Was genau ist eigentlich ein Borderline-Syndrom? Es geht um Grenzüberschreitungen, im Kopf. Als "Emotionsregulierungsstörung" bezeichnet Stefan Rehm diese psychische Erkrankung, die extremen Stimmungsschwankungen werden meist durch belastende Erfahrungen ausgelöst. Rehm ist Leiter des "Gutshofs" in Werneck, einer Wohngruppe, in der Persönlichkeitsstörungen nach einer stationären Behandlung endgültig abklingen sollen, von der Angstneurose bis hin zur Selbstgefährdung und eben "Borderline". Die "sozialtherapeutische Übergangseinrichtung" hilft seit zehn Jahren ehemaligen Patientinnen, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen. Der Schlüssel wurde zum 1. April weitergegeben, vom bisherigen, stark ausgelasteten Trägerverein "Aufwind" an die Caritas Schweinfurt.
Gefeiert wurde im neuen Antoniussaal und der "Casa Vielfalt", neben der Kirche St. Anton. Doris Weißenseel begrüßte als Abteilungsleiterin des "Sozialpsychiatrischen Diensts" der Caritas. Beim Abschied mit Neubeginn gab es Blumen und "hauchzarte Herzen" aus Schokolade als Dankeschön für die Akteure.
"Sie haben ein Pflänzchen übernommen, das es weiterhin zu pflegen gilt": Paul Strobel, Vorsitzender des "Aufwind", als Verein für gemeindenahe Psychiatrie, blickte zurück. Wohin konnte man Patientinnen 2011 guten Gewissens entlassen aus dem Psychiatrischen Krankenhaus Werneck? Erst sollte sie Betreutes Wohnen auffangen, dann genehmigte der Bezirk doch eine Übergangseinrichtung. Seit neuestem geht es verstärkt um Traumatherapie. Soziale Gemeinschaft, Beziehungen, Therapie – der Gutshof sei mit diesem Angebot in der Umgebung weitgehend einzigartig, stellte Strobel fest.
Einige der Bewohnerinnen waren mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Im Haus erhält ihr Alltagsleben Struktur. Personal und Schützlinge begegnen sich auf Augenhöhe. Eine Rufbereitschaft sorgt dafür, dass auch nachts eingegriffen werden kann. Dann hatten die jungen Frauen vom Gutshof das Wort, die zusammen mit Musiktherapeutin Alexa Friedel Lieder beisteuerten. "Die Betreuer haben mich nicht aufgegeben", "Ich habe viele Freunde gefunden, was ich vorher nicht für möglich gehalten habe", "Man fühlt sich wirklich verstanden, geben sie uns nicht auf", "Der Gutshof hat mir wirklich das Leben gerettet" – solche Zitate sprachen der zehnköpfigen WG aus der Seele. Die gesellschaftliche Stigmatisierung ist immer noch hoch, auch das wurde in den Wortbeiträgen deutlich.
"Es wird keine Verschlechterung geben", das versprach Kilian Hartmann als Vorsitzender der Schweinfurter Caritas. Alle 15 Beschäftigten würden als Caritas-Mitarbeiter übernommen. Der dezentrale Ort strahle Ruhe aus, andererseits sei das Gebäude schon etwas in die Jahre gekommen. In ferner Zukunft sei ein Umzug in die Stadt nicht ausgeschlossen, sagte Doris Weißenseel. In den nächsten Jahren ist aber keine größere Veränderung geplant. Geschäftsführer Frank Kupfer-Mauder gab zuletzt einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten der Caritas. Kilian Hartmann erinnerte daran, dass ein großer Teil der Kirchensteuer der Bewältigung dieser Aufgaben diene.