Feiner Staub wirbelt auf, als die Säge in den Sandstein dringt und eine Vierung, ein Ersatzstück, für die Schlossfassade ausschneidet. Daneben, auf dem staubbedeckten Boden vor dem denkmalgeschützten Gebäude, stehen Paletten mit neuen Sandsteinen und handgefertigten Fensterbänken. Hier wird renoviert, die Außenwand des Schlosses wird instandgesetzt. Es sind aufwändige Arbeiten, mit denen das historische Ensemble erhalten wird, damit wieder vielfältiges Leben in die alten Mauern einziehen kann.
Die Jahrhunderte haben ihre Spuren am Schloss Obbach hinterlassen: Risse und Auswaschungen in der Sandsteinfassade sind sichtbar, aber auch Einschusslöcher von Gewehrkugeln. Diese bleiben als Teil der jüngsten Geschichte erhalten, als im April 1945 amerikanische Truppen das Dorf einnahmen. Poröse Steine dagegen werden erneuert. Denn die Gefahr, dass Wasser eindringt, muss gebannt werden.
"Es war schwierig, einen Sandstein in Farbe und Struktur zu finden, der zur Fassade passt", erläutert Andreas Schäfer von der Eigentümerfamilie. Denn der gleiche Zeiler Sandstein, der beim Anbau des "Neuen Schlosses" 1746/47 an das Bestandsgebäude verwendet wurde, wird nicht mehr gebrochen.
Akribisch arbeiten die Handwerker der Bauhütte Quedlinburg an der Hauswand. "Der alte Fugenmörtel wurde chemisch analysiert und für die Neuverfugung entsprechend konzipiert", erklärt Schäfer ein Detail der Renovierungsarbeiten. Mit solchen Anforderungen der Denkmalpflege kommt der Bauherr gut klar. Fühlt er sich doch dem Schloss und seiner Geschichte verbunden, das 1924 sein Urgroßvater, Geheimrat Georg Schäfer, beziehungsweise dessen "Erste Automatische Gußstahlkugelfabrik", die spätere FAG Kugelfischer, kaufte. Begeistern kann sich der Archäologie-Professor zudem für die verschiedenen Bauphasen. Was und wie saniert wird, soll "zweckmäßig und dem Gebäude dienlich sein". In Architektin Anne-Kristin Geller hat er eine Kennerin im Umgang mit historischen Häusern gefunden.
Dass Denkmalschutz und eine tragfähige Nutzung des Gebäudes vereinbar sein müssen, ist mittlerweile unumstritten. Entsprechend unterstützt die Behörde auch das Konzept der Schäfer GbR, im Neuen Schloss Seminarräume und Büros zum Anmieten für Firmen einzurichten und im Alten Schloss zeitgemäße private Wohnräume zuzulassen.
Ganz schnell musste 2016 die Renovierung der Gebäudehülle angegangen werden: Das Dach verlangte eine Notsicherung, nachdem der Statiker dort akute Einsturzgefahr befürchtete. "Letztendlich beruhte das Problem auf einem Konstruktionsfehler beim Anbau des Neuen Schlosses", weiß Andreas Schäfer.
Das Alte Schloss, ein Fachwerkbau, hatte einst Georg Ludwig von Bobenhausen 1692 bis 1697 zum Stammsitz seiner freiherrlichen Familie in Obbach ausbauen lassen. Sein Sohn Friedrich Ernst setzte 50 Jahre später das Neue Schloss im Stil Balthasar Neumanns aus Sandsteinen an, allerdings ohne Rücksicht auf die alten Geschosshöhen.
Für eine Höhenangleichung wurde damals beim Alten Schloss das Dach weggenommen und ein Zwischenstockwerk, ein Mezzanin von geringer Höhe, eingebaut. Das neue Dach hatte dann aufgrund fehlender Rückverankerung die Mezzanin-Wand über die Jahrhunderte stark nach außen gedrückt.
Der aufwändigen Sicherung folgten ab 2017 Ausbesserungen und Ersetzungen von diversen Dach- und Deckenbalken im Neuen Schloss. "Im 19. Jahrhundert war das Dach undicht gewesen", erläutert Schäfer, weshalb etliche Hölzer verfaulten.
Beim Blick zur geöffneten und mittlerweile reparierten Decke im zweiten Stock des Sandsteinbaues wird die barocke Konstruktion sichtbar: Ein Flechtwerk aus Stroh und Lehm lag einst auf den Deckenbalken. "Dort wird wieder Lehm aufgetragen", erklärt der Bauherr, "die Decke braucht das Gewicht, da sie sonst zu sehr schwingt."
Allerdings wurden bei der Reparatur die Stuckverzierungen in den Räumen, in denen später Büros einziehen sollen, beschädigt. "Das war vorher nicht absehbar". Ebensowenig wie größere Renovierungen im Bereich der Wohnräume im Alten Schloss. "Der Plan war, dass man mit geringem Aufwand dort einziehen kann", erzählt Schäfer. Dass eine Vollsanierung nötig wurde, lag auch an der ursprünglichen Bauausführung, einer Mischkonstruktion aus Fachwerk und Steinbau.
"Der Bau des Alten Schlosses hatte sich Ende des 17. Jahrhunderts verzögert, weil die Obbacher Bürger dem Herrn von Bobenhausen die Frondienste verweigerten", gibt Schäfer die Recherchen des Historikers Dr. Volker Rößner und des Bauforschers Professor Stefan Breitling wieder. Die Hölzer für den Bau lagerten da schon in Schweinfurt. Als das Werk dann fortgeführt wurde, wollte der Freiherr mit Stein bauen, aber die vorhandenen Hölzer auch verwenden: für das Fachwerk und dessen umlaufende Schwelle. "Diese Schwelle war verfault, so dass die Mauer instabil wurde", denkt Schäfer zurück. Sie musste teilweise erneuert werden. Neu eingedeckt werden mussten die riesigen Dachflächen des Gebäudes. Ein Drittel der alten Ziegel konnten wieder verwendet, neue mussten in zwei Farbtönen beschafft werden.
Aufwändig aufgearbeitet werden derzeit die 134 Fenster des Schlosses, davon noch zwei originale Kreuzstockfenster aus der Barockzeit. Am sogenannten Rittersaal sind die bleigefassten und mit Wappenscheiben versehenen Fensterflügel bereits ausgebaut. Vor Ort haben sich die Fensterbauer im Neuen Schloss ihre Werkstatt eingerichtet. Dort, wo sich ein Teil der Gemäldesammlung von Andreas Schäfers Großvater Georg befand, und wo zuvor, seit den 1930er-Jahren und wieder nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Erholungsheim für Werksangehörige und Rentner der Firma Kugelfischer geführt wurde. In dessen ehemaligem Waschraum hängen noch die nummerierten Handtuchhalter aus dieser Zeit. Und unter dem grünen Linoleumfußboden lugt der barocke Holzboden hervor.
Ein besonderes Kleinod restauriert derzeit die Jugendbauhütte Quedlinburg mit dem sogenannten Rokokozimmer und seinen floralen Wand- und Deckenmalereien aus den 1920er-Jahren.
Viel Arbeit wartet noch in der ehemaligen Mansardenwohnung im Neuen Schloss. Nachträglich eingesetzte Dachgauben ließen Wasser eindringen, weshalb Balken ergänzt werden mussten. Im Zuge der Instandsetzung sind hier mehrere Zimmer für Übernachtungsgäste geplant.
Mit hohen persönlichen Mitteln widmet sich die Bauherren-Familie der originalgetreuen Sanierung ihres Schloss. Andreas Schäfers Ziel ist, bis 2024, also 100 Jahre nach dem Kauf durch seinen Urgroßvater, das Gebäude für die Zukunft gewappnet zu haben. Apropos Wappen: Der falsche, fast verwitterte Schriftzug über dem Wappen am Eingang "Freiherr Krafft von Bobenhausen" soll dann auch wieder richtig dem Schloss-Erbauer gewidmet werden: "Friedrich Ernst von Bobenhausen".