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KUNSTHALLE
Schnitte in die Welt
Blick in die Ausstellung im Untergeschoss der Kunsthalle.
Foto: Peter Leutsch | Blick in die Ausstellung im Untergeschoss der Kunsthalle.
Von Andrea Brandl Leiterin der Kunsthalle Schweinfurt
 |  aktualisiert: 25.08.2016 03:37 Uhr

Christofer Kochs umkreist in seinen Arbeiten das Thema Menschenbild aus zeitgenössischer Sicht und nähert sich diesem in Form von Serien. Weltanschauung, persönliche Erinnerungen, aktuelle Reflexionen über den Alltag und Adaptionen aus der Musik vereint er virtuos auf Leinwand oder Papier in einer Malerei, in der die schwebenden Figurationen auch für eine große inhaltliche Offenheit stehen. Die Kunsthalle zeigt bis 23. Oktober Bilder und Skulpturen von Christo-fer Kochs.

Seine Gemälde versteht er als Resonanzboden, der – wie die akustischen Schwingungen eines Instruments – eine Verbindung mit dem Betrachter erzeugen soll. Die Kunsthalle stellt mit dieser monografischen Ausstellung die Bedeutung eines hochbegabten, jüngeren zeitgenössischen Künstlers heraus, der mit einem Hauptwerk in der städtischen Schausammlung „Wegmarken“ vertreten ist. Als weitere Station für die Ausstellung konnte der Kunstverein Ellwangen gewonnen worden, der den Künstler 2017 zeigen wird.

Ebenso wie die Malerin Bettina van Haaren, die im Herbst 2016 ebenfalls in einer monografischen Ausstellung zu sehen sein wird, ist Christofer Kochs eine Entdeckung des Kurators der renommierten Sparkassengalerie, Adolf Lutz, wo Kochs 2004 zu sehen war. Schon seinerzeit reifte der Wunsch, einerseits eine Arbeit des interessanten, in Augsburg lebenden Künstlers zu erwerben und anderseits nach einem gewissen zeitlichen Abstand mit ihm erneut eine Ausstellung in Schweinfurt auszurichten.

Für die erste Dauerpräsentation zur Eröffnung der Kunsthalle 2009 konnte seinerzeit die Arbeit „Faltungen“ angekauft werden. In der ständigen Sammlung ist sie im Kontext „Natur – Landschaft – Fiktion“ zu sehen, ein Thema, das vielschichtiger denn je in das Blickfeld zeitgenössischer Künstler tritt. Denn Menschenbild und Naturdarstellung sind in der Bildenden Kunst im 21. Jahrhundert nicht mehr voneinander zu trennen, diese Sujets verschmelzen miteinander, und besonders hier ist eine neue Poesie in der Bildsprache zu beobachten.

Christofer Kochs reduziert bei unserem Bild Landschaft auf ein Materialbild mit gefalterter Leinwand. Diese ist nun nicht ausschließlich mehr Bildträger, sondern zugleich das Bildthema. Das bedeutet, die Faltungen sind durchaus als topografische Angaben zu verstehen, die nahtlos in eine zarte Zeichnung von figürlichen Silhouetten und reduzierten vegetabilen Formen übergehen.

Ältere Bildlösungen, wie „Seismograph“ von 2008, setzen sich aus manuell zu gesägten Holzstücken zusammen, die einen gewissen Rhythmus erzeugen und dabei an die schöne Struktur des Steins Travertin erinnern, also bewusst Assoziationen zu natürlichen Formen hervorrufen. Bei anderen, zum Beispiel „Phasenverschiebung“, ist es nacheinander fixierte und gefaltete Pappe. Dieses Material assoziiert man in besonderem Maße mit einer Folie oder einer Jalousie und damit verbunden mit dem Eindruck, als würde sich noch etwas anderes hinter dieser Blende finden. Darauf spielen auch die aktuellen Bilder mit gerasterten Oberflächen an, hinter denen Figuren hervortreten oder vor denen menschliche Silhouetten verschwinden wie auf einer fotografischen Momentaufnahme.

Christofer Kochs sieht seine Arbeiten als Schnitte in die Welt und ermuntert den Betrachter ausdrücklich, in diese unbekannte Materie mit ihm zusammen einzutauchen. Thomas Elsen hat es „Malen als entdeckende Erinnerung“ genannt. Es handelt sich also um einen persönlichen Geschichtsspeicher. Der Maler verweist hierin auch auf einen zeitlichen Aspekt. Denn meist tauchen auf seinen Bildern Figuren auf, sei es nur als Silhouette oder fragmentarisch reduziert, die in irgendeine geheimnisvolle Handlung gleichsam eines Rituals eingebunden sind.

Im aktuellen Werk wird Christofer Kochs dabei deutlich konkreter, was Raum und Zeit betrifft. Scheinbar. Seine Bilder sind Bühnen für Inszenierungen, in denen Menschen aber isoliert im Raum erscheinen. Denn Figur, Architektur und Landschaft stehen in unterschiedlichen Ebenen, werden im Sinne kubistischer Darstellungsweisen facettiert und damit entfremdet.

Was auf den ersten Blick als anheimelnde Landschaftsmalerei anmutet, entwickelt sich auf den zweiten als kompliziertes und tiefsinniges Bewegungs- und Bedeutungsgeflecht. Kochs Protagonisten wirken in der traumhaften, fast surreal anmutenden Bilderwelt isoliert, und dennoch suchen sie den direkten Kontakt mit dem Betrachter, warten ab oder treten ihm im Bildraum sogar entgegen.

Kunsthistorische Bezüge herzustellen, fällt bei der Individualität seiner künstlerischen Handschrift schwer. Inspirationsquellen sind möglicherweise Giorgio de Chirico (1888–1978) oder der japanische Holzschnitt des 19. Jahrhunderts.

Christofer Kochs: Resonanzboden – Bilder und Skulpturen. Bis 23. Oktober, Kunsthalle.

Christofer Kochs
Foto: Wolfgang Reiserer, Augsburg | Christofer Kochs
 
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