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„Schau die Symbole an“
Ostern in Gerolzhofen: Vom Kinderkreuzweg über die musikalische Andacht bis zum Hochamt reichte das Spektrum der Gottesdienste vor und an Ostern.
Von Matthias Beck, Dominik Dorsch und Karin Sauer
 |  aktualisiert: 21.04.2014 18:48 Uhr

Als die Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche zu Beginn der Osternachtsfeier im Dunkeln lag, leitete Pfarrer Stefan Mai die folgenden zwei Stunden mit einer Ansprache über den Sinn des Festes ein. Wenn man als Christ gefragt werde, was Ostern bedeute, gerate man schnell ins Stottern. Klüger als alle wortlastigen Erklärungsversuche wäre es zu sagen: „Schau dir doch die Symbole der Osternacht an.“

Die kleine Flamme in der Nacht breite ihr Licht in der dunklen Kirche aus und vertreibe die Finsternis, so Mai. Wasserspritzer, die müde Geister aufwecken sollen, Glockengeläut, strahlende Orgelklänge und Weihrauchduft – Symbole hätten immer die Augen öffnen wollen und spüren lassen, was man nicht in Worte fassen könne.

Als weiteres Symbol nannte Mai einen Tanz durchs Labyrinth. In der Predigt erläuterte er, dass es Kirchengemeinden gebe, die dafür das Gestühl aus der Kirche räumten und auf dem Fußboden ein Labyrinth aufzeichneten. Die Besucher eingeladen, die verschlungenen Wege des Labyrinths abzugehen und dabei über die verschlungenen Lebenswege nachzudenken.

Dies greife auf eine mittelalterliche Tradition zurück, so der Pfarrer. In den Kathedralen französischer Städte wie Chartres und Amiens seien im Boden Labyrinthe eingelegt, die Pilger nachgehen, außer am Ostersonntag. An diesem habe sich der Bischof mit seinem Domkapitel um das Labyrinth gestellt. Ein Priester habe ihm einen Ball gereicht, worauf der Bischof im Walzertakt über die Irrwege des Labyrinths getanzt sei.

Er habe den Domkapitularen den Ball zugeworfen und sie zum Mittanzen eingeladen, bis alle in Bewegung gewesen seien. Der Ball symbolisiere die Ostersonne, die Licht ins Leben bringe und Menschen neu in Bewegung versetze. Die Wege des Lebenslabyrinths blieben trotzdem manchmal verworren, sagte er. Schicksalsschläge und Sackgassen gehörten zur menschlichen Existenz. Die Botschaft aber sei, sich von der Osterbotschaft einladen zu lassen, neue Schritte zu wagen. „Vertrau darauf: Über dir gibt es einen, der wieder Bewegung und neue Möglichkeiten in dein Leben bringen will“, sagte er, und Kantor Karl-Heinz Sauer spielte einen Orgelwalzer.

Gesänge der Choral-Schola und Orgelstücke ergänzten den Gottesdienst. Im Hochamt am Ostersonntag sprach Mai wieder darüber, dass es darum gehe, einen Schnitt zu machen und neu zu beginnen. Ein Gemeinschaftschor aus dem Gesangverein Frankenwinheim und dem Chor der Stadtpfarrkirche unter Karl-Heinz Sauer, begleitet von Edgar Sauer an der Orgel, umrahmte das Hochamt. Den feierlichen Gottesdienst am Montag zelebrierte der Rektor im Zentralkomitee der deutschen Katholiken in Bonn, der gebürtige Gerolzhöfer Stefan-Bernhard Eirich. Klaus Vogt spielte festliche Orgelmusik.

Feierlich beging man Ostern auch in der evangelischen Erlöserkirche. „Ich habe Angst. Ich habe Zweifel. Ich möchte mich retten. Mein Vater, mein Vater, warum hast du mich verlassen?“, so könnte Jesus gedacht haben. Daran erinnerte man mit einer musikalischen Andacht. Pfarrer Jean-Pierre Barraud las aus dem Roman „Das Evangelium nach Pilatus“ des französischen Autors Eric-Emanuel Schmitt. Die biblischen Worte seien nach unzähligen Wiederholungen nur noch routinierter Refrain, so Schmitt über die Intention seines Buches, in dem er Gedanken und Worte Jesu neu fasst. Ausführlich werden seine ersten 30 Jahre dargestellt, in denen er als normaler Mensch unauffällig lebt. „Das Göttliche offenbarte sich erst nach und nach“, liest Barraud. Der ständige Wechsel zwischen der Orgelmusik Rainer Gaars und den von Barraud gelesenen Texten sorgte für Dynamik wie für Nachdenklichkeit.

„Am Palmsonntag haben die Menschen Jesus mit Palmzweigen begrüßt und ihn umjubelt“, eröffnete Pfarrerin Anja Saltenberger-Barraud den ökumenischen Kinderkreuzweg in Gerolzhofen. Doch bald folgten Verrat, Verhaftung, Tod. Kinder und Eltern machten sich auf einen Weg über fünf Stationen, von der Erlöserkirche bis zur Friedhofskapelle. Jede Station hatte ein Thema, an jeder wurden symbolische Handlungen durchgeführt, die das Leiden Christi beschrieben.

„Die Hände in Unschuld waschen“, hieß die erste Station. Der Reihe nach kamen die Kinder zu einer Waschschüssel, in der ihnen die Hände gewaschen wurden. Das stand zum einen symbolisch für die Fußwaschung, die Jesu an den Jüngern vornahm, zum anderen für Pilatus, der sich nach dem Todesurteil die Hände wäscht zum Zeichen: Ich habe keine Schuld, ich habe nichts damit zu tun.

„Das Kreuz tragen helfen“ hießen weitere Stationen, „Nackt und bloß“ sowie „Jesus wird am Kreuz festgenagelt und stirbt“. „Auch wir können andere festnageln, mit Worten, und machen sie damit fertig“, hieß es. Jedes Kind durfte symbolisch einen Nagel in das Holz des Kreuzes schlagen. Mit „Jesu bringt Licht in unsere Welt“ endete der Kinderkreuzweg, den ein ökumenisches Vorbereitungsteam gestaltete und Anja Saltenberger-Barraud auf der Querflöte und Horst Brand mit der Gitarre begleiteten.

Am Ostersonntag begleiteten der Posaunenchor unter Martina Heßmer und der Projektchor unter Leitung von Dekanatskantor Reiner Gaar den evangelischen Festgottesdienst. Er folgte der Casteller Liturgie, einer von Gaar komponierten feierlichen Form. Pfarrer Jean-Pierre Barraud ging in der Predigt auf den neuen Film „Lauf, Junge, lauf“ von Pepe Danquart ein. Dieser erzähle die autobiografische Geschichte von Srulik-Jurek-Yoram Fridman, der 1942 mit neun Jahren aus dem Warschauer Ghetto floh. Barraud zitierte einen Dialog des Films, bei dem sich der Junge an die letzten Worte seines Vaters erinnerte: „Du musst stark sein und tapfer, du musst überleben. Aber selbst wenn du alles, alles vergisst, deinen Namen und vielleicht sogar Mutter und mich, du darfst nie in deinem Leben vergessen, dass du ein Jude bist, gib niemals auf. – Ja, Vater ich verspreche es.“ Diese Worte machten den Film für Barraud zu einem Stück Auferstehungsgeschichte.

Im Anschluss sang die Gemeinde ein Lied des jüdischen Autors Schalom Ben-Chorin aus dem Evangelisches Gesangbuch. Am Ostermontag trugen die Konfirmanden Texte vor. Musikalisch umrahmten Horst Brand an der Gitarre, Johannes Theobald am Cajon und Clara Theobald an der Querflöte den Gottesdienst. Im Anschluss gab es ein Osterfrühstück mit mitgebrachten Speisen, das die Besucher in der Kirche zu sich nahmen. Horst Brand spielte dazu Gitarre.

Zum ersten Mal fand am Montag ein ökumenischer Ostergottesdienst in der Seniorenresidenz neben der Erlöserkirche statt, unter dem biblischen Motto „Fürchtet euch nicht“. Pfarrer Jean-Pierre Barraud gestaltete ihn mit Diakon Albert Hein. Sie brachten Osterkerze und Lektionar mit, als Symbole der katholischen und evangelischen Kirche.

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