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Schweinfurt
Wohnungsnot in Schweinfurt: Neuer Campus, aber wo schlafen die Studierenden?
Wohnungsnot, Teil 1: Andrei lebt seit drei Jahren im DJK-Heim. Andere finden gar keine Unterkunft. Kann eine Stadt wie Schweinfurt so viele international Studierende unterbringen?
Klein und spartanisch: Andrei lebt und studiert seit drei Jahren in diesem Zehn-Quadrat-Meter-Zimmer im DJK-Heim.
Foto: Anand Anders | Klein und spartanisch: Andrei lebt und studiert seit drei Jahren in diesem Zehn-Quadrat-Meter-Zimmer im DJK-Heim.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:29 Uhr

Andreis Studentenbude ist zehn Quadratmeter groß. Die Wände sind kahl, die Einrichtung spartanisch: Ein Schrank, ein Tisch, ein Stockbett, zwei Stühle. Kein Bild an der Wand, kaum etwas Persönliches im Zimmer. Nur Laptop und Smartphone verraten, dass hier jemand wohnt. Für viel mehr ist auch nicht Platz.

Andrei ist 22 Jahre alt und kommt aus Moskau. Seit drei Jahren lebt er im Zimmer Nummer 10 im Schweinfurter DJK-Heim an der Niederwerrner Straße. Eigentlich übernachten hier Durchreisende. Wanderer, Radfahrer, Monteure. Mit Andrei zog vor drei Jahren der erste Student ein. Auf Dauer. Bald könnte das Schule machen. Denn Schweinfurt rühmt sich zwar als Studentenstadt mit internationalen Studiengängen, doch was Schweinfurt nicht hat, sind genug Studentenwohnungen.

Es wurde zwar ein schicker Campus auf dem Konversionsgelände der ehemaligen Ledward-Baracks gebaut, nicht aber der dazugehörige Wohnraum geschaffen. Wer sich zum Herbst/Winter-Semester an der Fachhochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) eingeschrieben hat, kämpft deshalb mit der Wohnungsnot.

Jugendherbergeflair: Im DJK-Heim finden Studierende ohne Wohnung vorübergehend Unterkunft. 
Foto: Anand Anders | Jugendherbergeflair: Im DJK-Heim finden Studierende ohne Wohnung vorübergehend Unterkunft. 

Dieses Jahr ist es besonders schlimm, weil doppelt so viele Studierende auf Wohnungssuche sind. Denn aufgrund des fast ausschließlich digitalen Hochschulbetriebs während der Corona-Pandemie waren die Erstsemester 2020/21 gar nicht erst angereist, auch weil sie kein Visum bekommen hatten. Jetzt gibt es wieder Vorlesungen in Präsenz, weshalb diese inzwischen im dritten Semester Studierenden nun mit den Studienneulingen auf dem Wohnungsmarkt konkurrieren. Für das aktuelle Erstsemester gab es 511 Immatrikulationen in den internationalen Studiengängen, annähernd gleichviel waren es vor einem Jahr. Die deutschen Studierenden kommen noch obendrauf. 

Wer nicht Deutsch spricht, hat es besonders schwer

Divyesh Jaswal und Kruthik Srinivas gehören zu den Drittsemestlern, die den Hörsaal in Schweinfurt nun erstmals von innen sehen. Seit Anfang August suchen die beiden Inder eine Unterkunft. Bislang vergeblich. Die Studentenwohnheime sind voll, die Wartelisten lang und private Angebote überschaubar, zu teuer oder zu weit weg. Und: Wer nicht Deutsch spricht, hat es besonders schwer. "Wir standen Schlange, um ein Appartement anzuschauen." Am Ende gab es eine Absage. Vorübergehend sind die beiden nun erst einmal bei Bürgermeisterin Sorya Lippert untergekommen.

Neu und schick: Das Gebäude der Fachhochschule für angewandte Wissenschaft auf dem Campus der ehemaligen Ledward-Kaserne.
Foto: Anand Anders | Neu und schick: Das Gebäude der Fachhochschule für angewandte Wissenschaft auf dem Campus der ehemaligen Ledward-Kaserne.

Den Kontakt hat ihnen ein Landsmann vermittelt: Minto Mathew studierte 2013 Business Management an der FH in Schweinfurt und hat hier beruflich Fuß gefasst. Weil er um die Probleme gerade von ausländischen Studierenden weiß, hat er die Facebook-Gruppe "Indians in Schweinfurt" ins Leben gerufen. Hier vermittelt er Kontakte von Vermietern, die er noch aus seiner Studienzeit kennt, oder hilft bei sprachlichen Problemen. Er fasst die Problematik in Schweinfurt so zusammen: "Stadt und Hochschule wollen viele internationale Studenten, aber es sind keine Wohnungen für sie da."

Andrei schlief zwei Wochen im Keller einer Sporthalle 

Auch Andrei hat vor drei Jahren diese Erfahrung gemacht. Zwei Wochen schlief er im Keller einer Sporthalle. Ohne Heizung und in Winterkleidung. Über ein Internet-Buchungsportal ist er dann auf das DJK-Heim aufmerksam geworden. Hier gibt es elf verschieden große Zimmer, vom Einzel- bis zum Zehn-Bett-Zimmer, eine Gemeinschaftsküche und Sanitäranlagen auf dem Gang. Früher war die einer Jugendherberge ähnelnde Einrichtung für Übernachtungen bei Sportlertreffen gedacht. Heute vermietet die DJK an jedermann. "Vom Bauarbeiter bis zum Arzt, von Familien bis zu verlassenen Ehemännern hatten wir schon alles da", sagt Hausmeister Rolf Gackstetter. 19,50 Euro kostet die Nacht, ab drei Nächte sind es 17,50 Euro und im Mehrbettzimmer 13,50 Euro. Heizung und WLAN sind inklusive, ebenso wöchentliche Zimmerreinigung und Bettwäschewechsel.

Für Andrei sollte es eigentlich eine Übergangslösung sein. Doch weil der junge Student nichts Passendes fand, durfte er bleiben. Inzwischen sind es drei Jahre, die Andrei in dem kleinen Zimmer wohnt und studiert. Tatsächlich hat er während des Lockdowns zwei von drei online-Semestern ausschließlich in diesen zehn Quadratmetern absolviert. "Für mich ist das okay", meint der sympathische 22-Jährige bescheiden. Hier werde er beim Lernen nicht abgelenkt. 

Andrei hat inzwischen erfolgreich sein Studium in Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Bachelor beendet. In nur sechs Semestern. Die Regelstudienzeit sind sieben, die Praxis neun Semester. Wirtschaftsingenieurwesen gilt als anspruchsvolles Studienfach. Nicht jeder schafft die Prüfungen im ersten Anlauf. Andrei hat es auf Anhieb geschafft und dafür fleißig gelernt. Jetzt möchte er erst einmal Geld verdienen, um auch seine Eltern zu entlasten, die ihn während des Studiums finanziell unterstützt haben. Sobald er eine Arbeitsstelle gefunden hat, wird er sich nun eine größere Wohnung suchen.  

Freie Zimmer sind Mangelware

Das Zimmer Nr. 10 wird vermutlich nicht lange leer bleiben. "Letzte Woche hatten wir fünf Anfragen", verweist Hausmeister Gackstetter auf das steigende Interesse von Studenten, zumindest übergangsweise im DJK-Heim unterzukommen.

Rettungsanker: Die DJK Schweinfurt bietet Übernachtungsmöglichkeiten für Studierende, die noch keine Wohnung gefunden haben.
Foto: Anand Anders | Rettungsanker: Die DJK Schweinfurt bietet Übernachtungsmöglichkeiten für Studierende, die noch keine Wohnung gefunden haben.

Angesichts der hohen Zahl an Studierenden, die eine Wohnung suchen, ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein. "Es gibt eine riesige Warteliste auf Facebook", sagt Divyesh Jaswal, der sich mit seinen Kommilitonen über digitale Kanäle austauscht. "Ich schaue jede Stunde nach, ob es etwas Neues gibt." Eine Option haben die beiden noch: Sie wollen bei der Wohnbaugesellschaft SWG nachfragen. Die Wohnungen der städtischen Tochter sind aber eher für Familien gedacht und in der Regel nicht möbliert. Ohne Auto und Unterstützung für einen jungen Studierenden aus Indien, Pakistan oder Tunesien ist das ein schwieriges Unterfangen.

Was tun? Neue Studentenheime sind nötig, aber kurzfristig nicht zu verwirklichen. Bürgermeisterin Sorya Lippert will deshalb Vermieter überzeugen, Leerstände in der Innenstadt als Studentenwohnung herzurichten. Als Anreiz könnte es einen städtischen Zuschuss geben. Ein entsprechender Antrag sei bereits von "Schweinfurt erleben" vorbereitet und soll bei der Stadtverwaltung eingereicht werden.

Auch bei der SWG sieht Lippert Möglichkeiten, Studierende unterzubringen, wenn über einen Trägerverein größere Wohneinheiten angemietet und für studentische Wohngemeinschaften ausgestattet werden. Und an private Vermieter appelliert sie, freien Wohnraum für Studierende zur Verfügung zu stellen. Zum gegenseitigen Austausch schlägt sie vor, einen Vermieter-Stammtisch zu gründen. 

"Wir müssen in irgendeiner Form Aktivität entwickeln", sieht Lippert sowohl die Stadt als auch die FHWS in der Pflicht. "Wir protzen mit unseren Studiengängen und Erfindungen, dann müssen wir auch schauen, dass die Menschen hier schlafen können." 

Lesen Sie in der nächsten Woche "Wohnungsnot, Teil 2": Was Stadt, Studentenwerk und FHWS gegen die Wohnungsnot der Studierenden tun wollen.

 
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  • K. U.
    #So kommen HANDEL und INNENSTÄDTE aus der Krise
    SCHWEINFURT braucht wie viele Städte+Gemeinden nach dem destruktiven LOCKDOWN eine innerstädtische BAUKULTUR-INNITIATIVE und STRATEGIEN:

    1. HANDEL fördern und fordern
    • Aktive kommunale Gestaltung eines funktionierenden Branchenmix #Leerstandcoaches + Ausübung des Vorkaufsrechts
    • Gründerzentren für den Handel einrichten

    2. PLANUNGSRECHT + Lärmschutz lösen
    > Kerngebiet BauNVO für Leben+Wohnen+Arbeiten+Läden EG + Mixed Use +Experiemtelles BAUEN + Verbot Zentrenschädigender Einzelhandelsstandorte

    3. Öffentliche INVESTITIONEN in die Innenstadt
    > Ansiedlung öffentlicher Gebäude in Kernstadt mit hoher BAUKULTUR + Ausbau ÖPNV Erfurt-SW-KT + Quartiersentwicklung + kulturell-kreativwirtschaftliche experiment. Projekte

    4. FÖRDERUNG der Innenstadt
    > Sonderabschreibung Innenstadt + Städtebauförderung + Beirat Innenstadt als offene BÜRGERWERKSTATT

    https://www.bundesstiftung-baukultur.de/fileadmin/211019_StatementInnenstadt_BSBK_DV_HDE.pdf
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  • M. R.
    Da sieht man schön wie blödsinnig die schöne neue Sprachwelt ist!

    Studierende sollten nirgend wo schlafen, denn sie studieren ja gerade!

    Sonst wären es ja schlafende!

    Studenten sollten freilich auch mal schlafen…
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  • F. R.
    Vor dem Abbruch fast aller Wohnblocks in Askren Manor schlug man vor, diese für Sozialwohnungen & Studentenwohnheime zu nutzen. Aber die Stadt Schweinfurt ist leider beratungsresistent.

    Investoren flüchten ins Betongold und suchen Anlagemöglichkeiten! Studentenwohnheime sind vermutlich keine schlechte Geldanlage. Am Rand der Innenstadt gibt es hässliche Baulücken, Hütten & Scheunen (z. B. Obertor). Zudem führt die 600 m lange Carus Allee ins Nichts. Die LGS plant man ebenfalls im Nichts, statt sie mit Bebauung einzurahmen, wie in Würzburg. Das sind alles verschenkte Baupotenziale! Carus Park und Innnestadt bekämen zudem mehr studentisches Leben. Ein Win-win-win-Situation.

    Wie lange müssen wir noch zusehen, dass die Stadtverwaltung aus den vielen sich bietenden Möglichkeiten so wenig macht? Schweinfurt leidet unter der derzeitigen Lethargie im Rathaus!
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  • F. R.
    PS: Der große Vorteil Schweinfurts, als Studentenstadt mit vergleichsweise niedrigen Mieten & Preisgefüge, wird so zunichte gemacht!

    Offensichtlich hat man wegen der LGS zu wenig Zeit für andere, viel wichtigere Dinge; Prestigeprojekte scheitern aber meist und verbrennen Unmengen Steuergelder - siehe PKW-Maut der CSU
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  • K. U.
    Bitte nicht mit Versalien übertreiben, dann schalten wir den Kommentar gerne frei
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  • K. U.
    Die Rathaus-Koalition besteht nicht nur aus CSU+Bürgermeister

    Die GRÜN*INNEN schwimmen im ideologischen ZEITGEIST und schlummern im medialen SONNENSCHEIN ihrer Hofberichterstatter den MEDIEN

    ANKEREINRICHTUNG + Beginn des PRÄSENZUNTERRICHTES hat die Wohnsituation schon seit 2015 !!! für alle MIETER extrem angespannt und wäre eine gemeinsame Aufgabe der REGIERUNG von Unterfranken, BlmA, Stadt + LRA SW

    Die städtebauliche Nutzung der ehemaligen Kasernengebäude und Carus-Allee-Achse für studentisches LEBEN+WOHNEN mit Anbindung an den ÖPNV hätte tatsächlich Priorität

    CSU+GRÜNEN fehlt die personelle Fachkompetenz und Vision für "ZUKUNFT findet STADT" und die VERWALTUNG gibt dem Stadtrat den Takt vor

    Wer ist KOCH - Wer ist KELLNER ?

    Die ERGEBNISSE der BÜRGERWERKSTÄTTEN zur KONVERSION mit See und Bebauung wie "Olympisches Dorf München" unterhalb Kleingärten -wurden von Verwaltung+Wettbewerb ignoriert und die bekannten PROBLEME ausgeblendet

    Gibt es nur LGS+ZEITGEIST-THEMEN in der STADT ?
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  • F. R.
    @all: das haben Sie treffend zusammengefasst: "Die VERWALTUNG gibt dem Stadtrat den Takt vor ... Wer ist KOCH - Wer ist KELLNER ? ... Gibt es nur LGS+ZEITGEIST-THEMEN in der STADT ?"

    Es gibt in der Ära nach Grieser (CSU) keinerlei Visionen oder Leitbilder zur Stadtentwicklung von Seiten des OB und der Stadträte; stattdessen nur populäre Zeitgeist-Worthülsen, wie "Pop-up-Radwege", "Tiny Houses", "Hundespielplatz", "Pop-up-Stores" & "Grünes Band" = Carus Allee ohne Fahrbahn(!) und ohne Stadtbus(!), an der man so keine Studentenwohnheime errichten kann! Man lässt sich von Schlagworten in den Irrtum treiben!
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