sein – auch nach 50 Jahren offizieller deutsch-französischer Freundschaft, wie er betont.
Die Begegnung ist wichtig
Tebbe vertritt den Standpunkt, dass die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern sich nur in der Beständigkeit von Begegnungen vollziehen konnte, die über das gegenseitige Kennenlernen und das dabei füreinander entwickelte Verständnis jetzt nach mehr als 50 Jahren zu einer echten, funktionierenden und institutionalisierten Freundschaft geführt haben.
Freundschaften müssen gepflegt werden, so das Credo des Partnerschaftskomiteemitglieds. Und so pflegt seit über 40 Jahren das Partnerschaftskomitee Gerolzhofen-Mamers durch regelmäßige Kontakte und Reisen unter der Leitung von Burkhard Tebbe in alle Regionen und Landstriche des Nachbarlandes die deutsch-französischen Beziehungen und festigt dadurch die für die Einigung Europas so wichtige Freundschaft.
Der Weg führte in diesem Zusammenhang beispielsweise 2002 in das Museum für den Frieden in Caen mit Besuch der Orte der Invasion der Alliierten am so genannten D-Day 1944 entlang der Landungsküste in der Normandie.
Um den Ersten Weltkrieg ging es 2004 in Verdun. Während man also in Oradour Gauck und Hollande zuvorgekommen war, hatten es die Mitglieder, Freunde und Gäste des Partnerschaftskomitees aus Gerolzhofen in diesem Fall Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreis Staatspräsident François Mitterrand, die sich dort schon 1984 getroffen hatten, 20 Jahre später nachgemacht.
2005 wurde in Compiegne nochmals auf den Spuren des Ersten Weltkriegs gewandelt. In der Nähe des geschichtsträchtigen Ortes war in einem Eisenbahnwagen am 11. November 1918 der Waffenstillstand zwischen dem deutschen Kaiserreich sowie Frankreich und Großbritannien besiegelt worden. Er sollte für Deutschland weitreichende nachteilige Folgen haben.
Lagerort der V 2-Raketen
Zur Unterzeichnung der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 hatte Hitler zum Zeichen des Triumphes daraufhin denselben Waggon wieder auf die Waldlichtung bei Compiegne stellen lassen.
Ein weiteres Beispiel für die der Versöhnung dienenden Besuche ist die Reise 2012 nach Nord-Pas de Calais, als man sich nach Helfaut zu „La Coupole“ aufmachte. Die Anlage besteht aus einem gigantischen, unterirdischen Bunker, der von den Nazis errichtet wurde, um dort die V2-Raketen als vermeintliche Geheimwaffe zu lagern und für den Abschuss auf London vorzubereiten.
Ende August, Anfang September 2014 ist übrigens eine weitere Reise, diesmal nach Lyon und ins südliche Beaujolais, geplant. Dabei wird auf jeden Fall wieder ein Punkt ins Besuchsprogramm aufgenommen, der mit den beiden Weltkriegen in Verbindung steht, so Tebbe. In Lyon residierte zum Beispiel Klaus Barbie, der als „Schlächter von Lyon“ bekannt gewordene Gestapo-Chef.
Insofern ist es nichts besonderes, wenn eine Privatperson vor 15 Jahren Oradour besucht hat.
Die Überschrift hätte auch ein Hamburger Käseblatt mit vier Buchstaben drucken können.
Gerade bei einem solchen Thema ist eine reißerische Überschrift fehl am Platze.