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MAINBERG
Schloss Mainberg: Witwensitz, Fabrik und Residenz
Schloss Mainberg, oberer Hof.
Foto: Mainfränkisches Museum,Laszlo Ruppert, Mathias Wiedemann | Schloss Mainberg, oberer Hof.
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 17.06.2016 13:39 Uhr

Schloss Mainberg ist aus vielen Gründen bemerkenswert: Es ist eine der letzten mittelalterlichen Burgen überhaupt, die heute noch bewohnbar sind, es ist eine Art Brennpunkt nicht nur der regionalen Geschichte, und es ist – neben den Königsschlössern – eines der letzten Beispiele für den sogenannten Bayerischen Historismus, einen Bau- und Ausstattungsstil, über den die Geschichte vielerorts längst hinweggegangen ist.

Der opulent ausgestattete, wissenschaftlich fundierte und dabei gut lesbare Band „Fürsten & Industrielle – Schloss Mainberg in acht Jahrhunderten“ beleuchtet nun in 16 Kapiteln den Werdegang des Schlosses von der vermutlich im 13. Jahrhundert als Konkurrenzbau zur Peterstirn begonnenen Zwingburg über die Fabrikationsstätte der Sattlerschen Tapeten, die Residenz der Industriellenfamilie Sachs bis hin zum kurzen Gastspiel des schillernden „Glatzenkönigs“ Wilhelm Heger, der Abhilfe bei Kahlköpfigkeit versprach und im Gefängnis landete.

Grundlage des Buchs sind die Erkenntnisse einer Tagung des Historischen Vereins Schweinfurt im Jahr 2009, dessen Vorsitzender Uwe Müller neben dem Historiker Thomas Horling auch Herausgeber und einer der Autoren ist. Horling beleuchtet die Frühzeit der Burg, befasst sich aber auch (gemeinsam mit Andrea Brandl von den Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt) mit Sattlers Tapetenfabrik im 19. Jahrhundert und der Familie Sachs.

Irmgard Wenner schreibt über „Adeliges Frauenleben am Ausgang des Mittelalters“, womit Gräfin Margarete von Henneberg (1450–1509) gemeint ist, die Mainberg zum repräsentativen Witwensitz ausbaute und ihm damit sein heutiges Erscheinungsbild gab.

Uwe Richardsen, ein Nachkomme der Familie Sattler und Enkel des Theologen, Publizisten und Lebensberaters Johannes Müller, beschreibt das Leben in der „Freistatt persönlichen Lebens“, zu der Müller das Schloss in den Jahren 1903 bis 1914 machte. Johannes Müller gründete 1916 Schloss Elmau, zu dessen Gästen später Yehudi Menuhin, Vicco von Bülow oder Johannes Rau zählten.

Eine Sensation, so Herausgeber Thomas Horling, war, dass Richardsen im August, als das Buch eigentlich längst fertig war, noch ein Konvolut an bislang völlig unbekannten Innenaufnahmen aus der Zeit fand, bevor Ernst Sachs das Schloss umbauen ließ. Für Horling hat das Buch außerdem drei wesentliche, so zuvor noch nicht vertiefte Schwerpunkte: Das Kapitel über den Münchner Historismus, die akribische Recherche der Baugeschichte und die Würdigung der Kunstsammlung von Catharina und Wilhelm Sattler.

Martin Brandl vom Landesamt für Denkmalpflege befasst sich mit dem Historismus als Ausdruck der dynastischen Ambitionen von Ernst Sachs – mit patriotischen Wahlsprüchen („Im Krieg gebaut / auf Sieg vertraut – 1917“), über 20 Wappen im ganzen Haus und jeder Menge Ritter- und Renaissance-Zierrat. 1917 war diese Stilwahl nicht eben fortschrittlich – zwei Jahre später wurde in Weimar das Bauhaus gegründet.

Daniel Burger, einer der führenden Burgenforscher (Horling), hat die Baugeschichte untersucht und dabei herausgefunden, dass der Bergfried nicht der älteste Teil der Burg ist, sondern der Saalbau im Nordflügel. Eine dendrochronologische Untersuchung der Balken im Bergfried hat ergeben, dass die Bäume dafür im Winter 1525/26 gefällt wurden. Was wiederum vermuten lässt, dass der Bergfried im Bauernkrieg 1524 zerstört worden war.

Die Sattlersche Kunstsammlung schließlich würdigt Erich Schneider, Leiter der Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt – ihre Entstehung, ihre Provenienz (so weit ermittelbar), ihre Bedeutung. Und die liegt nicht zuletzt in der Tatsache, dass die Sattlers zu den ersten Sammlern gehörten, die das Genie Tilman Riemenschneiders wiederentdeckten. Nach Auflösung und Versteigerung der Sammlung 1903 sind dessen Skulpturen nun Attraktionen vieler verschiedener Museen. Einst waren sie hier an einem Ort vereint.

„Fürsten & Industrielle – Schloss Mainberg in acht Jahrhunderten“, Mainfränkische Studien Band 80, kostet 29 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.

Hennebergisch-braunschweigisches Doppelwappen im oberen Schlosshof.
| Hennebergisch-braunschweigisches Doppelwappen im oberen Schlosshof.
Schloss Mainberg, roter Saal.
| Schloss Mainberg, roter Saal.
 
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